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Die neue Klasse

 

 

Das Schuljahr 1976/77 war wenig erbaulich für mich. Meine Leistungen in einigen Fächern ließen stark nach, so dass ich am Ende der neunten Klasse nicht versetzt wurde, ich war sitzengeblieben. In den Fremdsprachen Englisch und Französisch war ich immer schon schlecht, aber jetzt war das auch in Mathematik so, früher eines meiner beiden Ausgleichsfächer. Lediglich in Deutsch konnte ich von den Hauptfächern noch punkten. Da nützten auch meine guten Noten in Chemie und Physik nichts.

 

So musste ich die neunte Klasse leider wiederholen und kam zusammen mit zwei Mitschülern, denen das Gleiche passiert war, in eine völlig neue Klasse. Lauter fremde Kameraden und Kameradinnen. Einige wirkten sympathisch, andere nicht so sehr. Besonders interessierten mich natürlich die Mädchen, das ist verständlich in dem Alter.

 

Am 28. Oktober 1977 wurde ich sechzehn. Diesmal wollte ich zu meiner Feier auch Mädels einladen. Dabei hatte ich drei Mitschülerinnen ins Auge gefasst. Da war zunächst Kerstin. Sie war die Tochter eines Lehrers, der auch auf unserer Schule unterrichtete, aber nicht in unserer Klasse, das wäre nicht erlaubt gewesen. Kerstin war wunderhübsch und sah ein bisschen aus wie meine Mutter, als sie jung war. Das sagte ich ihr auch. Leider kam das gar nicht gut an. Für die Zukunft hatte ich gelernt, dass man so etwas für sich behalten sollte. Kerstin studierte später Medizin und wurde Ärztin mit eigener Praxis in einer Kleinstadt nordwestlich von Hannover. Ich bin ihr in späteren Jahren noch zweimal über den Weg gelaufen, darunter zu meiner Zeit, als ich in dem Kiosk im Kleefelder Bahnhof gearbeitet habe. Kerstin hat geheiratet, ob sie Kinder hat, weiß ich nicht.

 

Die zweite Mitschülerin, die mir gefiel, war Brigitte, Tochter eines Ministerialrates, also aus „gutem Hause“, wie man so sagt. Sie war gut einen Kopf kleiner als ich und hatte lange, blonde Haare. Auf einer Klassenparty hatte ich schon mal eng mit ihr getanzt, obwohl sie ansonsten recht schüchtern war. Sie war in der Theater-AG der Schillerschule sehr aktiv, weswegen viele von uns meinten, sie würde später mal Schauspielerin werden. Etwas Ähnliches ist dann auch wirklich passiert. Brigitte studierte Romanistik, Neue Deutsche Literatur und Musikwissenschaft und wurde dann Dramaturgin an einem Musiktheater in einer anderen Stadt, um später woanders Spielleiterin und Regisseurin zu werden. Sie arbeitet jetzt an einer Hochschule für Musik.

 

Die dritte Kandidatin für meine Geburtstagsfeier war seinerzeit sehr eng mit Brigitte befreundet und hieß Dagmar. Sie war ein ganz anderer Typ als Brigitte und alles andere als schüchtern. Dagmar umgarnte fast alle Jungs in der Klasse und auch einige Lehrer. Was sollte wohl aus ihr werden? Nun, sie wurde Autorin und TV-Produzentin, unter anderem für die Lindenstraße, den Kieler Tatort und die Rettungsflieger. Zeitweise lebte sie in Spanien, den USA und in Kanada. Sie bekam zwei Töchter, hat aber nie geheiratet.

 

Es ist bemerkenswert, dass aus allen drei Klassenkameradinnen etwas wurde und sie allesamt ein erfolgreiches Leben hatten. Wenig Erfolg hatte ich hingegen mit den Einladungen zu meiner Geburtstagsfeier. Alle drei Mädels sagten ab, was auch bei meinen Kumpels für Enttäuschung und Spott sorgte, weil ich vorher großspurig ihr Kommen angekündigt hatte.

 

Die Lehrer und Lehrerinnen waren fast ohne Ausnahme äußerst sympathisch. Das galt besonders für Frau M., die ich zuvor in Französisch hatte, in diesem Jahr jedoch in Deutsch. Sie führte sie uns an Literatur heran, die ich heute noch schätze, so „Die neuen Leiden des jungen W.“ von Ulrich Plenzdorf oder „Der Fänger im Roggen“ von J. D. Salinger. Da machte der Unterricht Spaß!

 

Das Schuljahr 1977/78 verlief für mich relativ erfolgreich, ich verbesserte mich in fast allen Fächern, außer in den Fremdsprachen. Daher schaffte ich die Versetzung diesmal mühelos.

 

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Bildmaterialien: www.hannover.de
Tag der Veröffentlichung: 08.08.2023

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