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Herr Plümecke im Plümecke

 

Oskar Plümecke brauchte dringend Erholung. Die Tätigkeit im Europa-Parlament war doch anstrengender, als er erwartet hatte. Diese ständige Pendelei zwischen Brüssel und Straßburg nervte ihn. Da kam es ihm gerade recht, dass sein Freund Hubert Hundertmark in Hamburg jemand kennen gelernt hatte, der ihm gesagt hatte, dass es in Hannover ein Lokal geben würde, das Plümecke heißt. Dort gäbe es eine gute Currywurst, die schon der ehemalige Kanzler dort gerne aß. Falls im Europa-Parlament jemals die Currywurst auf der Tagesordnung stehen würde, wäre es von Vorteil, wenn Oskar vorher dazu Nachforschungen gemacht hätte. Außerdem wollte Oskar wissen, wie es dazu kommen konnte, dass man ein Lokal nach ihm benannt hatte. So berühmt war er doch noch gar nicht, trotz der Panne bei der Wahl zur Präsidentin der Europäischen Kommission, wo Oskar den Wahlzettel ordnungsgemäß unterschrieben hatte, wie er meinte. Daher war seine Stimme ungültig geworden, und er hatte damit für einen Riesenwirbel gesorgt.

 

Also fuhr Oskar in Begleitung der drei Briten, die er bei dem Vorbereitungsseminar kennen gelernt hatte, an diesem Wochenende in die niedersächsische Landeshauptstadt. Diese freuten sich sehr über die Einladung, ganz besonders Charles, der aus London kam. „Oh, well. Ä Wärri Gutt Ädress, Hennower“, sagte er. Irgendein König soll vor langer Zeit England und Hannover gleichzeitig regiert haben, erfuhr Oskar von Charles. Zur Zeit gab es bei den Briten immer noch Ärger mit diesen Brekkies und ein gewisser Boris würde auch verrückt spielen. Das fand Oskar seltsam, denn er dachte bislang, dass Boris gar kein Tennis mehr spielen würde. Die anderen beiden Herren aus Großbritannien namens Steward und Bryan amüsierten sich ebenso wie Charles über Oskars Bedenken.

 

Der Anruf im Plümecke verlief problematisch, denn als Oskar dort den Tisch reservieren wollte, reagierte die junge Dame etwas seltsam, als er seinen Namen nannte:

„Plümecke.“

„Ja, Sie sind hier mit dem Plümecke verbunden. Ich muss wissen, wie Sie heißen.“

„Plümecke.“

„Ich glaube Sie verstehen mich falsch, ich brauche Ihren Namen.“

„Eben. Ich heiße so.“

„Gut, Herr Eben. Der Tisch ist reserviert. Kommen Sie bitte pünktlich.“

 

Oskar hoffte, dass dennoch alles gut gegangen war, und fuhr gut gelaunt mit seinen britischen Freunden nach Hannover. Am Hauptbahnhof stiegen sie aus und fuhren mit dem Bus an ihr Ziel. Dort gegen 18 Uhr angekommen, wandte sich Oskar sogleich an eine junge Frau mit einem Tablett in der Hand. Messerscharf kombinierte Oskar, dass es sich dabei nur um eine Bedienung handeln konnte:

„Wir hatten reserviert.“

„Auf welchen Namen?“

„Plümecke.“

„Nein, ich weiß, dass wir hier im Plümecke sind. Ich bräuchte Ihren Namen.“

„Eben. Plümecke.“

„Ach, Herr Eben. Das ist der kleine Tisch hier vorne.“

 

Bryan, der etwas Deutsch konnte amüsierte sich erneut prächtig darüber. Alle setzten sich und studierten die Speisen- und Getränkekarte. Dass es Speisenkarte hieß und nicht Speisekarte, hatte Oskar von Hubert gelernt, denn im Normalfall wurde in Gaststätten ja nicht nur eine, sondern mehrere Speisen angeboten. Außer Currywurst gab es hier auch ein halbes Brathähnchen mit Pommes frites oder auch einen Kaiserschmarrn mit Mandeln und Rosinen.

 

„Wotts dschätt?“, wollte Charles von Oskar wissen. Er deutete auf die Stelle in der Karte, wo der Kaiserschmarrn stand. Oskar erinnerte sich an den Bericht, den Hubert von seiner Reise nach Wien erstellt hatte. „Das ist eine verfeinerte Form des Palatschinken“, antwortete Oskar und verwirrte den Engländer damit umso mehr. „Schinken? Hemm?“, fragte Charles nach. Oskar nickte, wider besseren Wissens. Als Bryan seinem Landsmann übersetzte, dass dieser Schinken mit Mandeln und Rosinen serviert wurde, sorgte das für noch mehr Verwirrung. Konsequenterweise bestellten alle Currywurst mit Pommes, dazu jeweils ein großes Bier.

 

Das Bier kam sehr schnell, zehn Minuten später das Essen. „Viermal die Kanzlerplatte“, sagte die junge Frau und stellte die Würste mit den Pommes auf den Tisch. Die Briten schauten verwundert, das Wort kannten sie nicht, auch nicht Bryan. Oskar wollte helfen und schaute in seinem Wörterbuch, das er jetzt stets bei sich trug, nach. „Kanzlerplatte“ stand da seltsamerweise nicht drin. Also schlug Oskar zuerst bei „Kanzler“ nach. „Chancellor“ war die Antwort. Und „Platte“? Da gab es einige Möglichkeiten. Spontan entschied sich Oskar für „Disk“. „Chancellordisk“ war es also, was hier serviert wurde. Das gab Oskar so weiter.„Kräsi“, widerfuhr es Charles. Er sagte, dass die Deutschen aufhören sollten, sich über die englische Küche lustig zu machen. Die servieren hier Schinken mit Mandeln und Rosinen und benennen Gerichte nach Schallplatten, die von ehemaligen Regierungschefs besungen wurden! Das war wirklich sehr seltsam.

 

Die Currywürste fanden großen Anklang bei den Briten. Bryan hätte sich auch eine Minzsoße zu den Würsten vorstellen können. Die Pommes kamen weniger gut an. Sie waren ihnen zu knusprig und zu klein. Das Bier begeisterte aber alle. „Nott ä Ehl, batt werri gutt!“, sagte Steward dazu.

 

Als alle zu Ende gespeist hatten, wollte Oskar von der Bedienung wissen, warum die Gaststätte „Plümecke“ hieß. Er erfuhr, dass es diese bereits seit über 110 Jahren gab. Einer der Vorbesitzer der Kneipe war der Namensgeber. Etwas enttäuscht war Oskar schon, dass nicht ihm diese Ehre zu teil wurde. Trotzdem war es ein netter, feucht fröhlicher Abend.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.speisekarte.de
Tag der Veröffentlichung: 24.09.2019

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