Norbert Hundertmark, der Programmdirektor von TELE 12, saß im Vorführraum seines Senders. Er sah sich einen Film an, den man vor Kurzem erworben hatte. Es war ein sehr alter Film, noch in schwarz-weiß, aber immerhin schon mit Ton, genauer gesagt Frankenstein aus dem Jahre 1931. Diese Version, die er sah, war nicht die, die allgemein bekannt war. Es ähnelte der ursprünglichen Fassung, in der Frankenstein am Ende stirbt. Aber nicht nur diese Szene war anders. Es gab außerdem zehn Minuten zusätzlich, die man ursprünglich herausgeschnitten hatte.
Die Restaurierung hatte viel Zeit gekostet und war sehr aufwändig. Aber es hatte sich gelohnt. Norbert war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Er hoffte auf eine gute Einschaltquote. TELE 12 sendete eher selten Spielfilme, schon gar nicht zur Prime Time. Diese Gelegenheit konnte man sich aber nicht entgehen lassen.
Bei der Besprechung mit seinen beiden Mitarbeitern Lars Steinke und Nathalie Hollmann stellte Norbert klar, dass der Fokus des Senders weiterhin auf Shows liegen sollte. „Daher sollten wir vor der Ausstrahlung des Films eine Show senden. Hat jemand von Ihnen dazu eine Idee?“, fragte er. Lars überlegte kurz. Dann kam die Antwort: „Wir sollten das ähnlich machen wie in Das lässt sich gendern. Wir zeigen den restaurierten Film in kleinen Ausschnitten. Die Kandidaten müssen einen Buzzer drücken, wenn sie glauben, dass es sich um eine zugefügte Szene handelt. Liegen sie richtig, bekommen die einen Punkt. Wenn nicht, einen Minuspunkt.“
Norbert überlegte. Dann sagte er: „Na, ja, besonders spannend ist das nicht. Noch weitere Ideen?“ Lars zückte mit den Schultern. Nathalie, die sonst immer nur die Titel für die Shows erfand, ergriff das Wort: „Nun, etwas Innovatives fällt mir spontan auch nicht ein. Aber wir könnten Fragen zu den Film stellen, also nach den Schauspielern, dem Regisseur, der Musik, der Kamera und dem Schnitt.“ „Oder nach der deutschen Synchronisation!“, ergänzte Lars. Norbert schüttelte den Kopf und entgegnete: „Uns liegt die deutsche Version von 1957 vor. Der restaurierte Teil wird in der Originalsprache mit Untertiteln ausgestrahlt. Daher sollten wir dazu keine Fragen stellen.“ Das sah Lars ein. Nach kurzer Diskussion entschied man sich für Frisch geschnitten als Titel der Show.
TELE 12 schaltete wie üblich Anzeigen in allen großen Tageszeitungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sowohl für den Film als auch für die Show. Das erweckte Neugier bei den Zuschauern und brachte sehr gute Einschaltquoten für beide Sendungen. Fieberhaft suchte man bei TELE 12 nach weiteren bekannten, alten Filmen, die man restaurieren und ergänzen wollte.
Vier Filme wurden nach längerer Suche gefunden: Casablanca aus 1942, Citizen Kane aus 1941, Psycho aus 1960 und Lohn der Angst aus 1953. Allesamt waren das sehr berühmte, beliebte Filme und alle waren in schwarz-weiß. „So haben Sie diesen Film noch nie gesehen“ hieß es in der Werbung bei TELE 12. Das hatte großen Erfolg. Man konnte gar nicht so viel Werbezeiten für die Ausstrahlung verkaufen, wie bei den Firmen nachgefragt wurde.
Zufrieden nahm das Norbert zu Kenntnis. Die Mühe hatte sich gelohnt und die Kosten für den Ankauf der Filme hatten sich mehr als bezahlt gemacht.
Bildmaterialien: www.deutschlandfunk.de
Tag der Veröffentlichung: 18.02.2022
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