Cover

Durch die rosarote Brille

 

 

 

Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meinem Leben. Eigentlich. Aber es gab auch einige Erlebnisse, bei denen ich eine rosarote Brille aufhatte und später erkennen musste, dass ich falsch lag. Über meine Meinung zur Atomenergie hatte ich ja schon einmal berichtet. Diese wurde am 26.04.1986 radikal revidiert, als es in Tschernobyl „Puff“ machte. Ich mutierte vom leidenschaftlichen Befürworter zu einem Gegner der Atomkraft und nahm an Protestkundgebungen teil.

 

Auch politisch änderte ich mehrfach meine Einstellung. Es begann, als ich in der achten Klasse war. Mein damaliger Erdkundelehrer war ein junger Mann, der gerade sein Studium beendet hatte. Er machte es sich ziemlich einfach und erklärte für das gesamte Schuljahr „China“ zum Thema. Jeder Schüler musste zu einem bestimmten Thema über dieses Land ein Referat halten. Ich suchte mir das Thema Wirtschaft aus. Dazu holte ich mir zahlreiche Bücher aus der Stadtbücherei. Schnell begeisterte ich mich für das Land und damit für den Kommunismus. Meine Großtante Olga aus der DDR hätte sicherlich gejubelt, denn sie war regimetreu. Ich war nun aber Maoist, das hätte ihr weniger gefallen. Die Begeisterung für den chinesischen Kommunismus legte sich aber auch recht schnell, als ich die rosarote Brille ablegte, nachdem ich begriff, dass es in China ein Terrorregime gab.

 

Links war ich aber noch immer. Daher trat ich mit 17 Jahren in die SPD ein. Im hiesigen Ortsverein traf ich unter anderem auf Egon Franke, der mich sehr beeindruckte. Er war äußerst sympathisch und kein bisschen eingebildet, obwohl er ein hochrangiger Politiker war. Immerhin war er einst Vizekanzler. Egon Franke war noch ein richtiger Sozialdemokrat. Das kann man von anderen Spitzenpolitikern der SPD, denen ich später begegnete, nicht behaupten. Mit Gerhard Schröder habe ich, als er zum Ministerpräsidenten Niedersachsens gewählt wurde, auf der Party danach ein Bier getrunken. Zu dieser zweiten Sorte Sozis gehörte er zweifelsohne. Ihm ist es auch zu verdanken, dass ich einige Jahre danach aus der SPD austrat, nachdem ich die rosarote Brille absetzte. So wurde ich ein Grüner.

 

Beim Fußball änderte ich meine Begeisterung nicht oder kaum. Ich bin immer noch Fan von Arminia Hannover und von Borussia Dortmund. Natürlich ist man als Fußball nicht objektiv und sieht die Leistung der eigenen Mannschaften immer rosarot und die der Gegner nicht. Ich könnte daher niemals ein Spiel meiner Teams neutral kommentieren.

 

Das gilt entsprechend für Schauspieler. Man mag sie oder man mag sie nicht. Auch hier änderte ich selten meine Meinung. Robert de Niro, Barbra Streisand und Meryl Streep sind großartig in all ihren Rollen. Hingegen wird mir Mel Gibson für immer unsympathisch bleiben. Bei den deutschen Schauspielerinnen imponieren mir Heike Makatsch und Andrea Sawatzki. Bei ihren männlichen Kollegen sind es Olli Dittrich und Jan Josef Liefers, welche beide auch als Musiker überzeugen.

 

Kommen wir zur Musik. Hier musste ich bei der Elektro-Pop-Band Kraftwerk als großer Fan zweimal die rosarote Brille ablegen. 1981 war ich von dem einzigen Konzert, das ich von ihnen besuchte, sehr enttäuscht. Es war gähnend langweilig. Bei der EXPO 2000 in Hannover erhielten Kraftwerk für viel Geld den Auftrag, den Song für die Weltausstellung zu komponieren. Oh Gott, oh Gott, was war das für ein Scheiß, was dabei herauskam! Dafür kassierten die Jungs so viel Knete, es war nicht zu fassen! Hingegen bin und bleibe ich Fan der Folkrock-Gruppe Runrig, und das seit 1993. Daran änderte sich auch nichts, als sich die Gruppe im August 2018 auflöste.

 

Aufgelöst haben sich meine Beziehungen zu Frauen auch einige Male. Wenn man frisch verliebt ist, verhindert die rosarote Brille, dass man die Fehler der Partnerin sieht und nimmt diese hin. Später werden diese deutlich, nachdem die Brille abgesetzt wurde.

 

 

 

 

 

Impressum

Bildmaterialien: www.ausbilderwelt.de
Tag der Veröffentlichung: 09.12.2021

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /