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Orange ist nicht nur die Müllabfuhr

 


Im Jahre 1991 verbrachte ich meinen Sommerurlaub in Holland. Zwei Wochen war ich in unserem westlichen Nachbarland, dessen Fußball-Nationalmannschaft bekanntlich in Orange spielt. Orange trägt nur die Müllabfuhr sang Mickie Krause, die deutsche Version von Go West von Village People. Nicht gerade ein Liebeslied für Holland. Dort heißt es:

 

Ich erzähl' euch mal was über Holland
Wir lieben holländischen Käse
Die Tomaten sowieso
Das holländische Lakritz macht die Männer spitz
Ich fahr' so gerne nach Holland hin
Doch bin ich froh, dass ich kein Holländer bin.

 

Na, ja. Über das Niveau dieses Songs kann man streiten. Nicht streiten kann ich über die Schönheit des Landes und der Freundlichkeit seiner Bewohner. Ich habe jedenfalls während meiner damaligen Reise nichts Negatives erlebt, ganz im Gegenteil.

 

Ziel war Noordwijk, ein bekanntes Seebad in der Nähe von Zandvoort, wo einstmals die Formel 1 – Strecke zu finden war. Gebucht hatte ich die Reise über die Bundesbahn, weswegen ich mit dem Zug anreiste. Es ging von Hannover nach Amsterdam, von dort sollte es mit den Bus weitergehen. Da gab es jedoch leider ein Missverständnis, weil ich dachte, dass der Linienbus gemeint war. Angedacht war jedoch ein Shuttle-Bus des Tourismusvereins. So geschah es, dass der Fahrer des Busses vergeblich am Amsterdamer Bahnsteig nach mir Ausschau hielt, während ich schon mit dem Linienbus nach Noordwijk fuhr. Im Hotel war man deswegen überrascht, als ich dort ankam, weil der Busfahrer dort mein Fernbleiben telefonisch gemeldet hatte.

 

Ich hatte Halbpension gebucht, wobei es das warme Essen abends gab. Tagsüber hatte ich zahlreiche Ausflüge zu interessanten Orten geplant. Mein Reiseführer war diesbezüglich sehr hilfreich bei der Planung. Der holländische ÖPNV ist hervorragend ausgebaut, ich kam überall schnell und pünktlich hin. Mir gefiel es auch sehr gut, dass die Fahrkarten für die Busse und Straßenbahnen einheitlich im ganzen Land galten, und nicht nur für ein bestimmtes Gebiet wie in Deutschland. Vorbildlich ist auch der Ausbau des holländische Fahrradnetzes.

 

Nachdem ich am ersten Tag Noordwijk und seinen Strand erkundet hatte, ging es am zweiten Tag nach Amsterdam. Ich war beeindruckt. Bei der Anreise hatte ich ja nur den Hauptbahnhof und den Busbahnhof kennen gelernt. Natürlich hatte ich schon in Filmen und Serien etwas von der Stadt gesehen, aber sich selbst das alles anzusehen, war etwas ganz anderes. Zu meiner großen Freude wurde eine Stadtrundfahrt mit einer alten Straßenbahn angeboten, da konnte ich natürlich nicht widerstehen. Danach machte ich eine Grachtenfahrt, die mir auch sehr gefiel. Das Mittagessen fiel spärlich aus, es gab dafür ein Automatenrestaurant, welches ich gerne aufsuchte. Danach besichtigte ich noch das Rijksmuseum und abschließend das Anne-Frank-Haus.

 

Am dritten Tag fuhr ich nach Rotterdam. Diese Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen fast völlig zerstört und modern wieder aufgebaut. Das war eine ganz andere Atmosphäre als in Amsterdam, hatte aber auch etwas. Auch Rotterdam bot eine Stadtrundfahrt mit einer alten Straßenbahn an, die ich gerne mitnahm. Danach genoss ich eine Hafenrundfahrt durch den größten Seehafens Europas. Das war sehr imposant.

 

Der nächste Tag war sehr sonnig, so dass ich ihn am Strand verbrachte. Das Wasser war allerdings recht kühl, aber so ist das nun einmal an der Nordsee. Das hielt mich aber nicht davon ab, hinein zu gehen. Man musste aufpassen, nicht abgetrieben zu werden, die Strömung war recht stark. Erfreulicherweise gab es aber keine Strandverkäufer mit gefälschten Uhren oder Sonnenbrillen. Zahlreiche Strandbars lockten mit köstlichen Speisen und kühlen Getränken. Ich entschied mich für ein gutes heimisches Bier.

 

Den Haag war mein Ziel am fünften Tag. Dort sitzen das Parlament und die Regierung, wohingegen Amsterdam die Hauptstadt ist. Das war ganz schön verwirrend. Verwirrend war auch, dass Den Haag amtlich ‚s-Gravenhage heißt. Diese Bezeichnung benutzen die Einwohner aber nicht, nur die Behörden. Die Stadt hat in etwa soviel Einwohner wie Hannover. Offiziell ist es aber gar keine Stadt, da Den Haag niemals diesen Status erhalten hat. Unumgänglich war ein Besuch des Paleis Noordeinde, dem Königspalast. Auf Beatrix und ihre Familie traf ich nicht. Ich erfuhr den Zusammenhang mit der Farbe Orange und dem Land. Das Haus Oranien-Nassau ist nämlich das regierende Königshaus. Es gab eine Verbindung zu der Grafschaft Oranien in der Rhone-Ebene in Frankreich. Eigentlich habe ich mich niemals für Königshäuser interessiert, aber das fand ich doch ganz spannend.

 

Nach einem weiteren Strandtag fuhr ich am siebten Urlaubstag nach Haarlem. Auf der Fahrt dahin lernte ich eine junge blonde Dame namens Wiebke kennen, mit der ich mich ausführlich unterhielt. Sie legte Wert darauf, Niederländerin zu sein, und keine Holländerin. „Holland ist nur ein Teil der Niederlande“, sagte sie. Das wusste ich, wand aber ein, dass viele wichtigen Städte in den Provinzen Nord- oder Südholland lagen, nämlich Haarlem, Amsterdam, Den Haag und Rotterdam. Das konnte sie nicht abstreiten. Außerdem verbinden viele Deutsche das Land mit der Fernsehwerbung von Frau Antje. Die brachte bekanntlich Käse und Gemüse aus Holland. Bedauerlicherweise waren Handys im Jahre 1991 noch nicht sehr verbreitet, sonst hätten wir sicherlich unsere Telefonnummern ausgetauscht. Haarlem selbst bot auch interessante Sehenswürdigkeiten, nämlich einige Kirchen, das Frans Hals Museum und vor allem die Hofjes. Das sind wunderhübsche, kleine Wohnanlagen um einen zentralen Hof. Etwas Ähnliches gibt es übrigens auch in Hannover an der Kreuzkirche.

 

Unumgänglich war für mich der Besuch der Museumseisenbahn in Beekbergen in der Provinz Gelderland. Dieser Ausflug am achten Tag sollte mein längster bei dieser Reise werden. Die Veluwsche Stoomtrein Maatschapppij betreibt die 22 Kilometer langen Strecke von Dieren nach Apeldoorn seit 1975. Da ich seinerzeit noch bei einer deutschen Museumseisenbahn aktiv war (dem DEV auf der Strecke von Bruchhausen-Vilsen nach Asendorf) war ich angetan von der Professionalität des Betriebes und dem Zustand der Fahrzeuge. Ich kehrte von diesem Ausflug so spät in mein Hotel zurück, dass ich das Abendessen verpasste. Darüber hatte ich die Wirtin aber vorab informiert.

 

Nach einem weiteren Strandtag ging es am Tag zehn nach Alkmaar, in Nord-Holland gelegen. Dort wurde ein Käsemarkt geboten, eine reine Touristensache mit Show-Effekten. Die Käselaibe wurden von weiß gekleideten Trägern auf den Marktplatz getragen. Auch ein Verkauf wurde angeboten. Ich erstand zwei mittelgroße Käse, jedoch ohne zu feilschen, obwohl das möglich gewesen wäre.

 

Am elften Tag fuhr ich nach Utrecht, der viertgrößten Stadt des Landes. Dort gab es ein wunderschönes Eisenbahnmuseum, wo ich mehrere Stunden verbrachte. Auch hiervon war ich begeistert. Es blieb danach nur noch wenig Zeit, um mir den Rest der Stadt anzusehen.

 

Zwei weitere Tage am Strand folgten, bevor es wieder zurück nach Hannover ging. Diesmal klappte der Transfer zum Amsterdamer Hauptbahnhof tadellos.

 

Mir hatte die Reise sehr viel Spaß gemacht. Und was singt Mickie Krause in seinem unsäglichen Lied am Schluss?

 

Nix gegen Holland
Aber die Niederlande gefallen mir besser

 

Das kommentiere ich lieber nicht.

 

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Bildmaterialien: www.de.dreamstime.com
Tag der Veröffentlichung: 09.06.2021

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