Viele Jahre hat er mir treue Dienste geleistet: mein Laptop der Marke Compaq, Modell Presario A 900. Ich hatte ihn Egon getauft. Alle meine Computer hatten bislang männliche Vornamen die mit „E“begannen: Erwin, Emil, Ernst und so weiter. Ich erwarb ihn im Oktober 2008, also vor über zwölf Jahren.
Meine gesamten Geschichten bei Bookrix, wo ich im Jahre 2011 hinzustieß, wurden maßgeblich mit Egon erschaffen, wobei er Schreibprogramme kommen und gehen sah. Zunächst Star Office, dann Open Office und schließlich Libre Office. Anfang 2019 kam zusätzlich noch Papyrus Autor hinzu.
Ich hatte Egon Mitte 2015 eine neue Festplatte gegönnt und ihn gründlich überholen lassen. Danach lief er wieder turbomäßig schnell und bereitete mir große Freude. Doch dann kam der heiße Sommer 2019, wo Egon mehrfach einen Hitzekollaps erlitt. Er stürzte immer häufig ab.
Man riet mir, einen Laptop-Kühler zu kaufen. Ich kam diesen Rat nach. Das half tatsächlich. Doch nicht ewig, schon ein halbes Jahr später, Anfang 2020, schaltete er sich plötzlich und ohne Vorwarnung ab. Manchmal geschah das, wenn ich mitten in einem neuen Text war. Alles was ich dazu geschrieben hatte, war denn weg, wenn ich nicht zwischengespeichert hatte.
Immer mehr Alterserscheinungen zeigte Egon. Die Grafikkarte lieferte seltsame rote Schlieren auf dem Bildschirm und der rechte Tonkanal fiel aus, komischerweise nur über dem Kopfhörer. Dieser selbst war in Ordnung, was ich an meinem Radio austesten konnte.
Auch wurde Egon immer vergesslicher. Nach einem Neustart fragte er ständig, ob mein Browser als Standard verwendet werden sollte. Obwohl ich „ja“ anklickte, kam diese Frage immer wieder auf.
Das war alles nicht so schlimm. Viel ärgerlicher war das, was neulich passiert war. Egon stürzte mal wieder ab. Ich schrieb gerade meinen Wettbewerbsbeitrag und war fast fertig. Leider vergaß ich wieder das Zwischenspeichern. Nach dem Absturz und dem Neustart wollte ich das Geschriebene mit der Wiederherstellungsfunktion von Libre Office reaktivieren und – Pustekuchen! Das klappte diesmal nicht, die Datei war zerstört und ließ sich nicht mehr reparieren. Deshalb musste ich in diesem Monat eine andere, ältere Geschichte beim Wettbewerb einreichen. Ich hatte keine Lust, das noch einmal zu schreiben. Ich war ziemlich wütend und hätte Egon am liebsten aus dem Fenster geworfen. Ich entschloss mich stattdessen nur noch im abgesicherten Modus zu schreiben. Das ging gut, und der Laptop war dabei auch viel schneller als im Normalmodus. Allerdings konnte ich so nichts ausdrucken und konnte auch nicht ins Internet.
Es gab auch immer wieder neue Mätzchen mit dem Laptop. Kurz nach der Umstellung auf die Winterzeit, erlebte ich eine neue Überraschung. Die Systemzeit hatte sich eine weitere Stunde zurückgestellt, also auf Greenwich-Time. Nach einem Tag war der Spuk wieder beendet.
Wenn Egon ein Mensch wäre, hätte ich einen Schlaganfall oder Alzheimer diagnostiziert. Er ist gewissermaßen ein Herr im gesetzten Alter. Keiner meiner vorherigen Computer hat so lange gehalten, zwölf Jahre ist für einen Laptop ein langes Leben. Dennoch ist jetzt die Zeit gekommen, ihn zu ersetzen. Ich habe mich schon nach einem Nachfolger umgesehen. Wie wird dieser heißen? Vielleicht Edgar? Wir werden sehen. Egon werde ich auf jeden Fall in liebevoller Erinnerung behalten, trotz aller Ärgernisse am Schluss.
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Tag der Veröffentlichung: 05.11.2020
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