Die Disco-Musik hatte ihren Höhepunkt Ende der 70er Jahre. Anfangs hielt ich gar nichts davon, doch dann wurden im Radio immer mehr Stücke gespielt, die mir gefielen. Besonders „Thriller“ von Michael Jackson hatte es mir angetan, das Video dazu war große Klasse. Es erschien Ende 1982. Zu dieser Zeit war ich bei der Bundeswehr. Außer den Hits der Neuen Deutschen Welle dudelte nunmehr hauptsächlich Disco-Musik aus meinem Cassettenrecorder, der permanent in der Waffenkammer lief.
Irgendwann sprach mich ein Kamerad an: „Komm doch mal in den Waldkater. Da kannst du auch Weiber aufreißen!“ Der Waldkater war die angesagteste Diskothek in Munster, allerdings auch die einzige. Sie lag ausgerechnet am anderen Ende des Ortes. Von meiner Kaserne aus war das ein gehöriger Fußmarsch, ein Auto und einen Führerschein hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Daher musste ich zwangsläufig mit einem motorisierten Kameraden mitfahren, wenn ich dahin wollte. Und das wollte ich. Mir kam es dabei gar nicht auf die Natomatratzen an, wie die dortigen Frauen von den anderen Soldaten respektlos genannt wurden, sondern wirklich auf die Musik.
Diese entsprach auch voll und ganz meinen Erwartungen. Außer Michael Jackson liefen dort „Words“ von F. R. David, „Cambodia“ von Kim Wilde und „Girl Crazy“ von Hot Chocolate rauf und runter, dazu viele NDW-Hits. Die Luft war extrem schlecht, seinerzeit war an einem Rauchverbot noch lange nicht zu denken. Das Thema „Weiber aufreißen“ hatte sich insofern erledigt, als man von den anwesenden Damen nicht nach dem Sternzeichen, sondern nach dem Dienstgrad gefragt wurde. Als Gefreiter hatte man da so gut wie keine Chance.
Ich war aber auf dem Geschmack bezüglich Diskotheken gekommen, und so erkundigte ich mich bei meinen Freunden, welcher Laden in Hannover empfehlenswert sei. „Geh doch mal in die Röhre!“, schlug mir mein langjähriger Freund Uwe vor. Diese Disco befand sich in der Schmiedestraße und trug ihren Namen zu Recht. Sie war nämlich lang und eng. Auf der einen Längsseite war die Bar und auf der andere eine Tribüne, wo man sich hinsetzen konnte. In der Mitte war die Tanzfläche. Die Musik war eine ganz andere als in Discos üblich, nämlich größtenteils Rock, also z.B. Sweet, Asia, Fleetwood Mac oder 10 CC. Das war auch nicht schlecht. Weniger gut war die Sauberkeit in dem Laden. Vor allem die Toiletten waren sehr schmutzig. Vor dem Toilettengang war es angesagt, zu prüfen, ob sich Klopapier in der Kabine befand. Das war nämlich oft nicht der Fall und brachte einem unter Umständen in eine unangenehme Situation, wenn man es zu spät bemerkte. Das gefiel mir nicht.
Daher suchte ich mir eine andere Disco und fand sie auch. Das Bellawuppdich in der Windmühlenstraße hatte nicht nur einen lustigen Namen, sondern war auch wesentlich sauberer. Hier gab es mehrere Bereiche. Da war zum Einen die „normale“ Diskothek mit einer relativ kleinen Tanzfläche und der Theke und zum Zweiten ein Außenbereich, wo man bei schönem Wetter draußen sitzen und leckeres Eis essen konnte. Die Musik drang nach draußen, allerdings nicht besonders laut, wegen der Nachbarn. Dann gab es noch im Keller eine Spielhalle, wo einige Flipper und Video-Spiel-Automaten standen. Dort waren einige Sitzgelegenheiten und man hatte die Chance, sich in Ruhe zu unterhalten. Jahrelang war das Bella, wie es kurz von allen genannt wurde, meine Stamm-Disco. Doch dann geschahen zwei Dinge: Zum Einen wurde die Tankstelle, die sich vor dem Laden befand, abgerissen und dafür ein bayrisches Lokal mit Biergarten gebaut, was der Disco die Besucher abschnitt. Man kam nur noch durch einen Nebeneingang von der Georgstraße hinein. Die zweite Sache war, dass am Raschplatz eine ultramoderne Riesendisco namens Musikpalast eröffnete, die fortan sehr angesagt war. Beides führte dazu, dass das Bellawuppdich leider zumachen musste.
Nicht weit vom Bella war die Heckmeckgasse, eine Disco, die sich mehrere Jahrzehnte hielt. Diese Disco hatte Kultcharakter in Hannover und war sehr beliebt. Es kam vor, dass dort junge Leute verkehrten, deren Eltern sich da schon kennen gelernt hatten. Dort gab es einen Verzehrzwang, man musste am Eingang eine Marke kaufen, die man dann für ein Getränk seiner Wahl einlösen konnte. Dagegen war nichts zu sagen. Heutzutage ist das so üblich. Es gab auch eine Einlasskontrolle, nicht jeder kam rein. Abgewiesen wurden aber nur stark angetrunkene Person, niemanden wurde wegen seiner Kleidung oder seines Aussehens abgewiesen. Die Disco war im Keller, also für Gehbehinderte oder Rollstuhlfahrer unerreichbar. Darüber machte man sich in den 80ern aber noch keine Gedanken. Das Rausschmeißer-Lied, das spät in der Nacht gespielt wurde, wenn der Laden zumachte, war stets „New York, New York“ von Frank Sinatra. In späteren Jahren wurde das Lokal erweitert und dieser Anbau erhielt diesen Namen: New York, New York. Ich bin immer gerne in die Heckmeckgasse gegangen, zumal es dort immer friedlich zuging.
Zu guter Letzt will ich noch über den bereits erwähnten Musikpalast berichten. Es war eine sehr große Disco mit einer riesigen Tanzfläche, das Gebäude war ringsherum verglast. Innen drin war alles weiß. Das wirkte kalt und steril und gefiel mir nicht sehr. Irgendwann übernahm die Bhagwan-Sekte den Laden. Fortan trug das Personal orangene Gewänder und ein Bild des Sektenführers hing an der Wand an der Theke. Das trug nicht gerade dazu bei, dass ich mich dort wohler fühlte. Erst vor Kurzem erfuhr ich, dass seinerzeit Peter Lustig hinter der Theke stand und Bier zapfte. Den späteren Erklär-Bär von Löwenzahn habe ich allerdings dort niemals gesehen, oder wahrgenommen.
Natürlich gab und gibt es noch zahlreiche andere Diskotheken in Hannover und Umgebung, die ich besuchte. Es würde aber den Rahmen dieser Geschichte sprengen, wenn ich auf alle eingehen würde.
Bildmaterialien: www.haz.de
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2020
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