Wie kann man sich nur so dumm anstellen? Ich versteh das nicht! Diese Frau kommt jetzt schon seit zwei Wochen jeden Tag hier her ins Restaurant ,Amor´, bestellt sich eine Kleinig zu essen und setzt sich an den Tisch in der Nische am Fenster. Dann isst sie und nebenbei schmachtet sie Peer, den Kellner an. Nur leider bemerkt der sie so gut wie nie. Er übersieht sie einfach. Sie ist aber auch wirklich unscheinbar, mir ihrem beigen Pulli.
Was ich nicht verstehe, warum sie ihn nicht einfach anspricht, das kann doch nicht so schwer sein. Aber nein, sie sitzt lieber schweigend da und sieht ihn einfach nur an.
Ich kann das langsam nicht mehr mit ansehen, die macht sich doch selber kaputt, wenn sie hier weiterhin Tatenlos rum sitzt. Sie muss handeln, ihn ansprechen. Ich stoße mich von der Lampe, auf der ich sitze ab, und fliege zu ihr rüber, wo ich mich auf ihrer Schulter, nah am Ohr nieder lasse.
So von nahem ist sie ja wirklich hüpsch. Und sie riecht gut, nach einer Mischung aus Vanille, Apfel und ... Die dritte ,Zutat´ kann ich nicht zuordnen.
„Sag mal, wie lange soll das noch so weitergehen?“
Sie sieht erschrocken auf. Kann aber natürlich niemanden entdecken, der sie gefragt hat.
„Also, wenn du ihn nicht bald ansprichst sitzt du hier bis an dein Lebensende. Wenn nicht sogar länger.“
„Wer ist da?“ sie mustert ängstlich die anderen Gäste.
„Ich sitze auf deiner Schulter und nein du bist nicht verrückt, ich kann wirklich sprechen.“
Sie dreht langsam ihren Kopf, als sie mich erblickt huscht ein Lächeln über ihr Gesicht.
„Wärst du nun so nett und antwortest mir.“
„Ich weiß gar nicht was du meinst.“ sagt sie leise.
„Oh doch, das weißt du ganz genau!“ ich fliege von ihrer Schulter auf den Kerzenleuchter vor ihr.
„Nein, außerdem geht dich das gar nichts an.“
„Na wenn du meinst. Aber wenn du wirklich bei ihm landen willst, kannst du nicht weiterhin hier so rum sitzen. Antonio bemerkt dich doch noch nicht mal. Ist aber auch kein Wunder, so wie du aussiehst.“
„Was soll das denn heißen?“ sie sieht mich empört an.
„Sieh dich doch mal an, du trägst nur braun, beige und ... schlam. Die Wand hinter dir sieht da fast noch Farbenfroher aus. Aber du sagst ja mich geht das nichts an.“ ich breite meine Flügel auf und will wieder zu meinem Stammplatz zurück fliegen.
„Halt, warte. Und was soll ich deiner Meinung nach machen?“
„Ihn ansprechen und ich meine nicht um einen Kaffee zu bestellen, sondern um ihn nach seiner Handynummer zu fragen. Es wäre aber besser wenn wir dich vorher etwas ... aufhüpschen.“
Bei dem Wort aufhüpschen muss sie lachen. Einer der Gäste dreht sich zu ihr um, sieht sie mürrisch an und wendet sich wieder seiner Begleitung zu.
„Also, wie sieht´s aus, hast du Lust zu shoppen?“
„Lust schon, aber ob mein Portemonnaie da mit macht ist eine andere Frage. Wie heißt du überhaupt?“
„Ich bin Ben und du?“
„Carola. Ben die Fliege, soso.“
Langsam aber sicher wird sie lockerer. Ich erhob mich in die Luft.
„Da mach dir mal keine Sorgen. Hier in der Nähe ist ein Laden, wo die Klamotten nicht so teuer sind, die Qualität dafür aber um so besser ist.“
„Äh...aber ich muss doch noch bezahlen.“
„Na dann leg das Geld einfach auf den Tisch. Du weißt schon das Antonio nur bis fünf arbeitet, danach geht er immer runter zum Strand.“
Carola legt des Geld für ihren Salat auf den Tisch und verlässt das ,Amor´. Während ich sie durch die Stadt dirigiere erzählt sie mir alles Mögliche über Antonio. Das er ein super Schwimmer ist, in seiner Freizeit viel am Strand liegt und am liebsten Pfefferminzeis ist. Wenn sie so erzählt kann man denken das sie schon längst mit ihm zusammen ist.
„Sag mal spionierst du ihm nach?“ unterbreche ich sie.
„Nein! Natürlich nicht, ich treffe ihn nur häufig.“ sagt sie kleinlaut.
„Aha...“
„Ist das der Laden?“
Wir stehen vor ,Annes Modewelt´, Carola mustert skeptisch die Kleidung im Schaufenster.
„Ich weiß, der Name klingt jetzt nicht soooo klasse aber, ich verspreche dir, dass du, wenn du diesen Laden verlässt, eine andere Frau bist! Eine Frau, die Antonio aus den Latschen kippen lässt.“ versuche ich sie zu überzeugen. Und tatsächlich, ein Lächeln mach sich auf ihren Lippen breit. Schwungvoll öffnet sie die Ladentür. Ein Glöckchen ertönt und kurze Zeit später steht Anne vor uns.
Ich surre von Carolas aus Annes Schulter.
„Guten Tag, was kann ich für sie tun?“ sagt sie mit ihrer melodischen Stimme, die mir jedesmal den Atem nimmt.
„Ähm ... also ...“
„Ich hab sie her gebracht.“ übernehme ich die Erklärung.
„Oh, hallo Ben, ich hab dich gar nicht bemerkt.“
Wie bitte, sie hatte mich nicht bemerkt!?! Was soll das denn heißen. Sonst sieht sie mich doch sofort wenn ich in den Laden komme. Sie lächelt mich dann immer mit diesem sinnlichen Lächeln an ...
„Sie hören ihn auch?“ Carola wirkt etwas erleichtert.
„Natürlich, er ist ein guter Freund von mir. Also Ben, was ist los?“
„Das ist Carola und sie ist total in Antonio verschossen. Du weißt schon der heiße Kelner aus´m Amor. Auf jeden Fall traut sie sich nicht ihn anzusprechen. Und von Antonio kommt nicht´s. Ist aber auch kein Wunder, bei den Klamotten. Deswegen sind wir auch hergekommen. Mach was aus ihr.“
Carola ist ganz rot geworden während ich gesprochen habe.
„Das bekommen wir hin. Am besten sie suchen sich mal ein paar Sachen auch und ich mach das gleiche. Und dann schauen wir mal, alles klar?“
„Ja.“ sagt Carola und beginnt die Ständer und Regale zu durchstöbern. Anne hingegen greift zielsicher hier und dahin und hat innerhalb ein paar Minuten drei Outfits zusammengestellt.
Ich sitze die ganze Zeit auf ihrer Schulter atme den wundervollen Duft ihrer Haare ein, schmiege mich in ihren weihen Pulli und genieße den Augenblick in vollen Zügen.
„Ich wäre so weit, wie sieht es bei dir aus?“ fragt Anne.
„Bei mit sieht es super aus.“ flüstere ich.
„Jor, ich hab was gefunden.“
„Dann las mal sehen.“
Carola verschwindet in einer der drei Umkleidekabinen. Jetzt wird es interessant. Ich fliege zu einem Kleiderständer der vor den Umkleiden steht und warte gespannt.
„Ich ziehe erst mal meine Sachen an.“
„Mach das.“
Nach ein paar Minuten kommt Carola hinter dem Roten Vorhang hervor. Ich halte mir mit zwei Beinen den Mund zu damit ich nicht anfangen muss zu lachen. Sie sieht aus wie ein Katoffelsack auf zwei Beinen.
„Ich würde sagen du probierst was anderes.“ grinst Anne.
Doch auch die anderen Sachen die sie sich zusammengesucht hat sehen nicht viel besser aus.
„Hier, zieh das mal an. Ich glaube das wir dir stehen.“ Anne reicht Carola eine Jeans, ein rotes, langes Shirt, ein Kette und ein Paar Sandalen.
Als sie mit diesen Klamotten wieder aus der Umkleide kommt stockt mir der Atem.
„Wow.“ entfährt es Anne und auch Carola selbst scheint zufrieden mit ihrem Spiegelbild zu sein. Das zweite Outfit besteht aus einem weißen Sommerkleid, einem braunen Haarreif und wieder Sandalen, in dem sie auch umwerfend aussieht. Ich überlege kurz ob ich nicht zu ihr in die Kabine fliegen soll um ihren tollen Körper mal ohne so viel Stoff zu sehen, aber da kommt sie schon wieder in einem Blauen Top, einer kurzen, schwarzen Hose und Bast Sandalen heraus.
„Das nehme ich.“ sagt sie glücklich.
Ich schwirre zu ihrem Ohr.
„Gute Entscheidung.“ pflichte ich hier bei.
„Wirklich? Nicht das weiße Kleid?“
„Nein, so viel Geld habe ich nicht dabei. Vielleicht ein anderes mal.“
„Willst du die Sachen gleich anbehalten?“
„Wenn das möglich ist gerne.“
„Klar, ich schneide nur schnell die Preisschilder ab.“ sagt Anne und holt eine Schere.
„Da kannst du mal sehen was andere Kleidung alles bewirken kann. Wir bauchen dir noch nicht einmal deine langen, braunen Haare stylen.“
„So, das macht dann 53,87 ¤“
Carola zahlt, ich verabschiede mich schnell von Anne und gemeinsam verlassen wir den Laden.
„So, und jetzt?“ fragt sie mich sofort.
„Wie spät ist es?“
„Kurz vor fünf.“
„Gut, dann gehst du jetzt nach Hause und ich fliege zurück zum ,Amor´. Dort werde ich Antonio Bescheid sagen das er um acht ein Date am Strand hat.“
„Wie, der kennt dich auch?“
„Ja, alle Angestellten im Amor kennen mich.“
„Na gut. Oh mein Gott ich bin jetzt schon total aufgeregt!“ trällert Carola und biegt um die nächste Ecke.
Ich fliege so schnell ich kann zum Amor, damit ich Antonio noch erwische. Leider ist das nicht so einfach bei so vielen kaufwütigen Frauen, die mit tausend Tüten bepackt durch die Fußgängerzohne hetzen.
Ich habe aber Glück. Antonio ist gerade dabei sich die Hände zu waschen als ich im Restaurant eintreffe. Völlig erschöpft lasse ich mich neben seine Ohr nieder.
„Antonio“ keuche ich „du hast heute um acht ein Date.“
„Hab ich das?“
„Ja, mit einer wunderschönen Frau die am Strand auf dich warten wird.“
„Aha und was ist wenn ich heute schon was vor habe?“
Mist, daran hatte ich überhaupt nicht gedacht.
„Dann ... dann musst du es absagen!“
Antonio holt mich um zwanzig nach sechs ab und gemeinsam gehen wir runter zum Strand. Da Antoni ein Kavalier ist und weiß was Frauen gefällt, hat er ein Picknick vorbereitet, mit allem was dazu gehört. Decke, Brot, Käse, Obst, Gemüse, Kerzen und sogar an Servierten hat er gedacht.
Carola kommt fünf Minuten zu spät, wie es sich für eine Frau gehört.
Sie sieht wirklich wunderschön aus, fast so schön wie Anne. Auch Antonio ist von ihr begeistert. Er geht auf sie zu, gibt ihr ein Küsschen auf die Wange und führt sie zur Decke, auf den schon all die Köstlichkeiten stehen. Sie sieht so aus als könne sie ihr Glück kaum fassen.
Ich sehe die beiden zufrieden an, dann erhebe ich mich und fliege davon. Als ich auf einer der Dünen lande schaue ich noch einmal zurück.
Die Sonne Taucht langsam ins Meer ein, Antonio und Carola sitzen auf der Decke im Sand, er hat einen Arm um sie gelegt. Und wenn mich meine Augen nicht täuschen dann, versinken sie gerade in einem perfekten Kuss.
Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Das Foto habe ich gemacht.
Tag der Veröffentlichung: 18.09.2011
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