Cover

Norbert lässt gendern

 

 

Norbert Hundertmark, der Programmdirektor von TELE 12, hatte eine Idee. Und was für eine! Darüber musste er unbedingt mit seinen Mitarbeitern Lars Steinke und Nathalie Hollmann besprechen. Er benachrichtigte die beiden. Pflichtbewusst erschienen diese zur vereinbarten Zeit in Norberts Büro.

 

„Schön, dass Sie pünktlich da sind. Ich habe eine Idee für unser Nachmittagsprogramm. Sowohl Fang den Frosch als auch Ab in den Mistkübel hatten da ja zuletzt sehr schlechte Quoten. Da müssen wir etwas ganz Neues, Innovatives machen. Da kam mir der rettende Einfall, als ich den Bericht über die Sache in Köln sah, wo zahlreiche Leute aus der Kirche austraten, weil dort der Bischof die Gendersternchen eingeführt hat. Das treibt die Leute an. Wir müssen unbedingt eine Sendung darüber machen!“

 

Lars antwortete: „Das wird bestimmt eine tolle Sache. Aber wie setzen wir das um, damit es interessant wird?“ „Nun, ich dachte mir, dass Sie dazu eine konkrete Idee haben!“, entgegnete Norbert. Lars überlegte kurz. Dann sagte er: „Es muss auf jeden Fall in Form einer Spielshow sein. Man könnte einen Film zeigen. Drei Kandidaten müssen einen Buzzer drücken, wenn sie einen Begriff hören, der gegendert werden muss. Liegen sie richtig, bekommen die einen Punkt. Wenn nicht, einen Minuspunkt.“

 

„Sehr schön, Lars, aber was könnte denn ein falscher Begriff sein?“, fragte Norbert nach. Der Angesprochene antwortete prompt: „Nun, wenn zum Beispiel das Wort Feuerlöscher fällt, wäre Feuerlöscherin die falsche Antwort. Richtig wäre daher Feuerlöschgerät!“ „Sehr schön. Und haben Sie noch weitere Ideen, Lars?“ „Ja, als Schiedsrichter könnte jemand von der Duden-Redaktion fungieren. Vielleicht können wir den Verlag ja auch als Sponsor für die Sendung gewinnen.“ „Sehr gut. Und weiter?“ „Die Zuschauer müssten auch beteiligt werden. Sie könnten lustige Fotos von falschen oder unnötigen Genderungen einsenden.“

 

Norbert klatschte in die Hände. Er war wirklich begeistert. Das musste doch ein Erfolg werden. Er wandte sich an Nathalie: „Und? Fällt Ihnen schon ein Titel für die Show ein?“ Diese antwortete prompt: „Ich habe mir bereits drei Titel ausgedacht. Die Zeiten gendern sich, Das lässt sich gendern und Ziemlich vergendert“. „Das hört sich schon mal sehr gut an. Spontan gefällt mir Das lässt sich gendern am besten. Wir werden drei Piloten produzieren, jeweils mit einem der drei Titel. Die Testzuschauer können denn darüber mitentscheiden“, legte sich Norbert fest.

 

Die Testsendungen kamen gut an. Somit war klar, dass die Sendung produziert werden würde. Der Titel Das lässt sich gendern hatte mit großem Abstand den meisten Zuspruch gefunden. Daher wurde die Sendung unter dieser Bezeichnung ins Programm genommen, allerdings zunächst nur für eine halbe Stunde. Fang den Frosch wurde dafür abgesetzt, zur Freude der Tierschützer, die seit langem dagegen protestiert hatten. Ab in den Mistkübel blieb erst einmal auf Sendung.

 

Die erste Ausgabe von Das lässt sich gendern wurde mit Spannung erwartet, nicht nur von Norbert. Dank einer großen Werbekampagne mit Anzeigen in allen großen Tageszeitungen in Deutschland war das Interesse des Publikums geweckt worden. Daher erhoffte man sich beim Sender eine hohe Einschaltquote.

 

Dann war es soweit: Das lässt sich gendern startete, aus bekannten Gründen ohne Publikum. Es ertönte eine flotte Titelmelodie. Danach war der Moderator Dieter Dickmann im Bild. Er erklärte kurz die Spielregeln und stellte dann die drei Kandidaten vor: Britta Breitkopf aus Braunschweig, Detlev Degen aus Deggendorf und Manfred Martin aus Mannheim. Bei Britta machte Dieter aber einen Fehler, indem er sagte, dass sie aus Hannover käme.

 

Murren folgte von Britta. Auf Nachfrage erklärte sie: „Ich komme aus Braunschweig. Da hat man ein angespanntes Verhältnis zu Hannover. Das ist so wie mit Köln und Düsseldorf oder wie mit Dortmund und Gelsenkirchen!“ Die anderen Kandidaten lachten.

 

„Nun, wie auch immer. Lasst uns beginnen“, sagte der Moderator und kündigte den ersten Film an: „Es geht um die Universitäten unseres Landes!“ Man sah Bilder der Universität München. Der Off-Sprecher sagte: „Die LudwigMaximilians-Universität München wurde 1472 in Ingolstadt gegründet und befindet sich seit 1826 in München. Zur Zeit sind dort über 52.000 Studenten imma…“ Manfred hatte den Buzzer gedrückt. Dieter fragte nach: „Was war falsch, Manfred?“ „Studenten heißt es nicht mehr.“ „Richtig, das gibt schon einmal einen Punkt. Du bekommst zwei weitere Punkte, wenn du mir sagen kannst, wie richtig gegendert wird.“ Manfred musste nicht lange überlegen: „Richtig heißt es Studierende.“ Beifall kam vom Band. Dieter ergänzte: „Sehr gut, Manfred. Das hat dir zwei weitere Punkte eingebracht. Aber es heißt immer noch Studentenfutter und nicht Studierendenfutter!“

 

Der Film wurde fortgesetzt. Es wurden weitere bekannte Universitäten gezeigt, und zwar die aus Göttingen, Heidelberg und Freiburg. Am Ende der ersten Runde hatte Manfred sieben Punkte und Detlev sechs Punkte. Die beiden kamen in die nächste Runde. Britta schied aus, sie hatte nur einen Punkt erzielt. Es folgte eine Werbepause.

 

Gleich nach der Unterbrechung wurde Beifall eingespielt. Dieter zeigte einige Beispiele von lustigen Fotos von falschen Genderungen und erklärte, dass die Zuschauer künftig Bilder einsenden konnten. Für jedes Foto, das gezeigt werden würde, sollte es fünfzig Euro geben.

 

Die zweite Runde wurde gestartet. Jetzt ging es um den menschlichen Körper. Man sah in dem Film zunächst eine schwangere Frau, dann die Geburt eines Kindes. Der Sprecher sagte dann: „Die Muttermilch ist immer noch das Beste für ein Baby.“ Detlev drückte den Buzzer. Er lieferte sogleich die Antwort: „Muttermilch sagt man nicht mehr. Das heißt jetzt Menschenmilch!“ Beifall und Fußtrampeln erklang. Dieter nickte und sagte: „Sehr gut, Detlev. Der neue Begriff stammt ursprünglich aus England. Dort sagt man manmilk, was man auch mit Männermilch übersetzen könnte.“ Lachen wurde eingespielt. In der zweiten Runde erzielte Detlev weitere zehn Punkte und Manfred acht. Somit schied Manfred mit fünfzehn Punkten aus, da Detlev sechzehn Punkte hatte. Dieser zog ins Finale ein.

 

Erneut wurde Werbung gezeigt. Danach ertönte eine Fanfare. Ein Sprecher aus dem Off sagte: „Meine Damen und Herren. Hier ist es das erste Finale von Das lässt sich gendern. Wird es Detlev schaffen und die 10.000 Euro gewinnen? Bleiben Sie dran!“ Die Kamera zoomte auf Detlev, er wurde von einem blauen Scheinwerfer angestrahlt. 

 

Der Moderator strahlte, als ob er gleich selbst viel Geld gewinnen könnte. Er sagte zu Detlev: „Darf ich jetzt zu dieser weißen Wand bitten.“ Detlev folgte Dieter und sah auf die Tafel. Da waren zwölf kleine Kärtchen mit angeblichen Genderungen angepinnt. Daneben war eine Spalte, wo die richtigen angebracht werden mussten. „Du hast zwei Minuten Zeit! Sechs Genderungen sind richtig und sechs sind falsch. Du musst fünf von sechs korrekt zuordnen, um zu gewinnen“, erklärte der Moderator.

 

Detlev betrachtete intensiv die Kärtchen. Seltsame Worte standen darauf: Feuerlöscherin, Feuerlöschgerät, Agentinnenthriller, Spionagethriller, Anwältinkosten, Kosten für die Rechtsvertretung, Bürgerinsteig, Gehweg, Dienstfrau, Dienstaufsichtsperson, Ein-Frau-Betrieb und Ein-Personen-Betrieb. Er musste nicht lange nachdenken und sortierte Feuerlöschgerät, Spionagethriller, Kosten für die Rechtsvertretung, Gehweg, Dienstaufsichtsperson sowie Ein-Personen-Betrieb als richtig ein. Dazu brauchte Detlev lediglich fünfzig Sekunden.

 

Eine Fanfare ertönte, dann wurde erneut Applaus eingespielt. Der Sprecher aus dem Off sagte: „Meine Damen und Herren. Detlev hat es geschafft, er hat die 10.000 Euro gewonnen und zusätzlich für jede Sekunde, die er nicht benötigt hat, noch einmal 10 Euro, also 10.700 Euro insgesamt. Ich gratuliere!“

 

Die Sendung war ein großer Erfolg, es gab sehr gute Einschaltquoten und hervorragende Kritiken. Die privaten Konkurrenzsender, welche sich zuvor über das Konzept der Sendung lustig gemacht hatten, brachten innerhalb kürzester Zeit Ähnliches heraus, was aber nicht annähernd an die Beliebtheit von Das lässt sich gendern herankam.

 

Nach einem Monat wurde die Sendezeit auf eine Stunde ausgedehnt. Ab in den Mistkübel wurde deswegen abgesetzt. Alle sechs Monate gab es zudem eine XXL-Ausgabe von Das lässt sich gendern zur Primetime.

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Bildmaterialien: www.volksverpetzer.de
Tag der Veröffentlichung: 23.05.2021

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /