Willi war wieder in Neustadt. Patrick hatte ihn angerufen. Ein neuer, gefährlicher Auftrag stand an. Patrick konnte diesen nicht ohne seine Hilfe erledigen. Im Neustädter Kunstmuseum war eingebrochen worden, äußerst wertvolle Gemälde wurden entwendet.
Museumsdirektor Hans Manthey begrüßte die beiden Geheimagenten im Foyer des Museums. „Es ist mir ein Rätsel, wie die Täter in unser Haus eindringen konnten. Sämtliche Überwachungskameras haben nichts aufgenommen, die Türen wurden nicht aufgebrochen und keine Fenster wurden eingeschlagen“, erklärte er ziemlich verzweifelt. „Was wurde dann gestohlen, Herr Manthey?“, fragte Willi. „Sechs Bilder von Monet, die meisten davon waren Leihgaben“, antwortete Manthey. „Monet? Ist das nicht der, der immer die Blumenvasen gemalt hat?“, wollte Patrick wissen. „Nicht ganz, mein Herr. Das war Manet. Monet hat vorwiegend Landschaften gemalt. Manet hingegen malte eher charaktergetriebene Szenen und eben die von Ihnen erwähnten Blumenvasen. Beide waren Impressionisten. Man kann die beiden durchaus verwechseln, nicht nur wegen des ähnlichen Namens, aber es gibt auch einige Unterschiede. Aber lassen wir das. Gehen wir zum Tatort.“
Willi und Patrick folgten Manthey in die Ausstellungshalle. Einige Bilder von Monet hingen noch an den Wänden, sechs Haken waren jedoch frei. „Die Täter haben nur die besten Werke mitgehen lassen, da kannte sich jemand aus. Und etwas ist ungewöhnlich. Die Bilder wurden mitsamt der Rahmen gestohlen. Normalerweise werden sie von den Dieben herausgeschnitten“, berichtete der Museumsdirektor weiter. Er war immer noch äußerst bestürzt über das, was geschehen war.
Willi sah nach oben und bemerkte das kleine Fenster an der Decke, das den Raum mit Licht durchflutete. „Könnten die Täter durch das Dach gekommen sein?“, mutmaßte er. „Wohl kaum, mein Herr. Das schafft kein Mensch. Die Luke ist viel zu klein“, antwortete Manthey.
Willi und Patrick verabschiedeten sich und begaben sich vor dem Eingang des Museums. „Was hältst du davon?“, wollte Willi wissen. Patrick überlegte kurz. Dann antwortete er: „Der Museumsdirektor kam mir nicht koscher vor. Er verbirgt etwas. Das sollten wir mal überprüfen.“ „Sehr gut, Patrick. Das werden wir tun. Erinnere dich an Herrn Lohmann. Den haben wir überführt, nachdem wir sein Konto überprüft haben. Das werden wir jetzt auch mit Herrn Manthey machen. Wir müssen nur darauf warten, dass er Geld abhebt.“
Sie setzten sich auf eine Parkbank gegenüber dem Museum und warteten. Und tatsächlich: Zwei Stunden später trat Manthey aus dem Gebäude und begab sich zur nur wenige Meter entfernten Sparkasse. Er ging zum Geldautomaten, tippte seine Geheimzahl ein, nahm aber kein Geld ab. Danach verließ Manthey die Sparkasse wieder.
„Ich vermute, er hat kein Geld bekommen. Das werden wir gleich sehen“, sagte Willi. Sie gingen in die Sparkasse. Willi schob ein weißes Kärtchen in den Schlitz des Automaten. Ein kurzes Surren ertönte und die Karte kam wieder hervor. Er hatte damit Mantheys Karte kopiert, um sein Konto zu überprüfen. Nunmehr konnte er sehen, dass sich das Konto des Museumsdirektors in einem hohen Minusbetrag befand, nachdem er sich den Kontoauszug ausgedruckt hatte. „Der gute Mann hat erhebliche finanzielle Probleme“, stellte Willi fest. Seine Vermutung hatte sich bestätigt.
„Wir werden sein Haus durchchecken. Ich bin mir sicher, dass wir da einige Überraschungen finden und Erkenntnisse erlangen“, sagte Willi. Er nahm sein Handy und gab die Adresse von Herrn Manthey ein, die praktischerweise auf dem Kontoauszug stand. Sein Haus lag am Rande der Stadt in einer noblen Wohngegend.
Dort angekommen nahmen die Geheimagenten ihre Spezialbrillen mit Röntgenblick zur Hand und setzten sie sich auf. Sie konnten damit in das Innere des Hauses blicken. Dort sahen sie zahlreiche Bilder an den Wänden aus verschiedenen Ländern der Erde. „Der Herr interessiert sich anscheinend auch privat für Kunst. Ein teures Hobby. Das erklärt seine finanzielle Lage“, stellte Willi fest. Patrick nickte und antwortete: „Wir sollten überprüfen, ob das Originale sind. Hast du in deinem Geheimagenten-Repertoire etwas, was uns helfen kann?“ „Das habe ich tatsächlich, Patrick. Dazu müssten wir allerdings in Haus. Aus größerer Entfernung geht das nicht.“
Willi nahm sein Smartphone und teleportierte sich und Patrick damit direkt in das Haus. „Wirklich beeindruckend. Eine kleine Nebenstelle des Museums“, stellte Willi fest. Er griff in seine Agententasche und holte ein kleines Gerät hervor, das wie ein Kofferradio aussah. Das war es natürlich nicht, sondern ein Scanner, der Originale und Fälschungen erkennen konnte. Außerdem war das Gerät in der Lage, zu erkennen, wer der Künstler war und wie das Kunstwerk hieß. Darüber hinaus wusste die Software sogar, wo sich das Bild aufhalten sollte.
Im Flur hingen einige Bilder von Picasso, das hatte Willy auch ohne Hilfe des Gerätes erkannt. Allerdings unterschied sich eines der Bilder von den anderen. Es war gegenständlich und zeigte ein kleines, rothaariges Mädchen mit einer weißen Taube in der Hand vor einem blauen Hintergrund. „Interessant, dass Picasso auch so gemalt hat“, bemerkte Willi.
Sie betraten das Wohnzimmer. Dort hingen Werke von Salvador Dali, Max Ernst und René Magritte. Diese Bilder von sehr berühmten Surrealisten waren allesamt Originale wie auch die im Flur. „Mir scheint, unser lieber Museumsdirektor hat ein geheimes Leben. Er wird die Bilder wohl kaum gekauft haben. Ich frage mal eben die Software, wo die Werke sein sollten“, sagte Willi und pfiff vor sich hin, was er immer machte, wenn ihn etwas beeindruckte oder berührte.“
Es stellte sich heraus, dass fast alle Kunstwerke im Haus von Manthey in Museen sein sollte, einige im Neustädter Kunstmuseum. Die anderen waren vor einiger Zeit dort in Sonderausstellungen zu sehen. „Da haben wir einen ganz großen Fisch an der Angel“, frohlockte Willi. Er und Patrick waren begeistert über ihren Erfolg, dass sie gar nicht bemerkt hatten, dass Manthey unterdessen nach Hause gekommen war.
„Was machen Sie in meinem Haus und wie sind Sie hier herein gekommen?“, zeterte er los. Er war puterrot angelaufen. „Nun, Herr Manthey. Wir haben da unsere Methoden, in Häuser zu kommen. Und es hat durchaus seinen Grund, warum wir hier sind. Wir wollten uns Ihre Kunstwerke ansehen. Sehr beeindruckend“, sagte Willi und grinste. Der Museumsdirektor zögerte, dann antwortete er: „Das sind selbstverständlich alles nur Kopien, die Originale hängen im Museum. Ich habe einen hochwertigen 3D-Drucker, mit dessen Hilfe ich die Bilder kopiert habe. Im Moment ist er aber leider kaputt.“
Manthey ging mit Willi und Patrick in sein Arbeitszimmer und zeigte das Gerät. „Er kopiert nicht nur das Bild in allen Einzelheiten, einschließlich der Pinselstriche. Auch der Rahmen wird exakt kopiert. Wie gesagt: Leider funktioniert er gerade nicht“, erklärte er. „Herr Manthey, Sie lügen. Die Bilder, die hier bei Ihnen hängen, sind alles Originale. Mag sein, dass Sie diese kopiert haben, aber Sie haben die Originale danach behalten“, sagte Willi. Manthey lief erneut puterrot an. Er stammelte: „Das können Sie nicht beweisen!“ „Doch, Herr Manthey das können wir. Mittels meines Scanners“, widersprach Willi und ergänzte: „Das wird vor Gericht zwar nicht anerkannt, weil es sich dem Scanner um ein höchst geheimes Objekt handelt. Wir werden das auf andere Weise überprüfen.“
Die Analyse durch ein Expertenteam ergab, das alle Bilder tatsächlich echt waren. Manthey hatte sich nach und nach die Kunstwerke ausgeliehen, sie kopiert und die Originale behalten. Danach hing er die Kopien wieder im Museum auf. Das hatte er auch diesmal vor, doch der defekte 3D-Drucker machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Warum er die Originale nicht zurückgab und sie stattdessen als gestohlen meldete, verriet er nicht. Zu seiner Entlastung gab er vor Gericht an, dass er leidenschaftlicher Kunstsammler war und sich anfangs noch echte Bilder kaufte, bis ihm das Geld ausging.
Natürlich wurde Manthey entlassen. Die gestohlenen Bilder wurden den jeweiligen Museen zurückgegeben. Wieder einmal hatten Geheimagent Willi und sein Kollege Patrick einen Verbrecher enttarnt.
Bildmaterialien: www.artelino.com
Tag der Veröffentlichung: 13.07.2023
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