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Die Königin Safranita und das Wunderkraut

 

Es war vor langer, langer Zeit, als die Berge noch wuchsen und die Menschen noch an Magie glaubten. Im kleinen Land Kurkumanien, das von der gütigen Königin Safranita regiert wurde, war der Sommer eingezogen. Vor genau drei Jahren hatte Safranita ihrem Gatten ein Töchterlein geschenkt. Das Kind wurde auf den Namen Rosetta getauft, weil es schön wie eine Rose war. Es wuchs prächtig heran, doch kurz nach dem Pfingstfest, begann Rosetta zu kränkeln und wollte nichts mehr essen. Selbst die köstlichsten Speisen, die die königlichen Köche für sie zubereiteten, verschmähte sie, sogar die Erdbeeren wollte sie nicht essen, obwohl diese n diesem Jahr ganz besonders köstlich waren.

 

Nun war guter Rat teuer. Safranita und ihr Gemahl Peter waren verzweifelt. Rogenda, die Witwe des hoch verehrten, verstorbenen Königs sollte mit ihrer weißen Magie mit einem Zauber etwas bewirken können. Sie war eine gute Hexe, doch hier versagten all ihre Zauberkräfte. Doch dann besann sie sich auf ihre Kristallkugel. Mit deren Hilfe sollte ein Mittel gegen Rosettas Krankheit gefunden werden.

 

Rogenda starrte intensiv in ihre Kugel. Zunächst sah sie nur Nebelschwaden. Doch dann rief sie entzückt: „Ich sehe in einem fernen, fernen Land ein Wunderkraut. Es hat dort schon vielen Menschen und auch Tiere bei vielen Krankheiten geholfen. Das Kraut hat große, grüne Blätter und rötliche Beeren, die so groß wie Kirschen sind!“

 

Aufgeregt fragte Safranita: „Sag schon, wo ist dieses Wunderkraut zu finden? Wie lange braucht ein Reiter mit einem schnellen Pferd bis dahin?“ Rogenda sah erneut in ihre Kristallkugel. Dann sagte sie: „Das ist eine weite Reise. Selbst unser bester Reiter mit dem schnellsten Pferd würde acht Tage benötigen, für einen Weg. Dann muss der Bote das Kraut vor Ort auch noch suchen, finden und kaufen. Für den Rückweg braucht er dann noch einmal acht Tage.“ „Oje, oje. Das dauert ja viel zu lange Kannst du das Kraut nicht einfach herbei hexen?“, wollte Safranita wissen. „Das ist nicht einfach, weil ich nur eine begrenzte Reichweite meiner Zauberkräfte habe. Außerdem weiß ich nicht genau wo das Kraut wächst. Deswegen geht das leider nicht.“

 

Safranita war verzweifelt. Ihrer Tochter ging es wirklich schlecht. Jeder Tag war wichtig. Ihr musste schnellstmöglich geholfen werden. Da kam ihrem Gemahl Peter eine grandiose Idee: „Wir haben doch unseren lieben Drachen, den Rapuro. Er ist völlig harmlos. Jemand könnte sich auf seinen Rücken setzen und sich in das Land fliegen lassen, wo es das Wunderkraut gibt.“ Safranita schrie entsetzt auf und entgegnete: „Nein, nein, auf keinen Fall. Meine Urgroßmutter ist von einem Drachen gefressen worden, als meine Großmutter noch ein ganz kleines Mädchen war. Ich will auf gar keinen Fall, dass so ein furchtbares Vieh in meine Nähe kommt!“

 

Peter seufzte und sagte: „Meine Liebste, ich versichere dir, dass Rapuro zahm ist wie ein Lamm. Als er noch ein ganz kleiner Drachen war, hatte sich Rapuro in ein hübsches, blondes Mädchen aus dem hohen Norden verliebt und ihm geschworen, nie wieder Menschenfleisch anzurühren. Daran hatte er sich bis heute gehalten, auch wenn das Mädchen längst zu einer alten Frau geworden und gestorben ist. Ich bin bereit, mit ihm diese Reise anzutreten, unserer Tochter zuliebe!“

 

Safranita ließ sich überreden, dem Plan zuzustimmen. Mit einem Zauberhorn wurde der Drachen von Peter herbeigerufen. Dessen Töne konnten nur Drachen und Einhörner wahrnehmen, für Menschen waren sie unhörbar.

Peter musste nicht lange warten. Rapuro flog herbei und setzte sanft im königlichen Garten auf. Er erkannte Peter und fauchte leise zur Begrüßung. “Ich freue mich, dich zu sehen, Peter. Warum hast du mich gerufen?“, fragte der Drachen. Peter erklärte ihm in wenigen Worte, was geschehen war und was getan werden musste.

 

Rapuro hob langsam seinen Kopf und antwortete: „Das tut mir leid mit Eurer Tochter. Das Land, wo dieses Wunderkraut wächst, kenne ich sehr wohl. Ich war schon oft dort und ich weiß auch, wo das Kraut wächst. Es ist keine lange Reise für mich, in wenigen Stunden werden wir dort sein. Komm, setz dich auf meinen Rücken. Ich bringe dich dort hin!“ Peter freute sich über diese gute Nachricht und tat, was ihm der Drachen gesagt hatte.

 

Rapuro erhob sich in die Lüfte. Peter blickte zunächst angstvoll nach unten. Noch nie zuvor war er in einer solchen Höhe. Der höchste Turm des Schlosses war winzig dagegen. Mit großer Geschwindigkeit flog der Drachen gen Norden fast bis ans Meer. Die Leute am Boden blickten erstaunt nach oben. Drachen fliegen nicht täglich über das Land. Viele der Menschen hatten große Angst, doch diejenigen, welche Rapuro kannten, winkten ihm freundlich zu.

 

Nach drei Stunden hatten Rapuro und Peter ihr Ziel erreicht. Sie landeten auf einer großen Wiese mit vielen prachtvollen Blumen. Bienen, Hummeln und Schmetterlinge umschwirrten diese und taten sich an dem Nektar der Blumen gütlich. Ein Stück weiter war ein mannshoher Zaun. Davor standen drei Männer, sie streng blickten. Sie bewachten offenbar das Gelände. „Dahinter finden wir unser Wunderkraut“, erklärte Rapuro. „Dann lasst uns dahin gehen und danach fragen“, entschied Peter.

 

„Was wollt Ihr hier?“, fragte einer der Männer. „Wir haben von diesem Wunderkraut gehört und hätten gerne etwas davon“, sagte Peter. „Das ist aber nicht umsonst. Ein Korb davon kostet drei Golddukaten“, antwortete der Mann. Peter war froh über diesen Preis, er hatte befürchtet, dass es noch teurer sei. Das ließ er sich aber nicht anmerken. Er holte die Münzen aus seinem Beutel und reichte diese dem Wächter. Der Mann beäugte die Golddukaten kritisch und biss darauf. „Das ist in Ordnung. Wartet einen Moment“, sagte der Mann. Er öffnete das Tor und ging hinter dem Zaun. Nach einer Weile kehrte er mit einem Korb zurück. Darin befanden sich die Pflanzen, die genau so aussahen, wie Rogenda sie beschrieben hatte. Peter bedankte sich und setzte sich wieder auf den Rücken des Drachen.

 

Rapuro erhob sich wieder in die Lüfte und flog in die Heimat zurück. Kurz vor Anbruch der Dunkelheit waren sie wieder zu Hause. Dort wurden sie schon von Rogenda erwartet. Safranita war immer noch ängstlich und verblieb im Schloss. „Das ist genau das richtige Wunderkraut!“, rief die Hexe begeistert und klatschte in die Hände. Sie ergänzte: „Ich werde gleich einen Sud aus den Beeren kochen!“

 

Das tat Rogenda dann auch. Der Sud roch eigentümlich, aber nicht unangenehm. Nachdem er abgekühlt war wurde etwas davon abgefüllt und die Tinktur der kleinen Rosetta gereicht. Diese wollte das zunächst nicht trinken, so wie sie alle Nahrung und jeden Trank verweigerte. Doch Safranita sprach sanft mit ihrer Tochter: „Trink das, liebste Rosetta. Das wird dir gut tun und dir helfen, wieder gesund zu werden!“ Rosetta gehorchte und trank das Glas ohne Murren aus. Es schmeckte ihr offenbar sogar.

 

Dann geschah das Wunder. Rosetta gesundete und schon am nächsten Tag war sie wieder putzmunter und hatte großen Appetit auf all die Speisen, die sie zuvor verweigert hatte. Safranita und Peter waren überglücklich. Rapuro wurde zum königlichen Drachen erklärt und erhielt eine hohe Belohnung. Alle waren zufrieden. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben Safranita, Peter, Rosetta, Rapuro und Rogenda noch heute.

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Bildmaterialien: www.loewenzahn.at
Tag der Veröffentlichung: 09.05.2021

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