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Wir bleiben im Land

 

 

 

Nachdem wir mit unseren Urlauben in Irland und in Griechenland soviel Stress und Ärger hatten, wollten Norbert, Michael und ich dieses Jahr nicht mehr ins Ausland reisen. Wir wollten im Land bleiben, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern speziell in Niedersachsen. Hier ist es doch auch sehr schön!

 

Nach einiger Diskussion blieben drei Ziele in der engeren Auswahl: der Harz, die Nordseeküste und die Lüneburger Heide. Wir wurden uns nicht einig, daher losten wir. Michael, der frischgebackene Familienvater spielte die Losfee. Er war heilfroh, für ein paar Tage von seiner Familie loszukommen. Besonders Malte-Sören, sein Stiefsohn nervte ihn. Aber auch seine drei Monate alte Tochter Jaqueline-Myriam ließ ihn kaum eine ruhige Minute und sorgte für schlaflose Nächte. Seine Frau Laura war da keine große Hilfe. Sie saß den ganzen Tag vorm Fernseher und guckte niveaulose Sendungen auf den privaten Programmen. Die ganze Arbeit blieb an Michael hängen.

 

Das Los ergab, dass wir in die Lüneburger Heide fahren sollten. Dazu mieteten wir uns ein Wohnmobil. Unser erstes Zeil war Munster, wo ich meine Bundeswehrzeit verbracht hatte. Dort gab es ein sehr interessantes Panzermuseum, welches neben Panzer, auch Militär-Fahrzeuge, Waffen, Uniformen, Ausrüstung und militärische Abzeichen zeigte. Es war lange her, dass ich zuletzt da war. Ich war gespannt, was es dort Neues seit meinem letzten Besuch vor zehn Jahren gab. Michael und Norbert kannten das Museum noch nicht. Ich hätte auch die Führung machen können, aber dafür gab es einen jungen, engagierten Soldaten, der seine Sache sehr gut machte. Die Führung dauerte etwa eine Stunde, danach war Gelegenheit, sich noch in den Hallen umzusehen.

 

Erbsensuppe aus der Gulaschkanone wurde leider nicht angeboten. Da wir aber hungrig waren, fuhren wir in die Stadt und fanden im Emminger Weg ein wunderbares griechisches Restaurant. Es war wirklich alles sehr lecker, wobei Michael reichlich Bier trank und etliche Ouzo. So kennt man ihn.

 

Es wurde Abend. Da kam mir eine Idee. „Es gab hier eine bekannte Diskothek in Munster. Der „Waldkater“ ist bei den stationierten Soldaten und auch bei der einheimischen weiblichen Bevölkerung höchst beliebt, von montags bis donnerstags ist dort immer viel los“, schlug ich meinen Freunden vor. Die waren begeistert und so fuhren wir dorthin. Wir trafen dort um kurz nach einundzwanzig Uhr ein. Es war gerammelt voll, aber dennoch waren an der Theke noch fünf Plätze frei. Drei davon nahmen wir in Beschlag. Links von mir und rechts von Norbert blieb je ein Hocker frei. „Hier kann man übrigens prima Weiber aufreißen. Dafür ist der Waldkater bekannt“, erzählte ich. Michael zeigte daran kein Interesse. Offenbar war er mit Laura ausreichend bedient. Stattdessen widmete er sich den angebotenen alkoholischen Getränken.

 

Zehn Minuten betraten zwei Traumfrauen den Laden: eine hochgewachsene, schlanke, vollbusige Blondine und eine kleinere, leicht mollige Brünette. Sie setzten sich zu uns. Das Blondchen setzte sich neben Norbert, die Dunkelhaarige zu mir. Wir stellten uns vor. „Das sind Michael und Norbert und ich heiße Karsten“, sagte ich. Die Blondine, die entgegen ihrer Freundin keineswegs schüchtern war, antwortete: „Ich heiße Erika und das ist Heide“. Ich lachte, da ich das für einen Witz hielt, doch es stellte sich als Wahrheit heraus. Passende Namen kann man dieser Gegend kaum haben.

 

Danach berichtete ich ausführlich mit allen Details von unseren Urlauben in Irland und Griechenland und schloss ab: „Darum sind wir diesmal in Deutschland geblieben.“ „Und jetzt wollt Ihr, dass die Heide wackelt“, witzelte Erika. Heide lief rot an. Sie war wirklich sehr schüchtern. Aber das gefiel mir. Der Abend wurde sehr lang. Allmählich kamen wir uns näher. Das heißt, Erika und Norbert kamen sich näher – und Heide und ich. Michael hielt sich diesbezüglich zurück und trank ein Bier nach dem anderen.

 

„Habt Ihr schon eine Planung für morgen?“, fragte Erika kurz bevor der Laden schloss. Wir verneinten. „Dann hätte ich einen Vorschlag. Wir könnten auf der Örtze paddeln. Das macht viel Spaß. Dazu müsstet Ihr nach Hermannsburg fahren. Da kommen Heide und ich übrigens her.“ Das war eine gute Idee. Norbert und ich stimmten begeistert zu, Michael brabbelte nur etwas vor sich her. Erika erzählte weiter: „Ich kenne da einen tollen Bootsverleih. Die kleine Tour dauert etwa zwei Stunden und ist mühelos zu bewältigen. Sie geht von Hermannsburg nach Oldendorf. Das Ganze kostet 15 Euro pro Person. Man sitzt jeweils zu zweit in einem Boot. Da Euer Freund Michael wohl weniger Lust dazu haben wird, passt das prima.“

 

So kam es, dass wir am nächsten Tag nach Hermannsburg fuhren. Wir hatten uns für die zweite Tour des Tages entschieden, die um 11 Uhr losgehen sollte. Wie es zu erwarten war, lag Michael um halb elf noch immer „in Sauer“ und so begaben sich Norbert und ich nach dem Frühstück zur nahe gelegenen Anlegestelle des Bootsverleihs. Dort warteten Erika und Heide schon auf uns, freudestrahlend.

 

Nach der gründlichen Einweisung des freundlichen jungen Mannes des Bootsverleihs ging es los: In dem einen Boot saßen Erika und Norbert, in dem anderen Heide und ich. Die beiden Mädels waren wesentlich geübter im Paddeln als wir, sie hatten das wohl schon öfters gemacht. Wir hatten einen Riesenspaß und kamen bestens gelaunt, aber pitschnass am Zielort an. Von Oldendorf brachte uns ein Shuttle-Bus zurück nach Hermannsburg.

 

„Was machen wir jetzt?“, fragte ich und ergänzte: „Ich habe einen Riesenhunger!“ Es war unterdessen 13.30 Uhr und Zeit zum Mittagessen. „Hier gibt es in der Lotharstraße einen Chinesen, der ist sehr gut. Mongolische Spezialitäten hat der auch“, erzählte Erika. Wir folgten ihrem Ratschlag und waren nicht enttäuscht. Michael, der inzwischen aufgestanden war, murrte zwar zunächst, kam dann aber doch mit.

 

Nach dem köstlichen Mahl kam die Frage auf, was wir am nächsten Tag übernehmen wollten. „Heidepark Soltau“, schlug Heide vor. Sie ergänzte: „Der ist nur etwa 30 Kilometer von hier entfernt. Aber er gehört mir nicht. Er heißt nur so wie ich.“ So allmählich taute Heide auf. Das war gut. Es war eine wunderbare Fügung, dass die beiden Frauen auch Urlaub hatten und so unternehmungslustig waren. Außerdem waren sie ortskundig. Ihre Tipps waren Gold wert.

 

Selbst Michael kam bei diesem Trip mit. Das fand ich gut. Er versprach, seinen Alkoholkonsum an diesem Tag einzuschränken. In dem Freizeitpark war weniger los, als wir befürchtet hatten. Allzu lange brauchten wir nicht vor den Fahrgeschäften warten. Von der berühmten Achterbahn Colossos hatte ich schon gehört. Die wollte ich mir nicht entgehen lassen. „Von uns beiden ist keiner schwanger. Wie sieht es mit Euch aus?“, scherzte Erika, als wir davor standen. Wir lachten. Ich antwortete: „Ich bin mir nicht sicher. Soll ich noch einen Test machen?“ So wurde es ein herrlicher Tag zu fünft, bei bestem Wetter. Es wurde niemand verletzt und auch keinem übel, trotz der teilweise rasanten Attraktionen, die der Heidepark bot.

 

Den Abend danach verbrachten Norbert und ich nicht im Wohnmobil. Mein Freund übernachtete bei Erika und ich bei Heide. Näheres berichte ich nicht darüber. Der Kavalier schweigt und genießt. Nur so viel: Während bei mir die Heide wackelte konnte Norbert danach einen alten Song von Hubert Kah zitieren: Einmal nur mit Erika.

 

 

 

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Bildmaterialien: www.landeszeitung.de
Tag der Veröffentlichung: 11.09.2021

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