Norbert Hundertmark, der Programmdirektor von TELE 12, hatte sich lange dagegen gewehrt, eine Kochsendung in das Programm seines Senders aufzunehmen, aber angesichts dessen, dass die Konkurrenten enorme Einschaltquoten mit diesen Formaten erzielten, kam auch sein Sender nicht mehr daran vorbei. Aber es musste etwas Neues, Innovatives sein, was sich deutlich von den Shows der anderen Sender abhob.
In der Besprechung mit seinen beiden Mitarbeitern Nathalie Hollmann und Lars Steinke stellte Norbert klar, dass ihm das wichtig war. Nun waren Ideen gefragt, und auch ein schlagkräftiger Name. Lars Steinke meldete sich zu Wort: „Ich hätte tatsächlich eine Idee für eine Kochsendung, die es bislang noch nicht gibt. Kochen nach Buchstaben, natürlich keine Buchstabensuppe. Die Kandidaten dürfen nur Zutaten für ihr Gericht verwenden, die mit den ausgelosten Buchstaben beginnen. Bei K und M also Kochsalz und Meerrettich, aber kein Pfeffer und kein Fleisch.“
Norbert verzog das Gesicht. Ihm gefiel die Idee nicht. Er sagte: „Nein, das ist nicht das, was mir vorschwebt. Haben Sie keine bessere Idee? Oder fällt Ihnen etwas ein, Natalie?“ Diese reagierte überrascht, weil sie ja sonst immer nur für die Namensfindung der Sendungen zuständig war, und nicht für deren Inhalt. Daher entgegnete sie: „Nun, eine Idee für das Konzept der Show habe ich noch nicht, aber mir ist ein Name eingefallen: Wo die Zwiebel hinfällt.“
Norbert lachte, er fand das witzig. Ihm gefiel auch der Seitenhieb auf eine Sendung eines anderen Senders. Er räusperte sich und sagte: „Das ist doch schon einmal ein Anfang, Natalie. Wir gehen noch einmal in uns und treffen uns nächste Woche wieder.“
Eine Woche später saßen alle drei wieder zusammen. Lars hatte sich die ganze Woche über das Hirn zermartert, ohne das ihm etwas Vernünftiges einfiel. Es war zum Verzweifeln. Lars hoffte, dass ihm sein Chef das nicht übel nahm.
Bei der Besprechung machte Lars ein zerknirschtes Gesicht, was Norbert selbstverständlich sofort bemerkte. „Nun, Lars, wie geht es Ihnen? Haben Sie eine kreative Idee entwickelte?“, sagte Norbert gleich zu Beginn. Der Angesprochene schluckte und brachte kein Wort hervor. Natalie mischte sich ein: „Wir haben bei unserem Sender schon viel erreicht, aber noch nie etwas kopiert.“ Norbert horchte auf. Das klang sehr gut. Laut rief er: „Ja, das wird unsere Show Oft erreicht, doch nie kopiert. Jetzt müssen wir nur noch die Sendung erfinden!“. Lars grinste schief. Das war einfacher gesagt, als getan. Er hoffte, dass ihm baldmöglichst doch noch etwas einfiel.
Eine Woche später. Lars hatte tatsächlich eine zündende Idee gehabt und er hoffte, dass diese Anklang finden würde. Nicht ohne Stolz trug er diese bei der Besprechung vor: „Meine Idee ist, dass die Köche Speisen zubereiten sollten, bei denen eine Zutat falsch ist. Die Kandidaten müssen das kosten und sagen, was da fehl am Platze ist. Also: Oft erreicht, doch nie kopiert“. Norbert war perplex. Das klang großartig. Er klatschte Beifall, das tat er nur selten. „Na, super. Dann können wir ja loslegen“, rief er aus.
Schon drei Wochen später stand das Konzept der Sendung fest. Nun galt es, festzulegen, wer die Kandidaten sein sollten. Man hatte sich darauf geeinigt, dass Profis kochen und dabei absichtlich Fehler in die Gerichte einbauen sollten. Amateurköche mussten dann diese erkennen. Umgekehrt funktionierte das nicht. Das war zu leicht für die Profis, das hatten Testsendungen gezeigt.
Bei der ersten Sendung traten drei sehr prominente Köche auf, die sich schon in anderen Sendern präsentiert hatten. Da war der Koch aus Köln mit dem markanten Schnurrbart, der die Butter so sehr liebte. Ferner trat der dunkelhäutige Starkoch mit dem typischen deutschen Nachnamen auf. Seine Heimatstadt hatte viel mit Nahrungsaufnahme zu tun. Nicht zu vergessen war da der Profikoch, dessen Name einer Geschmacksrichtung entsprach. Seine Wahlheimat war Österreich, aber er kam eigentlich von der Nordseeküste.
Alle drei wurden vorab interviewt. „Das ist eine echte Herausforderung für mich“, meinte der Butterfreund. Der Dunkelhäutige sagte: „Ich werde mein Bestes tun. Oder mein Schlechtestes? Wartet es ab!“. Vom Wahl-Österreicher war zu hören: „Na, ob du das schaffst, mein Lieber. Ich habe da meine Zweifel!“
Nun ging die Show los. Es sollte eine Vorspeise, ein Hauptgericht und einen Nachtisch geben. Die drei Amateurköche wurden in einem anderen verbracht, sie konnten weder sehen noch hören, was die Profis machten.
Es ging los mit der Vorspeise. Das war Aufgabe des vorgeblichen Österreichers. Er bereitete einen Caesar Salad zu. „Das Rezept kommt von einem kleinen Hotel aus Mexiko, nahe der Grenze zur USA“, erklärte der Koch. Er ergänzte: „Es gibt etliche Varianten des Salats. Ich bereite ihn so zu, wie man es mir beigebracht hat.“ Das stimmte nur bedingt, weil der Herr von der Nordseeküste doch vom Rezept abwich. Er hatte Römersalat, Parmesan und Toastbrot bereitgestellt. Für die Sauce verwendete er rohe Eier, Sardellen, Knoblauchzehen, Dijonsenf, Zitronensaft, Pfeffer und Olivenöl. Und hier lag der Fehler, weil es nur Keimöl sein darf, aber kein Olivenöl.
Der Kölner Koch war für das Hauptgericht zuständig. Er briet Wiener Schnitzel aus Kalbfleisch, aber nicht in Schmalz oder Butterschmalz, sondern in Öl. Noch dazu schwammen die Schnitzel nicht in dem Fett, es war viel zu wenig davon in der Pfanne. Immerhin waren die Schnitzel schön dünn geklopft worden. Dazu gab es Kartoffelsalat und keine Pommes frites, was in Ordnung war. Garniert war das Schnitzel mit einer Zitronenscheibe und einem Petersilienzweig.
Der dritte Profikoch legte mit dem Nachtisch los. Es war der Dunkelhäutige. Er bereitete Milchreis zu, aber er nahm Langkornreis statt Rundkornreis. Außerdem verwendete er Magermilch statt Vollmilch. Das mit der Milch war kein grober Fehler, aber es minderte den Geschmack. Viel schlimmer war die Verwendung des falschen Reis. „Das sollte man bei Risotto übrigens auch nicht machen“, verriet der Koch und grinste.
Nachdem alle Speisen zubereitet waren, wurden die Amateurköche Torsten, Claudia und Kurt aus dem abgesperrten Raum entlassen und an den Tisch geführt. Dort waren die Gerichte bereits aufgebaut. Mit der Vorspeise ging es los. Das waren offenbar recht schwierig. Jeder von ihnen hatte einen Zettel vor sich, auf den der Fehler einzutragen war. Der Profikoch grinste. Er hatte anscheinend gute Arbeit geleistet. Torsten notierte etwas. „Falscher Senf“ war seine Lösung. Claudia hatte „Sardellen gehören da nicht hinein“ aufgeschrieben. Und Kurt? Er hatte als einziger die richtige Lösung gefunden, nämlich „Olivenöl verwendet“. Die Zettel wurden ohne Kommentar eingesammelt.
Beim Hauptgericht war es anscheinend leichter für die Kandidaten. Alle erkannten, dass es am Fett lag. Allerdings formulierte nicht jeder von ihnen das ausreichend gut. Torsten bemerkte nur, dass es zu wenig Fett war, aber nicht dass Öl statt Butterschmalz benutzt wurde. Hingegen hatten dieses Claudia und Kurt messerscharf erkannt und entsprechend notiert.
Es folgte der Nachtisch. Dieser mundete allen Kandidaten. Torsten und Claudia erkannte aber nicht, dass hier ein falsche Reis benutzt wurde. Kurt fiel das hingegen schon auf, und auch, dass nur Magermilch verwendet wurde.
Somit war Kurt der eindeutige Sieger der Show. Er gewann ein Essen für zwei Personen in einem Gourmet-Restaurant seiner Wahl.
Oft erreicht, doch nie kopiert war ein großartiger Erfolg für den Sender und brachte gigantische Einschaltquoten.
Bildmaterialien: www.wikipedia.org
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2023
Alle Rechte vorbehalten