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Hubert in Bonn

 

 

Ich, Hubert Hundertmark, war aufgeregt und überglücklich. Der 250. Geburtstag von Ludwig stand an, meinem Lieblingskomponisten. So machte ich mich mit meinem lieben Kollegen Hilmar Hintergesäß von der Gemeindeverwaltung Buxtehude, Aufgabengebiet Hundesteuer, auf dem Weg nach Bonn. Dort wurde Beethoven, mein Idol, am 17.12.1770 geboren. Ich war noch nie zuvor in Bonn, auch nicht in Köln.

 

Wir fuhren mit dem ICE von Hamburg nach Köln, dort sollte es mit der Stadtbahn zu unserem Ziel weiter gehen. Ich hatte mir vom Beethoven-Fan-Shop aus dem Internet eine wunderschöne Mund-Nase-Schutz-Maske mit dem Konterfei von Ludwig bestellt und trug diese voller Stolz. Hilmar fand das albern. Seine Maske trug das Logo vom Hamburger SV.

 

Ein Mann in Uniform öffnete die Tür des Großraumwagens und rief: „Die Tickets, bitte!“ Das erboste mich. Tickets! Offenbar war der Mann nicht der deutschen Sprache mächtig. Daher stellte ich mich stur und tat so, als ob ich nichts gehört hatte. Der Uniformierte wiederholte, nunmehr etwas lauter: „Die Tickets bitte!“ Ich entgegnete: „Ich habe kein Ticket!“, und grinste. Der Mann begann ärgerlich zu werden und holte einen Block hervor, offensichtlich um mich als Schwarzfahrer aufzuschreiben. Ich kam ihm zuvor und sagte: „Aber ich habe eine Fahrkarte!“

 

Nachdem der Schaffner diese kontrolliert hatte, brummelte er: „Sie sind ja ein richtiger Witzbold. Und Ihre alberne Maske macht es auch nicht besser!“ „Das ist Ludwig. Der hat morgen Geburtstag!“, antwortete ich. „Denn grüßen sie ihn schön von mir. Und viel Spaß bei seiner Feier“, sagte der Mann. Ich war zunächst baff über so viel Unkenntnis und schwieg lieber. Als er sich weit genug entfernt hatte und er uns nicht mehr hören konnte, sagte ich zu Hilmar: „Der ist fast so blöd wie diese Susanne Sorgenfrei, die dich am Anfang des Jahres vertreten hat, als nach meiner Silvesterfeier längere Zeit außer Gefecht gesetzt warst. In gewisser Hinsicht hat sie mich auch an meine Cousine Hermine erinnert!“

 

Der Zug erreichte Köln pünktlich. Schon lange vor der Ankunft in den Bahnhof konnte man zwei Türme sehen. „Das ist der Kölner Dom, das ist aber kein Rummel wie bei uns in Hamburg, sondern eine Kirche!“ Hilmar lachte, er erinnerte sich an mein Erlebnis in Magdeburg. Die anderen Fahrgäste schauten verständnislos.

 

Wir nahmen unser weniges Gepäck und begaben uns in die U-Bahnstation. Die Linie 1 sollte uns in die ehemalige Bundeshauptstadt bringen. Dort besorgte ich mir am nächsten Kiosk Bonbons, genauer gesagt Bonn-Bonbons. Natürlich bekam ich einen Kassenzettel, also einen Bonn-Bonbon-Bon. Um 13 Uhr waren wir mit etwa 40 Gleichgesinnten verabredet, und zwar direkt vor dem Beethovenhaus in der Bonngasse 20. Dort herrschte schon eine gute Stimmung, als wir dort eintrafen. Eine junge, blonde Frau hatte eine große Marzipantorte mitgebracht. Ein wunderhübsches Porträt von Ludwig und die ersten Takte seiner neunten Sinfonie zierten das Backwerk. Gerade in dem Moment, als die Frau ihre Torte anschneiden wollte, kamen zwei Polizisten hinzu. Sie wirkten grimmig.

 

„Was ist das hier? Eine Demo? Ist diese angemeldet? Und warum stehen Sie hier so dicht zusammen?“, fragte der ältere der beiden. Ich antwortete: „Wir feiern den Geburtstag von Ludwig, dem berühmtesten Sohn dieser Stadt!“ Der Polizist schaute ratlos. Dann fragte er nach: „Und wer von Ihnen ist dieser Ludwig? Wer hat das hier organisiert?“ Ein Raunen erfolgte von uns. Einige kicherte, andere lachten. Das brachte den Polizisten noch mehr auf. Er telefonierte und orderte Verstärkung an. Das provozierte uns und wir stimmten aus vollem Hals „Freude schöner Götterfunken“ an. Wenige Minuten später trafen drei Polizeimannschaftswagen ein. Wir wurden umringt und alle in die grünen Minnas, die allerdings blau waren, verbracht. In dem Durcheinander fiel jemand in die schöne Torte, die dabei leider zermatscht wurde.

 

Im Polizeirevier wurden wir verhört. Immerhin schien der Beamte, der mich befragte, Beethoven zu kennen. Als er jedoch sagte: „Das ist dieser lustige, dicke Hund aus dem Film!“, wäre ich ihm am liebsten an die Gurgel gesprungen, obwohl ich zu Hunden aufgrund meine Berufes ein sehr positives Verhältnis habe. Aber so etwas macht ein Hubert Hundertmark nicht! Stattdessen hielt ich einen fünfminütigen Vortrag über das Leben und Wirkung von Ludwig unter besonderem Hinweis auf die Stadt Bonn. Großartige Begeisterung zeigte der Polizist nicht. Er sah eher gelangweilt aus. „Wie auch immer, Herr Hundertmark, das geht gar nicht, was Sie und Ihre Freunde, da veranstaltet haben. Das sind gleich mehrere Verstöße! Das wird teuer für Sie!“ Ich war geschockt. Zur Beruhigung bot ich dem Beamten ein Bonn-Bonbon an. Dieser lehnte es mit Entschiedenheit ab. Ob er das als Bestechungsversuch gewertet hat, weiß ich nicht.

 

Verärgert verließen Hilmar und ich das Polizeirevier und begaben uns in unser Hotel. Dort war die Hotelbar geschlossen, aber das war ja zu erwarten gewesen. Immerhin stand uns die Mini-Bar in unserem Hotelzimmer zu Verfügung. Doch leider gab es darin kein vernünftiges Bier, sondern nur solches, das man in Köln aus diesen Reagenzgläsern trinkt. So mussten wir mit Wein vorliebnehmen. Zur Not ging das, um unseren Ärger herunterzuspülen.

 

Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem ICE wieder zurück nach Hamburg. Wir waren kaum losgefahren, als auch schon der Schaffner kam, es war derselbe wie auf der Herfahrt. Er erkannte uns wieder und begrüßte uns überraschenderweise sehr freundlich. „Meine Herren, ich hoffe, Sie hatten eine schöne Geburtstagsfeier. Ich habe mich inzwischen erkundigt, und weiß wer dieser Ludwig war. Ein Musiker, nicht wahr?“, sagte der Mann und lächelte. Ich nickte. Er ergänzte: „Und sein berühmtestes Werk war Roll over Beethoven!“ Danach stimmte er das Lied von den Beatles ein und ging weiter.

 

So war ich ein weiteres Mal so geschockt, dass ich sprachlos war. Und das kommt bei mir selten vor. Sie kennen mich ja!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.bonnzimmer.de
Tag der Veröffentlichung: 26.01.2021

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