Hubert Hundertmarks Cousine Hermine ließ sich mit einen Seufzer auf ihren Bürostuhl nieder. „Nie wieder, nie wieder“, sagte sie mehrfach. Ihre Kollegin Roswitha fragte besorgt: „Was ist denn, Hermine? War das so anstrengend in Brandenburg?“ „Das kann man wohl sagen. Ich bin doch mit meiner Cousine Berta, Huberts Frau Wilma und deren Schwester Wanda im Hubert-Mobil durch das Land gekurvt. Was ich da alles erlebt habe! Nicht zu fassen! Nicht zu fassen!“
„Nun erzähl schon. Was war da los? Und warum seid Ihr nur mit Frauen losgefahren? Wo waren die Männer?“ „Nun, wir haben uns aufgeteilt. Hubert, Herbert, Norbert und Kunibert sind mit dem anderen Hubert-Mobil nach Sachsen gefahren, da wird ja auch der Landtag gewählt.“ „Ach, und ihr als Zweitvertretung durften dann Brandenburg abklappern! Na, ja.“ „So kannst du das nicht sagen. Auch dieses Land ist wichtig für die PDDS, sagt Hubert. Er ist aber noch sauer auf mich.“ „Warum das denn?“ „Ich habe doch hier in Bremen die Wahlunterlagen nicht richtig eingereicht, so dass wir hier bei der Bürgerschaftswahl nicht zugelassen wurden.“ „Aha. Das erklärt einiges, aber nun erzähle weiter von der Brandenburg-Tour.“
Hermine holte tief Luft und fuhr dann fort: „Wir fuhren also los und wollten vorher nochmal tanken. Sicher ist sicher. Da ist es dann passiert, na, ja, fast!“ „Lass mich raten. Du hast Benzin statt Diesel getankt!“ „Stimmt. Woher weißt du das? Hast du uns beobachtet? Berta hat da aber noch rechtzeitig gesehen und mich gewarnt. Sie kennt sich ja aus in so was.“ „Wieso? Nur weil sie in einem Chemielabor arbeitet?“ „Ja, genau. Wie auch immer, es ging ja gut. Unsere erste Station war Potsdam, die Landeshauptstadt. Ein wenig kannte ich mich da ja schon aus.“ „Ich weiß, weil du letztes Jahr statt nach Berlin zum Potsdamer Platz nach Potsdam zum Berliner Platz gefahren bist!“ „Ganz genau, Roswitha!“
Hermine nahm einen Schluck Kaffee und erzählte dann: „Unseren Stand bauten wir am Alten Markt auf, im historischen Zentrum. Mitten auf dem Platz war ein Obelix aus Stein...“ „Moment mal, Hermine kann es sein, dass du einen Obelisk meinst? Das erscheint mir wahrscheinlicher.“ „Ja, gut möglich. Immer musst du mich verbessern, Roswitha. Jedenfalls war es sehr schön da. Ich hatte mich ja schon letztes Jahr dort ein wenig umgesehen. Aber diese Alte Markt ist wirklich impotent, das muss ich sagen.“ „Hermine, wieso impotent? Meinst du eventuell imposant?“ „Ach, deswegen hat der Einheimische so böse reagiert, als ich das am Stand gesagt habe. Das tut mir jetzt wirklich leid. Wusstest du eigentlich, dass der alte Franz den Platz vor fast dreihundert Jahren entworfen hat? Das muss man wirklich gesehen haben.“
Roswitha ahnte, dass ihre Kollegin den „alten Fritz“ meinte, hatte aber keine Lust, sie schon wieder zu verbessern. Stattdessen fragte sie: „Ist dann noch etwas passiert in Potsdam? Wie ging danach weiter?“ „Am nächsten Tag ging es nach Frankfurt. Da habe ich mich zunächst gewundert, besonders als ich das Navi programmiert habe. Wir fuhren los, und nach einer halben Stunde bemerkte Wilma, dass wir in die falsche Richtung fuhren!“ „Kann das eventuell sein, dass du da wieder etwas verwechselt hast, Hermine?“ „Allerdings. Wer kann doch auch ahnen, dass es Frankfurt zweimal gibt. Ich wusste das jedenfalls nicht. Na, gut, wir sind dann umgedreht und in die richtige Stadt gefahren!“
„Na, schön. Und wie war es im richtigen Frankfurt?“ „Zum Anfang ganz gut. Wir hatten unseren Stand am dortigen Rathaus aufgebaut. Ich war gut gelaunt, bis das mit den Kondomen passiert ist.“ „Kondome? Ihr habt Kondome verteilt?“ „Ja, in unseren Parteifarben: Schwarz-Rot-Gold. Ich hatte unser Parteiprogramm dran getackert. Das war wohl keine so gute Idee.“ „Das glaube ich. Hat sich jemand beschwert?“ „Das nicht. Aber ein paar Jugendliche haben sich darüber lustig gemacht.“ „Ach, Hermine. Du nun wieder. Und: Habt Ihr Euch in Frankfurt noch etwas angesehen?“ „Ich wollte mir diesen berühmten Römer ansehen. Glaubst du, den hat jemand gekannt? Niemand. Nicht zu fassen! Nicht zu fassen!“
Roswitha schwieg lieber, schüttelte aber den Kopf. Hermine fuhr fort: „Am nächsten Tag sagte Berta dann, dass wir nach Brandenburg fahren. Da war ich wieder verwundert, weil wir ja schon in Brandenburg waren. Wusstest du, dass es in Brandenburg eine Stadt gibt, die Brandenburg heißt? Schon verrückt. Zuerst nennen die eine Stadt Frankfurt, obwohl es schon ein anderes Frankfurt gibt und dann heißt da eine andere Stadt so wie das ganze Land!“ „Hermine, stell dir vor: Ich wusste das! Und wie war es in Brandenburg in Brandenburg?“
„Wir standen am Archäologischem Landesmuseum im Paulikloster. Ich hatte deshalb extra einen Fanschal vom FC St. Pauli umgebunden, aber stell dir mal vor: Das hatte gar nichts miteinander zu tun!“ „Da wäre jetzt niemals drauf gekommen, Hermine. So etwas aber auch.“ „Jedenfalls war das so. Das sind schon seltsame Leute, da in Brandenburg! Auch die Sache mit dieser verrückten Kapelle St. Jakob. Dabei war die gar nicht verrückt, die hat man nur verrückt, vor über einhundert Jahren, um elf Meter.“ „Da sind wir ja wieder beim Fußball! Ist sonst noch etwas passiert in Brandenburg?“
„In der Stadt Brandenburg nicht, aber in dem Land schon. Am vierten Tag fuhren wir nach Cottbus.“ „Die Stadt mit dem Zungenbrecher!“ „Ganz genau. Aber die Einheimischen mögen das nicht.“ „Wieso das denn?“ „Unseren Stand hatten wir am Brandenburger Platz aufgebaut. Schon wieder so eine seltsame Bezeichnung. Na, ja, jedenfalls wollte ich die Stimmung etwas auflockern und da habe ich diesen Zungenbrecher vorgetragen. Irgendwann habe ich versehentlich Kotzbus gesagt, das kam gar nicht gut an!“
Roswitha seufzte. Sie konnte sich gut vorstellen, wie das abgelaufen war. Hermine fuhr fort: „Berta hat die Leute dann beruhigt. Das kann sie sehr gut. Kurz darauf kam ein Mann auf uns zu und ließ sich über unser Parteiprogramm informieren, er sprach sehr gut deutsch, obwohl er sagte, dass er Sorbe sei. Davon soll es in Cottbus einige geben. Als ich wissen wollte, ob er ein Rezept für eine sorbische Bohnensuppe hätte, wurde er jedoch böse. Das verstehe ich nicht, das verstehe ich nicht!“ Jetzt konnte Roswitha ein Lachen nicht mehr unterdrücken.
Hermine nahm das beleidigt zur Kenntnis und berichtete weiter: „Am fünften und letzten Tag waren wir in Oranienburg im Norden des Landes. Dort standen wir am Schloss, das war im holländischem Stil gebaut. In Oranienburg soll ein gewisser Herr Tane sehr aktiv gewesen sein, der war auch adlig. Er war Dichter und hat seine Wanderungen durch Brandenburg beschrieben.“ Roswitha fiel fast die Kaffeetasse aus der Hand. Es dauerte einige Zeit, bis sie begriff, wen Hermine meinte: Theodor Fontane.
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Tag der Veröffentlichung: 13.08.2019
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