Die EXPO 2000 fand vom 01. Juni bis zum 31. Oktober in Hannover statt. Es war die erste deutsche Weltausstellung. Anfangs hatten ich und viele andere Leute dagegen deutlichen Widerwillen. Man befürchtete, dass unsere Stadt monatelang von Touristen überströmt werden würde und das es in dieser Zeit nicht oder nur schwer möglich sein würde, ein Restaurant zu besuchen.
Doch nichts davon trat ein. Trotz intensivster Werbemaßnahmen war das Interesse an der EXPO anfangs sehr gering. Dazu trugen auch die exorbitanten Eintrittspreise bei. Um zumindest die Beschäftigten der Stadtverwaltung anzustacheln, entschied man sich, dass jeder Mitarbeiter nicht nur drei Freikarten für die Ausstellung bekam, sondern auch drei zusätzliche freie Arbeitstage.
Ich erhielt noch mehr Freikarten, unter anderem von meinem Bücherclub und von meinem Weinhändler. Das führte dazu, dass ich die EXPO neunmal besuchte, aber kein einziges Mal Eintritt bezahlte. Dafür waren die Preise für Getränke und Speisen auf dem Gelände extrem hoch. So kostete eine große Bratwurst (ohne Beilagen) sage und schreibe zehn Mark. Immerhin gab es den Senf kostenlos dazu. Und der Stand mit den leckeren indonesischen Spezialitäten, den ich schon von diversen anderen Veranstaltungen kannte, nahm etwa doppelt so viel wie sonst üblich.
Eine Weltausstellung, wie man sich das vorgestellt hatte, war das Ganze ohnehin nicht. Es wurden keine sensationellen Erfindungen präsentiert, wie vor über hundert Jahren in Paris oder anderswo. Vielmehr war es eine riesige Tourismusbörse. Die einzelnen Länder warben dafür besucht zu werden. Manche waren auch gar nicht erst vertreten, wie z. B. die USA. Das Motto der EXPO „Mensch, Natur, Technik“ wurde nicht von jedem Land gut umgesetzt. Eine Ausnahme bildeten die Niederlande sowie Venezuela. Die Holländer hatten einen wunderschönen Pavillon gebaut, in dem sich unter anderem ein Wald befand. Er stand nahe am Eingang Ost, gegenüber vom französischen Pavillon und war 40 Metern eines der höchsten Gebäude des EXPO-Geländes. Man wurde mit einem Aufzug auf das Dach gebracht, dort sah man Windräder und eine Wasserlandschaft, das sollte typisch für unseren Nachbarstaat sein. Alles in allem war sehr gut gemacht und es war mich mit großem Abstand der schönste Pavillon.
Venezuela Pavillon war in dem Teil des Geländes zu finden, dass zur normalen Hannover-Messe gehört, also im Nordwesten, gleich am dortigen Eingang. Er hatte ein Dach wie eine Blume, das sich bei Regen schloss und bei schönem Wetter öffnete. Dort sah man tropische Pflanzen und Fische sowie Ausstellungen über Simon Bolivar und Alexander von Humboldt. Das war Platz zwei meiner Hitliste.
Platz drei war für mich der Pavillon von Island. Er war eher schlicht gehalten, es war ein großer blauer Würfel. Er hatte aber eine Besonderheit. Dort gab es ein Laufband mit den Namen sämtlicher Isländer, die jemals gelebt hatten, bzw. noch leben. Datenschutz wurde somit ignoriert. Manchmal liegt die Schönheit in der Schlichtheit.
Und der deutsche Pavillon? Er war zwar ziemlich groß, aber eher langweilig. Gezeigt wurden viel Kultur und viele Filme. 47 Gipsköpfe waren dort zu sehen, unter anderem Thomas Mann, Konrad Adenauer und Ludwig van Beethoven. Die Männer waren dabei eindeutig in der Mehrheit. Warum man nun ausgerechnet Artur Fischer und Hans Beck (Fischer-Technik, bzw. Playmobil) dazu ausgewählt hatte, entzieht sich meiner Kenntnis. Immerhin schafften es der Astronaut Sigmund Jähn und der Fußballer Jürgen Sparwasser in die Auswahl. Die ehemalige DDR sollte wohl nicht unerwähnt bleiben. In einem anderen Raum wurden alle sechzehn Bundesländer präsentiert, wobei jedes Land etwas mitgebracht hatte: Berlin zeigte ein Stück der Mauer, Bayern ein Stück der Zugspitze und Schleswig-Holstein ein Wikingerschiff.
Viele Länder hatte gar keinen eigenen Pavillon, sondern waren in eine der alten Messehallen, die in die Ausstellung integriert waren, zu finden. Afrika z.B. zeigte sich in Halle 12. Das war bunt und exotisch und gefiel mir sehr gut. Weniger gut gefiel mir, dass mir dort in dem Gedränge meine Brieftasche gestohlen wurde. Ich hatte gerade zuvor Geld abgehoben. Das war schon sehr ärgerlich.
Ebenso faszinierend war die Halle 21 mit Süd- und Mittelamerika sowie der Karibik. Urlaubsstimmung unter Palmen – das hatte schon etwas. Schon allein die leicht bekleideten Tänzerinnen waren einen Besuch der Halle wert. Im Großen und Ganzen war die EXPO schon sehr sehenswert, sonst wäre ich nicht so oft dagewesen. Die ärgerlichen und bedauerlichen Ereignisse habe ich ja schon geschildert.
Was ist nun – im Jahre 2022 – von der Weltausstellung übrig geblieben? Leider nicht sehr viel. Die meisten Pavillons wurden abgerissen oder abgetragen, um anderswo wieder aufgebaut zu werden, wie z. B. der ungarische. Er war ganz aus Lärchenholz gefertigt und sah aus wie zwei sich öffnende Hände. Abgetragen und verfrachtet wurde auch die Seilbahn, die das Ost- mit dem Westgelände verband. Einige Pavillons blieben erhalten und neu vermietet. So war in dem französischen zunächst ein großer Sportartikelhändler zu finden, später dann ein sehr bekannter Automobilhersteller aus München. Man kann mit einem Linienbus das ehemalige Ostgelände durchfahren und sich die Überreste der verbliebenen Gebäude ansehen.
Hannover erhielt durch die EXPO eine neue Stadtbahnlinie, eine große Veranstaltungshalle, in der Konzerte und Sportveranstaltungen stattfinden und mehrere von Grund auf erneuerte Bahnhöfe. Das Image unserer Stadt wurde aber nicht aufgewertet, eher im Gegenteil. Das ist sehr bedauerlich.
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Tag der Veröffentlichung: 07.12.2022
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