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Wo ist Vilsen?

 


Wie ich bereits in meinem Reisebericht über Holland erwähnt habe, war ich früher bei der Museumseisenbahn in Bruchhausen-Vilsen sehr aktiv. Das begann während meiner Tätigkeit in der Bahnhofsbuchhandlung in Hannover-Kleefeld im Jahre 1984. Dort lernte ich einen älteren Mann kennen, der wie ich ein leidenschaftlicher Fan von Eisen- und Straßenbahnen war. Herr Weber war in etwa so alt wie meine Mutter und Steuerberater im Ruhestand, allerdings ohne Bezüge, wie ich später erfuhr. Seine Frau war verstorben, und zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Witwerrente. Sozusagen war Herr Weber mittellos, er lebte von seinen Ersparnissen. Das war ihm aber nicht anzumerken, er war stets adrett und gut gekleidet.

 

Mit Begeisterung berichtete er vom Deutschen Eisenbahnverein (DEV), der in Bruchhausen-Vilsen die Museumseisenbahn seit 1966 betrieb. „Das müssen Sie sich unbedingt ansehen, Herr März“, sagte er immer wieder. Dann war es soweit: An einem Sonntag im Juli 1984 fuhren wir mit meinem Auto dorthin, genauer gesagt nach Asendorf, dem anderen Endpunkt der Strecke. Asendorf liegt etwa 73 Kilometer von Hannover entfernt, über die B6 kommt man schnell dort hin, dann die Bundesstraße ist zum Teil autobahnmäßig ausgebaut.

 

In Asendorf war ich aber enttäuscht, dann da war nichts los: nur ein mickriger Haltepunkt, kein Lokschuppen, keine anderen Dampfloks, keine Souvenirstände. „Ich weiß, was Sie denken, das was Sie hier vermissen, finden wir in Bruchhausen“, erklärte Herr Weber. Dann kam auch schon die alte Dampflok, sie war schwarz und grün lackiert und sah wunderschön aus. Auch die Wagons waren in einem erstklassigen Zustand. Wir stiegen ein in die Kleinbahn. Die meterspurige Strecke ist knapp acht Kilometer lang und führt streckenweise durch einen Wald. Es rumpelte, aber das war normal für eine solche alte Eisenbahn.

 

In Bruchhausen-Vilsen fand sich dann all das, was ich zuvor vermisst hatte: ein Lokschuppen, ein richtiger, kleiner Bahnhof und ein Kiosk, wo man Eisenbahnbücher, Postkarten und Souvenirs kaufen konnte. Alles war ordentlich und sauber. Ich war begeistert. „Wollen Sie noch einen Blick in den Ort werfen? Bruchhausen ist wirklich sehenswert“, schlug Herr Weber vor, nachdem ich mir alles angesehen hatte. Er hatte erneut nur Bruchhausen gesagt und Vilsen verschwiegen. Daher fragte ich nach: „Sehr gerne, Herr Weber. Aber wo ist Vilsen?“ Herr Weber lachte kurz und antwortete dann: „Gute Frage. Tatsächlich ist Bruchhausen der interessantere Ortsteil. Die Bebauung ist hier wunderschön, das werden sie sehen. Das mag daran liegen, dass es ein Luftkurort ist. Historisch gesehen ist Bruchhausen nur wenig älter als Vilsen. Der Ort wurde erstmals 1189 erwähnt, Vilsen dann im Jahre 1227. In Vilsen gibt es jedoch eine schöne alte Kirche, die St.-Cyriakus-Kirche aus dem 13. Jahrhundert, die zu der eben genannten urkundlichen Erwähnung führte. In Vilsen ist aber eine Limonadenfabrik, die nur regionale Bedeutung hat.“

 

Diese Fabrik war in den 80ern tatsächlich nur Bremer Umland bekannt, schon in Hannover kannte man ihre Produkte damals nicht. Heutzutage ist Vilsa Marktführer im norddeutschen Raum und die Produkte sind bundesweit erhältlich. Die Firma sponsert Werder Bremen und den Hamburger SV und beliefert Borussia Dortmund.

 

Ich war sehr angetan von Bruchhausen und dem Museumseisenbahnverein. Daher entschied ich mich, dort einzutreten. 1986 wurde ich auch aktives Mitglied. Allerdings bin ich handwerklich nicht besonders geschickt, so dass ich andere Aufgaben zugewiesen bekam. Ich wurde dem Kiosk zugeteilt und verkaufte dort die Bücher, Ansichtskarten und Souvenirs. Das machte ich viele Jahre lang alle 14 Tage während der Saison.

 

Wenn ich in der Werbung oder im Supermarkt die Limonade aus Vilsen sehe, denke ich gerne an diese Zeit zurück.

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Bildmaterialien: www.wikipedia.org
Tag der Veröffentlichung: 03.11.2022

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