Torsten Lembach, der deutsche Archäologe und seine vier Kollegen Nancy Newman, die US-amerikanische Physikerin, Feng Long, der chinesischer Astronom, Stanislaw Kutusoff, der russischer Exobiologe und Shayan Singh, der indischer Chemiker machten sich leicht frustriert auf den Rückflug vom Mars zur Erde. Das, was sie entdeckt hatten, war zwar spektakulär, aber nicht unbedingt, was erhofft und erwartet worden war.
„Tja, was nun? Auf der Erde werden wir den Turm wohl finden und berühren können. Aber auf der Venus? Das kannst du vergessen!“, äußerte sich Nancy. Shayan nickte und antwortete: „Das stimmt wohl. Terraforming auf der Venus ist zwar möglich, aber wahnsinnig teuer und zeitaufwändig.“ Feng ergänzte: „Hinzu kommt ein weiteres Problem. Selbst, wenn man den Wahnsinnstemparaturen trotzen könnte, und Materialien für die Kapsel und die Raumanzüge entwickeln würde, die nicht schmelzen oder verbrennen, wäre das eine Reise ohne Wiederkehr. Der Luftdruck auf der Venus ist etwa hundertmal höher als auf der Erde. Eine Raumfähre könnte vielleicht dort landen, aber niemals mehr starten!“
„Dann machen wir uns erst einmal auf die Suche nach dem Turm auf der Erde. Der kann überall sein. Allerdings muss er gut verborgen sein, sonst hätten wir ihn schon längst gefunden. Er könnte im Wüstensand versteckt sein, oder im tiefen Meer. Das kann dauern, den gesamten Planeten abzuscannen“, warf Torsten ein. Stanislaw sagte: „Auch, wenn es mit meinem Fachgebiet fast nichts zu tun hat, ich würde sagen, wir fünf bleiben bei der Suche ein Team. Seid Ihr einverstanden?“ Alle nickten und klopften sich gegenseitig auf die Schultern.
Nach der erfolgreichen Landung auf der Erde mussten die fünf Wissenschaftler zahlreiche Interviews geben und bald schon stellte sich heraus, dass ein weiterer Experte von Nöten war, nämlich ein Geologe, besonders jemand, der sich mit der Kontinentalverschiebung auskannte.
Es gingen viele Bewerbungen für diesen Job ein, schließlich fand man mit dem Franzosen Claude Bouchet den geeigneten Mann. Für eine Weltraummission war er zwar zu schwächlich, das war zur Zeit aber auch nicht auf der Tagesordnung. Beim ersten Treffen mit den fünf anderen hielt er eine bemerkenswerte Rede und schloss mit den Worten: „Die Erde hatte im Laufe der Millionen von Jahren ihr Antlitz enorm verändert. So lagen Teile von Europa einst am Äquator und Australien war früher mit der jetzigen Antarktis verbunden. Die außerirdischen Wesen, die den geheimnisvollen Turm vergruben, konnten wohl nicht vorausberechnen, wo dieser Ort in ferner Zukunft sein würde, und auch nicht wissen, wann er gefunden würde.“
Nancy klopfte auf den Tisch, gefolgt von den anderen. Sie hakte nach: „Und, Claude, hast du schon einen Favoriten zu dem Standort?“
„Wie ich in Euren Protokollen las, habt Ihr Euch dazu schon Gedanken gemacht. Einen belebten Ort können wir daher ausschließen. Der Turm wird irgendwo in einer Wüste sein, oder im ewigen Eis. Mein Favorit ist die Antarktis!“
„Das ist sehr wahrscheinlich. Dann beginnen wir dort mit dem Scannen“, antwortete Torsten, die Kollegen stimmten zu. Alle beteiligten Raumfahrtbehörden, die noch immer als Geldgeber fungierten, waren einverstanden.
So wurde ein Satellit in den Orbit gebracht, der ausschließlich die Aufgabe hatte, die Antarktis nach dem Turm abzuscannen. Die Zusammensetzung seiner Legierung war unterdessen bekannt, so dass Fehler auszuschließen waren. Und tatsächlich: Am 10. Februar 2029 wurde man fündig. Das Objekt befand sich wenige Kilometer von der Edward VIII. Bucht, also fast noch an der Küste. Hier hatte Australien einen Gebietsanspruch, aber wie jedes andere Land, das am Antarktis-Vertrag beteiligt war, hatte auch Australien auf die wirtschaftliche Ausbeutung oder militärische Nutzung verzichtet, um die Antarktis stattdessen wissenschaftlich zu erforschen. Das war hier gegeben, sodass der Operation nichts im Wege stand, bis auf die Witterung. Auf der Südhalbkugel war zwar Sommer, aber er neigte sich seinem Ende. Daher war Eile geboten.
Das Team flog mit einer Regierungsmaschine der Vereinigten Staaten nach Adelaide in Australien und von da mit einem Militär-Hubschrauber zur Antarktis. Es war für dortige Verhältnisse angenehm warm: minus 20 Grad Celsius. „Im Winter wäre unsere Aktion unmöglich gewesen. Zum einen wegen der Kälte und zum anderen wegen der Dunkelheit“, bemerkte Nancy, obwohl das eigentlich überflüssig war. So viel Ahnung von Metrologie hatte jeder von der Mannschaft.
Der Hubschrauber setzte die sechs Wissenschaftler nahe der mutmaßlichen Fundstelle ab. Sie hatten einen Hochleistungslaser dabei, mit dem das Eis geschmolzen werden sollte. Die sechs Wissenschaftler steckten in dicken Anzügen, auch die Gesichter waren fast komplett verdeckt, sie trugen Sonnenbrillen nicht schneeblind zu werden. Vorsichtig näherten sie sich dem Ziel. „Hier müsste es ein“, sagte Claude. Der Laser war so schwer, dass er von zwei Personen getragen werden musste. Stanislaw und Shayan hatten sich dazu bereit erklärt. Das Ganze wurde von Torsten gefilmt und direkt in alle Welt übertragen.
Stanislaw und Shayan richteten den Laser auf die beschriebene Stelle. Der Schnee, der hier seit einer halben Ewigkeit gelegen hatte, schmolz in Sekunden. Nach zehn Minuten hatten sie eine Tiefe von zwölf Metern erreicht. Etwas Spitzes kam zum Vorschein. „Das muss der Turm sein“, rief Stanislaw aufgeregt und Shayan nickte. „Sollen wir Euch ablösen?“, fragte Nancy. Ohne auf eine Antwort zu warten, gingen sie und Feng zu den beiden Kollegen und übernahmen das Gerät. Nach weiteren dreißig Minuten war der Turm vollständig freigelegt.
„Du, Claude, hast diesmal die Ehre ihn zu berühren“, entschied Nancy. Die anderen stimmten zu. Der Franzose schritt ehrfurchtsvoll zu dem Fundstück. Er berührte den Turm. Es geschah das Gleiche wie auf dem Mars. Der Turm änderte seine Farbe und wurde goldfarben. Wie aus dem Nichts heraus, ertönte wieder eine Stimme, die ein jeder in seiner Heimatsprache hörte: „Wesen dieses Planeten. Eine lange Zeit ist vergangen, seitdem wir diesen Turm errichteten. Nun hat Ihr auch den zweiten Turm gefunden. Ihr werdet nun ein weiteres Geheimnis erfahren. Wir haben nicht nur diese Türme auf Eure Planeten gebracht, sondern auch das Leben. Nach Entstehung Eures Sonnensystems haben wir, nachdem sich die Gesteinsplaneten abgekühlt hatten, auf jedem von ihnen Sporen ausgesetzt, sofern dieses sinnvoll war. Den sonnennächsten Planeten haben wir ausgenommen. Wir hofften, dass die Saat zumindest auf einem der Planeten aufgehen würde. Daher erfolgte später die Verbringung der Türme. Nur intelligentes Leben kann diese aktivieren. Findet nun den dritten Turm, und Ihr werdet das Geheimnis unserer Herkunft erfahren.“
Alle sechs Wissenschaftler waren tief beeindruckt, ebenso die gesamte Menschheit. Das hatten so niemand erwartet, auch wenn manche Forscher schon lange vermuteten, dass das Leben seinen Ursprung jenseits unseres Sonnensystems hatte. Man dachte jedoch, dieses sei durch den Weltraum geflogen und hätte irgendwann die Erde getroffen. Dass das jedoch von anderen Wesen bewusst ausgesetzt wurde, hätte keiner erwartet. Jetzt galt es, einen Weg zu finden, zur Venus zu gelangen und wieder von ihr zu entkommen.
Bildmaterialien: www.eibe.de
Tag der Veröffentlichung: 10.09.2019
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