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Die Königin Safranita und der Herbstwald

 

 

Es war vor langer, langer Zeit, als die Berge noch wuchsen und die Menschen noch an Magie glaubten. Im kleinen Land Kurkumanien, das von der gütigen Königin Safranita regiert wurde, war der Herbst eingezogen. Die Bäume im königlichen Wald trugen nunmehr ein prächtiges Laubgewand in roten und goldenen Farben.

 

Eines schönen Herbsttages ging die Königin Safranita mit ihrem Gemahl Peter durch diesen Wald. Sie erfreuten sich an den Farben der Bäume und an den glücklichen Eichhörnchen, die emsig damit beschäftigt waren, Eicheln für den Winter zu sammeln, der schon bald einziehen würde. Aber noch war es nicht so weit.

 

Das lange, strohblonde, lockige Haar der Königin strahlte in der Sonne. Sie sah Peter liebevoll an und sagte: „Es ist doch herrlich zu sehen, wie glücklich diese putzigen, kleine Tierchen mit dem rotbraunem Fell jetzt sind. Erinnere dich daran, wie traurig sie noch letztes Jahr waren.“

„Ja, liebste Safranita. Wir verdanken das alles der allwissende Rogenda, der Witwe deines hoch verehrten, verstorbenen Vaters. Sie hat die Eicheln hergezaubert, an dem sich die Eichhörnchen jetzt erfreuen. Dank ihrer weißen Magie war es ihr ein Leichtes diesen Zauber zu vollbringen.“

 

Safranita und Peter schritten weiter durch den Wald und wollten sich zu dem Feld mit den Safran-Blumen begeben. Diese waren jetzt zwar schon verblüht, aber die Lichtung war trotzdem wunderschön. Auf dem Weg dahin sahen sie mehrere Füchse, die ebenso unglücklich aussahen, wie die Eichhörnchen im letzten Jahr. „Oh, sieh einmal, Peter: die Füchse. In Kurkumanien sollen doch alle Menschen und Tiere glücklich und zufrieden sein. Diese Füchse sind es aber eindeutig nicht, obwohl ihr Fell ebenso wundervoll rotbraun ist wie das der Hörnchen. Wir sollten Rogenda befragen, was mit ihnen los ist und was wir tun können.“

„Wohl wahr, liebste Safranita. Rogenda ist ja auch eine Seherin. Sie wird sicherlich helfen können.“

 

So begaben sich die Königin und ihr Gemahl Peter zurück in ihr Schloss. Die weise Rogenda wurde sogleich gerufen und nahm ihre Kristallkugel. Nachdem sie diese eine Weile intensiv betrachtete, sagte die gütige Hexe: „Ich sehe, dass diese Füchse nicht ausreichend Nahrung im Wald finden. Es gibt zwar genügend Hasen und Mäuse in dem Wald, aber Füchse fressen auch gerne Pflanzliches, vor allem Früchte. Im Wald jedoch gibt es zwar Obstbäume, aber da kommen die Füchse nicht heran, weil sie nicht klettern können. Und die wenigen Früchte, welche herabfallen, sind meist faulig und madig.“ Safranita überlegte kurz und erwiderte dann: „Aber was ist mit Brombeeren und Himbeeren? Davon gibt es doch reichlich im königlichen Wald und sie wachsen so niedrig, dass die Füchse herankommen.“

„Hochverehrte Safranita. Ja, Brombeersträucher gibt es reichlich. Aber diese haben Stacheln, woran sich die Füchse in ihre empfindlichen Schnauzen stechen. Und die Himbeeren wurden allesamt abgepflückt, für das große Fest, das Eure Hoheit letzten Monat anlässlich Euren zwanzigsten Geburtstag gabt. Ihr esst doch so gerne Himbeertorte. Dafür wurden diese Früchte aus dem Wald geholt.“

 

Die Königin nickte und entgegnete dann: „Könnt Ihr nicht wieder irgendetwas herbeizaubern, so wie Ihr es im letzten Jahr mit den Eicheln tat? Damit haben wir doch die Hörnchen beglückt.“ Rogenda bat um etwas Bedenkzeit. Am nächsten Tag verkündete sie: „Bringt mir einige Weinbeeren aus den königlichen Weinbergen, aber die blauen!“ Die Bediensteten eilten in die königliche Küche und brachten ihr umgehend das Gewünschte.

Als die Weinbeeren vor Rogenda lagen, erhob sie ihren Zauberstab und verwandelte diese. Sie wurden kleiner und rund und hatten oben eine kreisrunde Einkerbung. „Probiert, sie sind köstlich und munden auch Menschen...“ Bevor Rogenda noch eine Warnung aussprechen konnte, hatte die Königin schon zugegriffen und sich einige der kleinen Früchte in den Mund gesteckt. „Fürwahr, Rogenda, sie schmecken wirklich wunderbar“, rief Safranita verzückt. Als sie sich umdrehte, brach Peter in lautem Lachen aus. Die Zähne der jungen Königin waren blau verfärbt, das sah komisch aus.

 

„Das war das, was ich Euch noch sagen wollte. Diese Früchte färben die Zähne und die Finger blau. Aber macht Euch keine Sorgen, das verschwindet alsbald.“ Nachdem der ganze Hofstaat zugegriffen hatte und von den Früchten kostete, zauberte Rogenda noch mehr davon herbei und auch einige kleine Sträucher, an denen diese wuchsen.

 

Die Sträucher wurden umgehend in den königlichen Wald verbracht und an verschiedenen Stellen eingepflanzt. Dank Rogendas Zauberkraft wuchsen in Windeseile unzählige von den Sträuchern mit den köstlichen, kleinen, blauen Früchten. Neugierig strömten die Füchse herbei und kosteten davon. Sie fraßen sich satt daran und waren fortan glücklich, auch wenn ihre Schnauzen und Zähne eine Zeitlang blau gefärbt waren. Nun waren wirklich alle Wesen Kurkumaniens glücklich und zufrieden.

 

Die Früchte wurden Blaubeeren genannt, wegen ihrer lustigen Eigenart, die Zähne zu verfärben. Es gab so viele davon, dass aus ihnen zusammen mit den im königlichen Garten wachsenden zahlreichen Haselnüssen ein köstlicher Kuchen gebacken wurde, der Kurkumanien in alle Welt berühmt machte.

 

Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben Safranita, Peter und Rogenda noch heute.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.fabric.com
Tag der Veröffentlichung: 30.09.2019

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