Die Farbe der Bundeswehr ist olivgrün. Panzer und Kampfanzüge in Pink haben sich als wenig praktikabel erwiesen. Ich war stationiert in Munster in der Lüneburger Heide von Juli 1982 bis September 1983. Wie alle anderen Soldaten musste ich auch gelegentlich Sonderdienste schieben, so z.B. als „GvD“ (Gefreiter vom Dienst), bei dem man zusammen mit dem „UvD“ (Unteroffizier vom Dienst) nachts in einem kleinen Raum der Kompanie saß und besondere Vorkommnisse notieren sowie Telefonanrufe entgegennehmen musste und all dieses in ein Buch einzutragen hatte.
Ein weiterer Sonderdienst war der Wachdienst. Eine Gruppe einer Kompanie übernahm diesen wechselweise für einen Tag. Nachts gingen jeweils zwei Soldaten auf dem Gelände der Kaserne Streife, mit gehörigem Sicherheitsabstand. Dieser wurde also nicht erst 2020 erfunden. Ein weitere Aufgabe war die Ein- und Ausgangskontrolle der Fahrzeuge und Fußgänger. Dabei mussten wir unter anderem kontrollieren, ob diejenigen, welche die Kaserne verlassen wollten, eine sogenannte Grünzeugkarte hatten, wenn sie dabei noch ihren Kampfanzug trugen. Das war nämlich grundsätzlich verboten, sofern man nicht im Dienst war. Ausnahmen wurden erteilt, wenn man ortsnah zur Kaserne wohnte. Niemand der keine Grünzeugkarte hatte, durfte die Kaserne im Kampfanzug verlassen. Ohne Ausnahme!
An einem dieser Wachdienste passierte etwas, was mir noch lange danach nachgetragen wurde. Mein Wachvorgesetzter war an diesem Tag Unteroffizier Bertram, zu dem ich ein ganz besonderes Verhältnis hatte. Er mochte mich nicht und ich mochte ihn nicht. Ein Grund dafür war, dass der Unteroffizier zu diejenigen gehörte, welche außerhalb der Bundeswehr im „normalen“ Leben keine Chance hatten. Kurz gesagt: Er war geistig nicht sehr weit entwickelt, um es vorsichtig auszudrücken. An einem früheren Wachdienst hatte ich mir bei der Übergabe des Gewehrs an ihn einen kleinen Scherz geleistet, den er mir sehr übel genommen hatte. Normalerweise sagt der abgebende Soldat zu dem annehmenden: „Waffe entladen und gesichert“. Ich hatte aber gesagt: „Waffe geladen und entsichert!“
Nun aber zurück zu dem Vorfall. Es war Freitagnachmittag. Alle wollten nach Hause, ins Wochenende. Ich war der Ausgangskontrolle zugeteilt. Ganz besonders achtete ich auf den Besitz der besagten Grünzeugkarte. Und es geschah das, was kommen sollte. Bei der zehnten Kontrolle eines Fußgängers erwischte ich tatsächlich einen Soldaten im Kampfanzug ohne Grünzeugkarte! Er hatte ziemlich viel Lametta auf der Schulterklappe: ein Kranz mit drei goldenen Sternen darüber. Es handelte sich um einen Oberst, einen recht hohen Dienstgrad. Dieser entspricht bei der Marine dem eines Kapitäns. Ich war gnadenlos und schickte den Oberst zurück in sein Dienstgebäude.
Zehn Minuten kehrte er zurück, in Zivilkleidung. Er lächelte mich freundlich an und sagte: „Gut gemacht, Soldat!“ Das bekam Unteroffizier Bertram mit und wollte von mir wissen, was der Grund für den Satz des Obersts war. Nachdem ich ihm diesen genannt hatte, wurde der Unteroffizier wütend und putzte mich herunter. „Das wird noch Folgen haben!“, sagte er.
Es hatte tatsächlich Folgen, aber nicht die, die Bertram erwartet hatte. Ich bekam nämlich eine Auszeichnung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung. Eine Woche danach kam der Oberst bei mir in der Waffenkammer vorbei und erzählte mir den Grund, warum er seinerzeit keine Grünzeugkarte hatte. Er hatte diese verloren und das Ersatzdokument war von dafür zuständigen Soldaten noch nicht ausgestellt worden.
Mein Verhältnis zu dem Unteroffizier hatte sich nicht verbessert, es blieb bis zu meinem Ausscheiden bei der Bundeswehr schlecht. Ich habe keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. Es ist mir auch egal. Ich hatte Dienst nach Vorschrift geleistet.
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Tag der Veröffentlichung: 10.05.2021
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