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Winterurlaub

 

Nachdem wir mit unseren Urlauben in Irland und in Griechenland soviel Stress und Ärger hatten, und nicht alle von uns bei dem Trip in die Lüneburger Heide Spaß und Freude hatten, wollten Norbert, Michael und ich mal im Winter im Urlaub fahren. Nun ist es so, dass wir alle drei nicht gerade talentierte und begeisterte Wintersportler sind. Aber darauf kommt es auch gar nicht an. Man kann auch so in den Bergen seinen Spaß haben.

 

Dennoch haben wir uns gründlich auf den Wintersport vorbereitet und sämtliche Fernsehübertragungen geschaut, auch Bobfahren und Skispringen, obwohl die beiden Sportarten nun wirklich nicht für den normalen Touristen in Frage kommen.

 

Wir mussten uns für einen Wintersportort entscheiden. Norbert plädierte für den Harz, wurde aber von Michael und von mir überstimmt. So ging es in die Alpen, genauer gesagt nach Kitzbühel in Österreich. Unser Hotel war recht preiswert. Dafür gab es einige Gründen. Zum Einen lag es an Michael. Seine Ehe mit Laura stand vor dem Aus. Sie drohte mit Scheidung. Das führte dazu, dass er ziemlich klamm war, auch wenn er das nicht zugeben wollte. Norbert ging es nicht viel besser. Seine Beziehung mit Erika war wirklich nur eine einmalige Sache. Das deprimierte ihn sehr. Ich selbst war da wesentlich entspannter. Heide, die ich bei unserem norddeutschen Urlaub kennen gelernt hatte, war sehr tolerant und sagte mir: „Mach doch, was dir Spaß macht!“ Diese Worte behielt ich im Kopf.

 

Gut gelaunt trafen wir im Hotel ein und checkten ein. Es war eigentlich nur eine Pension und hatte nur zwei Sterne. In den Zimmern gab es immerhin ein WC und eine Dusche. Das war es aber auch schon an Komfort. Fernseher oder gar Internet waren nicht vorhanden. Für die eine Woche konnten wir aber darauf verzichten. Auf Alkohol hingegen nicht, schon gar nicht mein lieber Freund Michael. Zum Glück war nur wenige Schritte von unserer Unterkunft ein nettes Gasthaus, das leckere Speisen und Getränke anbot. Da konnten wir nicht widerstehen, und auch hinterher konnten wir nicht wieder stehen.

 

Im Lokal fanden wir zum Glück noch einen freien Tisch und warfen einen Blick auf die Speise- und Getränkekarte. „Jagertee“ stand da. „Tee? Nein danke! Pfui deibel“, rief Michael aus und schüttelte sich. „Das ist Tee mit Rum und Gewürzen“, erklärte Norbert und ergänzte: „Ist nicht jedermanns Sache. Ich mag das eher nicht. Aber du kannst ja mal probieren, Michael.“ Das tat er denn auch. Es passierte das, was wir befürchtet hatten, der Jagertee schmeckte ihm nicht. „Das ist ja wie Hustensaft“, bemerkte er.

 

Wir wurden hungrig. Michael orderte eine Schweinshaxe mit Knödel und Sauerkraut, Norbert ein Wiener Schnitzel mit Preiselbeeren und Petersilienkartoffeln. Ich entschied mich für Züricher Geschnetzeltes mit Rösti. Dazu floss reichlich Bier, sogar österreichisches. Wir waren zufrieden.

 

Am nächsten Morgen wollten wir uns dann doch sportlich betätigen. Wir waren schließlich im Winterurlaub. Im Hotel lagen mehrere Prospekte über das örtliche Sportangebot aus. Nach längerer Diskussion entschieden wir uns für Skifahren am berühmten Hahnenkamm. Den hatten wir schon im Fernsehen gesehen, und er war in natura wirklich sehr beeindruckend. Michael entpuppte sich als wahres Talent. Wir waren davon angetan. „Hast du heimlich geübt, Michael?“, wollte ich wissen. Er lächelte, dann sagte er: „Ja, das gebe ich zu. Ich war in Bispingen in der Lüneburger Heide.“ Das kannte ich. Dort gibt es eine künstliche Skianlage, die das ganze Jahr über geöffnet ist. Ich wollte auch schon immer mal dort hin. Es war eine große Überraschung für mich, dass Michael so gut war. Ich hatte ja gedacht, dass wir alle drei nicht gerade talentierte und begeisterte Wintersportler sind.

 

Wir hatten sehr viel Spaß am Hahnenkamm, ohne großartige Stürze. So kehrten wir frohgelaunt zum Hotel zurück und suchten das Lokal auf. Durst hatten wir schon nach der Anstrengung. Dort bot man uns Jagertee an. Wir lehnten dankend ab. Die Bedienung, eine junge, hübsche Blondine mit einer mächtigen Oberweite fragte neugierig nach, warum wir alle das nicht mochten. „Nun, wir haben da schlechte Erfahrungen gemacht“, entgegnete Michael. Norbert und ich nickten. „Da habt Ihr noch nicht unseren Jagertee probiert. Es ist eine Spezialmischung. Ich gebe einen aus“, sagte die Bedienung, die sich danach vorstellte. Sie hieß Simone.

 

Kurz darauf brachte Simone drei dampfende Becher. „Das sind verschiedene Jagertees. Einer mit Orangensaft, einer mit Rotwein und einer mit Jägermeister. Lasst es Euch schmecken!“ Reihum probierten wir alle drei Varianten. Eindeutig war der Jagertee mit Jägermeister der leckerste. Passte ja auch vom Namen der am besten. Das schmeckte sogar Michael. Noch viel mehr schmeckte ihm der Anblick von Simone. Diese erwiderte seine Avancen und schob im einen Zettel zu, offensichtlich mit ihrer Telefonnummer. Mal wieder bewies Michael, dass er einen ungemeinen Schlag bei Frauen hatte. Dabei sah er nicht besonders gut aus. Aber so ist das nun einmal. Ich überlegte kurz, ob ich seine Frau Laura und seine Tochter Jaqueline-Myriam erwähnen sollte, aber ich verkniff mir das.

 

Nach etwa einer Stunde sagte Simone, dass sie gleich Feierabend hätte, und kniff Michael ein Auge zu. Der verstand sofort. Gleichzeitig mit Simone ging auch Michael. Norbert und mir war klar, was die beiden vorhatten. Wir blieben noch eine halbe Stunde im Lokal und begaben uns danach auf unsere Zimmer. Gegen drei Uhr nachts hörten wir ein lautes Poltern auf dem Flur, dass uns beide weckte. Michael wankte und suchte sein Zimmer. Als er es endlich gefunden hatte, hatte er enorme Schwierigkeiten hinein zu kommen. Mit der Keycard kam er nicht zurecht. Sein lautes Fluchen weckte die ganze Etage. Ich erbarmte mich und half ihm. Er brummelte etwas Unverständliches.

 

Zum Frühstück erschien Michael nicht. Das hatten wir uns schon gedacht, es war ja nicht das erste Mal, das so etwas passiert. Um halb zwölf, als wir gerade zum Mittagessen gehen wollten, kam uns Michael entgegen, mit einem Grinsen. „Na, Alter, Spaß gehabt?“, fragte ich ihn. Er nickte und sagte nichts weiter dazu. Wir hielten uns zunächst diskret zurück.

 

In dem Lokal konnten wir dann aber nicht umhin, Michael näher zu befragen. Er wollte zunächst nicht mit der Sprache heraus und sagte nur: „Ein Gentleman schweigt und genießt.“ Doch dann sprudelte es nur so aus ihm hinaus. Als er gerade mit seiner Erzählung fertig war, näherte sich ihm von hinten jemand, den er nicht sah. Es war Simone. Sie hatte mitgehört, zumindest das Ende seiner Erzählung. Mit einem bitterbösen Blick klopfte sie ihm auf die Schulter und sagte. „Na, da erweist sich aber jemand als Plaudertasche. Du kannst mich mal kreuzweise!“ Mit diesen Worten knallte sie uns die Karten auf dem Tisch und ergänzte: „Für dich gibt es hier heute nichts, Michael. Jedenfalls nicht von mir!“ Danach nahm sie von Norbert und von mir die Bestellungen auf und ging. Michael machte ein dummes Gesicht. Norbert und ich konnten uns ein Lachen nicht unterdrücken. Das war auch zu komisch. „Na, denn hoffen wir mal, dass du nicht wieder so eine bleibende Erinnerung erhältst wie bei unserem Griechenland-Urlaub“, sagte ich. Das hatte ich mir diesmal nicht verkneifen können.

 

Simone hatte das aber gehört. Sie stürmte zurück zu unserem Tisch. Mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen fragte sie Michael: „Was bedeutet das? Hast du irgendwelche Krankheiten, die du mir verschwiegen hast?“ Ich lachte und antwortete anstelle von Michael: „Die Krankheit ist etwa vier Jahre alt und heißt Jaqueline-Myriam!“ Jetzt war es heraus. Ich biss mir auf die Zunge, das war mir herausgerutscht. Simone hatte das jedenfalls verstanden. Sie zog einen Flunsch und stellte fest: „Das war es jetzt endgültig, du alter Wichser!“

 

Michael war sichtlich geplättet. Das hatte er nicht erwartet. Jedenfalls war das diesmal kein schöner Urlaub für Michael. Für Norbert und für mich schon. Wir hatten noch zwei wunderbare Wochen in Kitzbühel, bei traumhaften Wetter und kehrten gesund und zufrieden nach Deutschland zurück.

 

Vier Wochen später ging Michael zum Arzt, weil er Schmerzen beim Urinieren hatte. Der Arzt stellte fest, dass er sich einen Tripper eingefangen hatte. Mit diesem Urlaubsmitbringsel hatte er nicht gerechnet. Als Michael uns das erzählte, war uns klar, wer ihm diese Überraschung beschert hatte. Seine Frau war verständlicherweise wenig begeistert und reichte bald darauf die Scheidung ein. Damit hatte sie ja schon damit gedroht, bevor wir unseren Urlaub antraten.

 

Das Ganze ging problemlos über die Bühne und gut ein Jahr später war Michael geschieden. Das Sorgerecht für sein Kind erhielt seine Frau.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.gschichten.com
Tag der Veröffentlichung: 27.04.2025

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