Ich habe diverse Länder bereist. Eines der schönsten Länder, die ich sah, ist und bleibt Irland. Dort war ich Jahre 2004. Es war eine einwöchige organisierte Rundreise durch den Südwesten. Mit Fahrrädern sollte das Land erkundigt werden. Veranstalter war DER, ein Tochterunternehmen der DB. Nun ist es schwierig, Irland mit dem Zug zu erreichen, daher ging es mit dem Flugzeug bis nach Shannon. So stand es auf dem Flugschein. Allerdings ist Shannon nur ein sehr kleiner Ort, mit weniger als zehntausend Einwohnern. Er besteht eigentlich nur aus dem Flughafen mit ein paar Häusern herum. Den Namen bekam die Stadt nach dem gleichnamigen Fluss.
Beim Anflug beeindruckte mich der Blick aus dem Fenster. Man sah eine schier endlose Rasenfläche, die sich leicht hügelig bis zum Horizont hinzog. Weiße Farbtupfer unterbrachen das grüne Farbenmeer, das waren Schafe.
Wir waren eine kleine Reisegruppe von einem Dutzend Leuten aus ganz Deutschland. Die Fahrräder wurde uns nach der Ankunft ausgehändigt, ein kleiner Begleitbus sollte mitfahren, falls jemand unterwegs schlapp machen würde. Außerdem führte er Ersatzräder und Ersatzteile mit.
Sean, der Reiseführer, stellte sich vor. Er war ein waschechter Ire, der aber sehr gut Deutsch sprach. Sean hatte einige Jahre in Deutschland studiert, aber in seiner Heimat keinen vernünftigen Job gefunden, wie er erzählte. Das er finanziell nicht gut gestellt war, sah man an seiner Kleidung. Die Hose hatte schon bessere Tage gesehen und das Shirt hatte er in der ganzen Woche der Tour nicht einmal gewechselt. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass er sehr nett war und alles von seinem Heimatland sehr gut erklärte.
Unser erstes Tagesziel waren die Cliffs of Moher, eine Steilküste, die ihren Namen verdient hatte. Es gab keinerlei Absperrungen, gut dreißig Meter ging es in die Tiefe. Mir fehlte der Mut, direkt an den Rand zu gehen, zumal es recht windig war. Den meisten der Mitreisenden ging es ähnlich, lediglich ein kräftig gebauter Mann aus Berlin, namens Karsten, kannte keine Angst und ging fast bis zum Rand.
Karsten war zwar recht nett, aber ein ziemlicher Angeber. Das setzte sich während der ganzen Tour fort. Die jeweiligen Tagesetappen waren ihm immer zu kurz. Er setzte sich mehrfach von der Truppe ab und fuhr schon dem jeweiligen Übernachtungsort entgegen, um den gleichen Weg anschließend wieder zurückzufahren, und um mit dem Rest von uns noch einmal zum Ziel zu fahren. Hingegen hatten zwei ältere Damen aus Bottrop ziemliche Mühe mitzukommen und bildeten stets den Schluss des Feldes. Das war keine leichte Aufgabe für Sean, alle im Auge zu behalten.
Die Unterkünfte waren jeweils einfache Bed and Breakfast – Häuser, die aber gepflegt waren. Das reichte auch vollkommen aus, mit Luxushotels hatte auch keiner gerechnet. Nach der ersten Übernachtung freuten wir uns alle auf ein typisches irisches Frühstück. Das wurde uns auch serviert, es gab Bacon, Black & White Tard (gebratene Blut- und Leberwurst), gebratene Schweinswürstchen, gebackene Bohnen und Rührei. Auf die Blutwurst verzichtete ich aber. Sehr lecker war das Brownbread, ein leicht süßlich schmeckendes Vollkornbrot. Die Iren können nicht nur gutes Bier brauen, sie backen auch gutes Brot. Einen Lacherfolg gab es aber für die Butter. Statt der guten irischen Butter, die wir aus der Werbung kannten, lag deutsche Markenbutter in kleinen Portionen auf dem Tisch. „Es lebe die EU!“, bemerkte Karsten.
Am zweiten Tag sahen wir einige entzückende kleine Orte. Die Häuser waren farbig angestrichen, jedes in einer anderen Farbe. Das sah wunderschön aus.
Vor einem Haus wuchs eine Palme. „Die gedeihen hier gut. Es ist in Irland nicht so heiß wie in Spanien, aber es ist das ganze Jahr über mild, dank des Golfstroms. Ganz selten haben wir Minusgrade und Schnee fällt auch fast nie. Aber letztes Jahr hatten wir zehn Zentimeter Schnee“, erklärte Sean. Karsten fragte nach: „In der Länge?“ Das war typisch für ihn.
Abends kehrten wir oft in einem Pub ein und tranken GUINNESS. Den Damen war das zu bitter, sie zogen Cider vor, das ist Apfelwein. Es gab auch beides gemischt. Das kannte ich schon aus meinen Reisen nach Schottland und verzichtete dankend darauf. Die Preise waren erheblich höher als in Deutschland, bei niedrigerem Lohnniveau. Trotzdem waren in den Pubs nicht nur Touristen, sondern immer auch viele Einheimische. Von diesen wurde wir stets freundlich aufgenommen. „Gegen Deutsche haben die Iren nichts. Bei Engländern ist das etwas ganz anderes“, sagte Sean.
Mehrmals sahen wir am Rand der Straße kleine bunte Wagen aus Holz auf den Feldern stehen. „Das sind ehemalige Zigeunerwagen, die mit einem Pferd bespannt werden. Sie können sich damit durch die Gegend kutschieren lassen“, erfuhren wir von unserem Reiseführer.
Ebenfalls auffällig waren aneinander gereihte Steine zwischen den einzelnen Weiden. Die Steine dienten als Abgrenzung der verschiedenen Besitzungen der Felder. Die Schafe konnten diese Begrenzungen problemlos übersteigen, blieben aber zumeist bei ihrer Herde.
Die Wegweiser an den Gabelungen der Straße waren stets zweisprachig: auf Englisch und auf Gälisch. Die gälischen Schriftzeichen kannte ich auch schon aus Schottland. Ebenso wie dort spricht jedoch auch in Irland kaum noch jemand Gälisch. Es ist eine aussterbende Sprache.
Die Rundreise ging viel zu schnell zu Ende, ich hatte jedoch noch eine Woche Verlängerung gebucht und sah mir viele schöne Ziele der Umgebung an, mittels Linienbussen und Taxis. In Limerick, jener Ort der Namensgeber für die die witzigen, fünfzeiligen Gedichte ist, lief mir durch Zufall Sean über den Weg. Das war die Gelegenheit für mich bei ihm für die tolle Reiseleitung zu bedanken und ihm im nächstgelegenen Pub ein GUINNESS zu spendieren.
Bildmaterialien: www.wikipedia.org (Cliffs of Moher) , ansonsten eigene Bilder
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2020
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