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Einfach salzig

 

 

 

Edwin hatte sich vorgenommen, zu kochen. Das tat er nur selten, aber an diesem Tage hatte er einfach Lust dazu. Gulasch sollte es sein, das war zwar ziemlich zeitaufwendig, aber auch sehr lecker. Edwin besorgte sich alle Zutaten und schnippelte, schnitt und rührte. Das Fleisch köchelte vor sich hin, Edwin probierte. „Da fehlt noch etwas Salz“, stellte er fest. Er nahm den Salzstreuer, um eine Prise hinzuzufügen. Da passierte es. Der Deckel vom Streuer löste sich und der gesamte Inhalt fiel in das Gulasch. „So eine verdammte Scheiße!“, fluchte Edwin. Was sollte er jetzt tun? Zum Wegwerfen war es viel zu schade.

 

Ihm fiel sein Freund Walter ein. Der wusste bestimmt Rat. Kurz entschlossen rief er ihn an. „Hallo, Edwin. Was gibt es denn?“, meldete sich Walter. „Du, Walter, mir ist da etwas ganz Blödes passiert“, sagte Edwin und schilderte das Malheur. „Hm, das weiß ich jetzt auch nicht. Versuche es doch mal mit Lifehacks!“, riet sein Freund. Edwin bedankte sich, obwohl er etwas irritiert war. Was meinte Walter nur damit? Lifehex? Was war das? Aber beim Hexen erinnerte er sich an die schöne Hexe Sabira Blocksberg ein, die ihm und Walter schon zweimal geholfen, als Edwin zunächst riesig und später winzig war.

 

Edwin wählte die Nummer des Hexennotdienstes an: 0166/ 666666. Es tutete, dann hörte er: „Hier ist der Hexennotdienst. Alle Anschlüsse sind zur Zeit belegt. Sie werden mit der nächst frei werdenden Hexe verbunden. Bitte legen Sie nicht auf. Dieser Anruf kostet sie zwei Euro die Minute, bei Anrufen aus dem Mobilfunknetz können höhere Kosten entstehen.“ Walter hatte ihm damals gesagt, wie teuer das war. Aber das war jetzt egal. Es dauerte fünfzehn Minuten, dann kam Edwin durch. Er ließ sich sogleich mit Sabira verbinden. Diese erinnerte sich an ihm, auch wenn sie zuvor immer nur mit Walter telefoniert hatte.

 

„Ich habe wieder ein Problem“, erklärte er ihr und schilderte, was passiert war. „Das ist wirklich dumm. Aber für Kochrezepte sind wir Hexen eigentlich nicht zuständig“, antworte Sabira. „Walter hat gesagt, ich soll es mit Lifehex versuchen“, entgegnete Edwin. Sabira lachte. Sie war eine moderne Hexe und wusste, was Walter gemeint hatte. Heute hatte sie aber gute Laune. „Weißt du was, ich komme persönlich vorbei“, sagte sie ihm, ließ sich die Adresse geben, schwang sich auf ihren Besen und flog zu Edwin.

 

Es klopfte an der Glasscheibe zum Balkon. Edwin erschrak, dann fiel ihm ein, dass Sabira letztes Mal in Walters Wohnung auch so aufgetaucht war. Und tatsächlich: Da stand sie in voller Schönheit. Den Besen hatte sie unter ihrem Arm geklemmt. „Entschuldige, dass es solange gedauert hat. Es war ein ziemlich starker Flugverkehr. Außerdem ist mein Besen nicht gerade das neueste Modell. Ich wollte mir schon längst einen Staubsauger mit Turbolader kaufen. Aber ich rede und rede. Lass uns zu deinem Problem schreiten“, plapperte Sabira, nachdem Edwin sie in seine Wohnung gelassen hatte. Sie gingen in die Küche.

 

Das Gulasch schmorte immer noch auf dem Topf vor sich hin. Es roch köstlich. Sabira nahm sich einen Löffel und kostete vorsichtig. „Da ist aber wirklich sehr viel Salz drin. Bist du verliebt?“, fragte Sabira und grinste. „Mach du nur deine Witze. Aber nun sag: Kennst du einen Lifehex, um das rückgängig zu machen?“, antwortete Edwin. „Hm, einen Entsalzungszauber gibt es eigentlich nicht. Aber es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder hexe ich dein Gulasch in all seine Bestandteile zurück. Dann müsstest du aber noch einmal mit dem Kochen von vorne anfangen. Oder ich hexe eine Entsalzungsanlage her, die ist aber zu groß für deine Wohnung!“

„So ein Mist“, fluchte Edwin und ergänzte: „Gibt es nichts Einfacheres? Letztes Mal konntest du uns doch auch helfen!“ „Richtig, mein Kleiner. Da habe ich dich wieder groß gezaubert, als du in der Streichholzschachtel warst. Das war aber simpel. Nun, ich bin eine moderne Hexe und kenne die moderne Technik der Menschen. Du hat doch bestimmt einen Computer, oder?“ „Ja, schon, aber was willst du damit. Meinst du, du findest im Internet den passenden Zauberspruch?“

 

Sabira lachte und sagte dann: „Das nicht. Aber dein Freund sprach von Lifehacks, nicht von Lifehex. Das hast du falsch verstanden. Lifehacks sind Tipps aus dem Internet für alle möglichen Lebenslagen. Gib mal Versalzenes Essen in die Suchmaschine ein.“ Edwin tat, was ihm die Hexe geraten hatte. Und tatsächlich: Da waren dutzende von Vorschlägen zu diesem Problem. Drei davon erschienen Edwin am sinnvollsten: Es sollten entweder Butter, Zucker oder Kartoffeln hinzugefügt werden. Das waren alles Dinge, die er zu Hause hatte.

 

Sie gingen in die Küche zurück. Edwin nahm drei kleinere Töpfe aus einem Schrank und füllte jeweils eine kleine Menge von dem Gulasch hinein, um das auszutesten. Nach zwanzig Minuten probierten sie. Beim Topf mit dem Zucker waren sich beide einig, dass das jetzt noch scheußlicher war. Und auch die Butter half nicht weiter. Aber beim Topf mit der Kartoffel hatte es geklappt. Das Gulasch schmeckte hervorragend, auch wenn es recht kräftig im Geschmack war.

 

Folglich legte Edwin fünf Kartoffeln in den großen Topf und ließ das Ganze noch einmal eine Stunde schmoren. „So, jetzt kann gegessen werden. Du bist natürlich eingeladen, Sabira“, rief Edwin. „Wunderbar. Dann hexe ich uns jetzt aber noch einen Nachtisch herbei und auch Walter, wenn du nichts dagegen hast!“ Wenige Sekunden später fand sich der sichtlich überraschte Walter in Edwins Küche wieder. Auf dem Tisch stand eine riesige Portion Panna Cotta, daneben der Topf mit dem Gulasch und drei Teller. Die drei genossen das köstliche Mahl, das fast ganz ohne Hexerei zustande gekommen war. Und einen wunderbaren Rotwein hatte Sabira auch noch herbei gehext.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.kuechengoetter.de
Tag der Veröffentlichung: 05.08.2019

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