Cover

Willi kehrt zurück

 

 

 

Vier Jahre ist es her, dass Willi seine perfekte Tarnung als Geheimagent aufgeben musste und Neustadt verlassen hatte. Patrick, der maßgeblichen Anteil an der Aufdeckung der Verbrechen hatte, hatte in dieser Zeit die Observation obskurer Gestalten in dem kleinen Ort übernommen und einige Erfolge erzielt. Nun war auch er ein erfahrener Geheimagent. Doch jetzt bekam er einen Auftrag, der seine Fähigkeiten überschritt. Er musste Willi um Hilfe bitten.

 

Daher drückte er den Alarmknopf an seinem Handy, den er nur im äußersten Notfall benutzen durfte. Willi befand sich gerade in einer geheimen Mission im Vatikan. Die geplante Audienz beim Heiligen Vater musste verschoben werden und Willi teleportierte sich nach Neustadt.

 

Dort kam er an der Teleport-Zelle an. „Herzlich willkommen zurück, Willi“, begrüßte ihn Patrick freundlich. Willi klopfte ihn auf die Schulter und ließ sich schildern, was das Problem war: „Nun, Willi. Das ist wirklich dramatisch, sonst hätte ich dich nicht kommen lassen. Also, in Neustadt und Umgebung sind sämtliche Schokoladen-Osterhasen spurlos aus den Supermärkten, Kiosken und Süßwarenläden verschwunden. Man dachte zuerst, dass das Hamsterkäufe wären. Aber niemand hat die Schokoladen-Hasen gekauft, sie haben sich einfach in Luft aufgelöst!“, erklärte Patrick. Willi pfiff voller Erstaunen und antwortete dann: „Patrick, das ist wirklich ungewöhnlich. Ich kann verstehen, dass dich dieser Fall überfordert. Lass uns mit den Ermittlungen beginnen.“

 

Sie gingen zum großen Supermarkt am Rathausplatz. Dort waren alle Waren in ausreichenden Mengen in den Regalen vorhanden, selbst Toilettenpapier und Nudeln, nur eben keine Schokoladen-Hasen. Es gab ausreichend Blockschokolade, Pralinen und auch alle anderen Schoko-Produkte. „Die verschmähen die Täter offenbar“, erklärte Herr Overthür, der frustrierte Filialleiter. Er ergänzte: „Es ist immer das Gleiche. Wir räumen die Schoko-Hohlfiguren in die Regale und Sekunden danach sind sie weg, die Hasen. Einfach so. Es macht auch keinen Unterschied, ob sie aus Vollmilchschokolade oder Zartbitter sind. Das habe ich noch nie erlebt!“

 

Willi kratzte sich am Kopf und sagte dann leise zu Patrick: „Das ist ein Fall für die Proxima 3000, unsere Agenten-Spezialkamera. Das ist ganz etwas Neues. Nur die wichtigsten und besten Geheimagenten haben diese!“ Er griff in seine Umhängetasche und holte die Kamera und ein Stativ hervor. Willi fuhr fort: „Wir bauen die Kamera hier auf. Sie nimmt 3000 Bilder pro Sekunde auf, deswegen auch der Name. Damit überführen wir die Täter!“

„Meinst du nicht, dass die sich davon abschrecken lassen, wenn sie die Kamera sehen, Willi?“, fragte Patrick. Willi hob den rechten Zeigefinger und antwortete dann: „Nicht wenn wir das Agenten-Unsichtbarkeits-Spray anwenden. Das funktioniert ähnlich wie unsere Plastiktüten, als wir den Lohmann enttarnt haben. Es ist zwar nicht umweltfreundlich, aber das ist jetzt nebensächlich.“ Herr Overthür räumte, allerdings widerwillig, eine ganze Palette Schoko-Hasen in das Regal.

 

Willi schaltete die Kamera und besprühte sie danach mit dem Spray. Gleich darauf war sie nicht mehr zu sehen. „Es ist wichtig, die Reihenfolge zu beachten, sonst klappt das nicht“, erklärte er und versteckte sich mit Patrick hinter einem Stapel Konservendosen mit Pfirsichen, die gerade im Angebot waren. Nur drei Minuten später waren die Schokoladen-Hasen verschwunden, die Kamera tauchte nach einer halben Stunde wieder auf. Das hatte Willi beabsichtigt, und die entsprechende Menge Spray aufgesprüht.

 

„Jetzt lass uns ansehen, was die Proxima 3000 aufgenommen hat“, sagte Willi. Die beiden Geheimagenten betrachteten das Display. Sie sahen, wie eine Gruppe von seltsamen Gestalten in silberfarbenen Anzügen auftauchte, sich die Schoko-Hasen schnappte und wieder aus dem Laden verschwand. Die Anzüge trugen den Aufdruck „Hohlfinger“.

 

Willi stieß einen Pfiff aus und erklärte dann: „Das hätte ich mir denken können. Dieser Hohlfinger steckt dahinter. Der ist zuletzt vor fünfzehn Jahren in Erscheinung getreten. Damals konnte er entlarvt und zur Strecke gebracht werden. Das darf doch nicht wahr sein. Ich muss sofort mit der Zentrale sprechen und sie informieren!“

 

Willi nahm sein Agenten-Spezial-Smartphone, das aussah wie eine gewöhnliche Zigarettenschachtel und tippte etwas ein. Mit ernster Miene sah er auf das Gerät und wartete auf die Anweisungen aus Crypto City. Lange musste er nicht warten. Als er die Nachricht erhalten hatte, sagte er zu Patrick: „Wir teleportieren uns unverzüglich nach den Osterinseln. Dort soll sich Hohlfinger nach Auskunft der Zentrale aufhalten.“

„Das passt ja irgendwie“, stellte Patrick fest.

 

Die Teleport-Zelle brachte die beiden in Bruchteilen von Sekunden ans Ziel. Dort war es finstere Nacht. „An den Zeitunterschied kann selbst ein versierter Geheimagent nichts ändern. Leider ist das so“, erklärte Willi. Patrick beschwerte sich: „Schön und gut. Aber ich kann gar nichts sehen!“

„Einen Moment, Patrick. Dafür haben wir unsere Restlicht-Verstärker-Brillen. Nichts besonderes. Die hat heutzutage jede Armee.“

 

Willi griff erneut in seine Tasche und holte zwei Sonnenbrillen hervor. Eine davon gab er Patrick, die andere setzte er selbst auf. Die beiden sahen die Umgebung in einem bläulichen Licht und nahmen eine riesige Lagerhalle wahr. „Ausgezeichnet. Wir sind genau richtig. Das hat sehr gut geklappt!“, freute sich Willi. „Und wie kommen wir da jetzt rein? Kannst du auch durch Wände gehen?“, wollte Patrick wissen.

 

„Nun, nicht direkt, aber wir können uns direkt in die Halle hinein teleportieren lassen. Das ist ganz einfach“, erklärte Willi. Er wollte gerade etwas in sein Agenten-Spezial-Smartphone eingeben, als Patrick zu Bedenken gab: „Woher wissen wir dann, dass wir auf einer freien Fläche landen? Ich möchte mich nicht mitten in einem Container oder so etwas materialisieren!“

„Dafür ist meine Spezialbrille mit Röntgenblick zuständig. Deine Brille hat das nicht, meine schon. Mach dir keine Sorgen!“

 

Wenige Sekunden später, nachdem Willi die Eingabe in sein Smartphone gemacht hatte und die beiden in die Halle teleportiert wurden, erblickten sie schier endlose Paletten mit Schoko-Hasen aus allen möglichen Ländern. „Also läuft die Aktion nicht nur in Neustadt, sondern in der ganzen Welt!“, stellte Willi fest.

 

„Völlig richtig, meine Herren. Dass der berühmte Geheimagent Willi hier auftaucht, war mir klar. Aber wer ist der andere Herr?“ Die Stimme klang energisch und wenig sympathisch und kam von hinten. Willi und Patrick drehten sich um. Vor ihnen stand ein kleiner, dicklicher Mann mit einer Hornbrille. „Mister Hohlfinger! Ich kann nicht behaupten, dass ich erfreut bin, Sie zu sehen. Wir dachten, Sie säßen für alle Zeiten hinter schwedische Gardinen. Wie konnten Sie dort entkommen, aus dem Hochsicherheitsgefängnis?“

„Ach, Willi, das ist mein kleines Geheimnis. Ich verrate es Ihnen nicht. Aber Sie sind unhöflich. Wer ist dann nun Ihr Begleiter?“

„Das ist Patrick, auch ein erfolgreicher Geheimagent, jedoch noch nicht fertig ausgebildet!“

 

Hohlfinger grinste und machte eine kreisförmige Bewegung mit seiner rechten Hand. Wie aus dem Nichts tauchten ein paar von den Helfern in silberfarbenen Anzügen auf, die Willi und Patrick in dem Video gesehen hatten. Die Gestalten umringten die Geheimagenten und überwältigten sie. Ehe sie sich versahen, fanden sich Willi und Patrick in einem kleineren Raum, gefesselt auf Laufbändern, wieder. Hohlfinger betrat den Raum und lachte schallend. Er drückte auf einem Knopf, die Laufbänder setzten sich langsam in Bewegung.

 

„Nun, meine Herren, werden Sie erleben, was passiert, wenn jemand unerlaubt in meine Gefilde eindringt. Wie Sie bereits bemerkt haben, haben meine kleinen Helfer weltweit die Schokoladen-Hohlfiguren eingesammelt und hierher verbracht. Mein Ziel ist es, sämtliche Schoko-Hasen der Welt zu besitzen. Ich informiere Sie ferner, dass ich plane, die in Fort Knox gelagerten Schokoladen-Hohlfiguren-Reserven der Vereinigten Staaten mittels einer schmutzigen Bombe radioaktiv zu verseuchen. Da Sie, meine Herren, diesen Tag nicht überleben werden, kann ich Ihnen das ohne Bedenken verraten. Sie werden nämlich gleich von heißer Schokolade übergossen. Dazu habe ich ein wenig von meinen Vorräten opfern müssen. Aber das ist mir die Sache wert. Die Schokolade auf Ihren Körper wird zu einem langsamen, qualvollen Erstickungstod führen!“

 

Hohlfinger lachte höhnisch und freute sich auf den bevorstehenden Tod seines Feindes und dessen Begleiter. Willi jedoch bemerkte, dass Hohlfingers Helfer die Fesseln nicht fest genug angelegt hatte. So konnte Willi seine rechte Hand etwas bewegen und gelangte an seine Hosentasche. Dort befand sich ein neu entwickelter Mini-Laser. Mit dessen Hilfe konnte Willi zunächst seine Fesseln durchtrennen, sich befreien und dann auch die Fesseln von Patrick im letzten Moment lösen, nachdem er zuvor das Laufband ausgeschaltet hatte.

 

Sie sprangen auf und stürzten sich auf Hohlfinger, der sichtlich überrascht war. Gemeinsam schlugen sie ihn nieder und schleppten den bewusstlosen Schurken zum Laufband. Danach fesselten sie Hohlfinger und Willi schaltete das Band wieder ein. Die Helfer von Hohlfinger griffen nicht ein, offenbar froh über das Geschehene. Laut rief Willi: „Jetzt ist Schluss mit den Verbrechen und der Hamsterei, Schurke!“ Davon erwachte der Bösewicht und musste tatenlos zusehen, wie er zu der heißen Schokolade hingezogen wurde. Er wurde davon bei lebendigen Leibe übergossen und erstickte qualvoll.

 

„Unsere Arbeit ist getan“, frohlockte Patrick. Willi widersprach: „Noch nicht ganz. Es gibt noch etwas zu tun!“. Der Geheimagent wies die Helfer an, die Schoko-Hasen wieder an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückzubringen. Danach teleportieren sich Willi und Patrick nach Fort Knox, wo sie das Auslösen der schmutzigen Bombe verhindern konnten und somit die gelagerten Schokoladen-Hohlfiguren-Reserven der Vereinigten Staaten retteten.

 

Schließlich teleportieren sich die beiden Geheimagent nach Neustadt zurück. Dort und in aller Welt wurden sie gebührend für die Ausschaltung von Hohlfinger und die Rückführung der Schoko-Hohlfiguren gefeiert und die Kinder hatten ein glückliches Osterfest – mit Schoko-Hasen.

 

 

 

 

 

Impressum

Bildmaterialien: www.welt.de
Tag der Veröffentlichung: 01.04.2020

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /