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Hubert in Sachsen

 

 

Ich, Hubert Hundertmark, war mit dem Wahlkampf-Mobil der PDDS, der Partei der Deutschen Sprache unterwegs. Mit meinen Brüdern Norbert, Herbert und Kunibert kurvte ich auf Stimmenfang durch den Freistaat. Am 01. September sind dort Landtagswahlen und wir werden dort hoffentlich in den Landtag einziehen. Da zeitgleich auch in Brandenburg gewählt wird, mussten wir Hundertmarks uns in zwei Gruppen für die Wahlkämpfe aufteilen: wir Männer in Sachsen und die Frauen, nämlich meine Cousine Hermine, meine Schwester Berta sowie meine Frau Wilma und ihre Schwester Wanda in Brandenburg.

 

Hermine hatte sowieso etwas gut zu machen, da sie in ihrer Heimatstadt Bremen die Anmeldung für unsere Partei bei den dortigen Wahlen zur Bürgerschaft im Mai vergeigt hatte. Sie hatte wohl einige Formulare verwechselt. So kam es, dass die PDDS dabei nicht zugelassen wurde. In Sachsen und in Brandenburg klappte das aber tadellos.

 

„Der sieht wirklich schick aus“, bemerkte Norbert als wir dem Schwarz-Rot-Gold lackiertem Hubert-Mobil standen. Mit dem Bären hatte das auf der Folie nicht mehr geklappt, so dass ein riesengroßes Konterfei von mir auf dem Bus prangte, obwohl ich gar nicht selbst zur Wahl stand. Aber was einer ehemaligen Verteidigungsministerin Recht ist, muss mir doch wohl billig sein. Übrigens war ich immer noch sauer auf Oskar, weil er, bei deren Wahl zur Präsidentin der Europäischen Kommission und seiner ungültigen Stimme unsere Partei lächerlich gemacht hatte. So ein Schaden muss erstmal ausgebügelt werden.

 

Frohen Mutes fuhren wir los. Es ging zunächst nach Dresden, in die Landeshauptstadt. Vor der weltberühmten Semperoper hatten wir unseren Wahlkampf-Stand aufgebaut. Es lag viel Informationsmaterial über die Ziele unserer Partei aus. Kunibert, der Anwalt, hatte sich einige witzige Werbesprüche ausgedacht und Plakate dafür entworfen, zum Beispiel: „PDDS, doppelt soviel D wie früher“. Komischerweise kam das gar nicht gut an. Auf weiteren Plakaten waren fremdsprachliche Begrifflichkeiten aufgeführt, welche wir durch deutsche Worte ersetzen wollten, z.B. „Zweite-Hand-Geschäft“ statt „Second-Hand-Shop“. Das hingegen fand großes Interesse und Begeisterung bei den Leuten.

 

Auch die im Wahlprogramm aufgeführten Ausdrücke, die den Verbraucher täuschten und verwirrten, wurden mit Verständnis aufgenommen. Künftig darf es eben nicht mehr „Sandkuchen“, „Teewurst“, „Windbeutel“ und „Schillerlocken“ heißen. Ein besorgter Bürger wollte wissen, ob der Dresdner Stollen auch in Zukunft einen anderen Namen bekommen würde. Das verneinte ich. Dahingegen werden sich demnächst Fußballer keine Stollen mehr unter die Schuhe schrauben, sondern Klötze.

 

Die zweite Station auf unserer Tour war Leipzig. Unseren Stand bauten wir am Naschmarkt auf, wobei es dort aber gar nichts zu naschen gab. Man erklärte uns, dass dort früher mit Obst gehandelt wurde, und dass der Name daher käme. Ich musste in diesem Zusammenhang gleich betonen, dass „Granatäpfel“ und „Flugananas“ eine grobe Verbrauchertäuschung darstellten. Gerade als Herbert einem jungen Mann mit einem Erfrischungsgetränk in einer blau-silbernen Dose in der Hand, beibringen wollte, dass das künftig „Roter Mann der Kuh“ heißen soll, kamen einige Anhänger des hiesigen Fußball-Vereins hinzu, denen das gar nicht gefiel. „Aus Salzburg haben wir dazu auch schon negative Post bekommen“, flüsterte ich Herbert zu. Ich konnte die Fußball-Fans dann noch besänftigen. Dieses seltsame Energiegetränk (Energy-Drink heißt es auch nicht mehr) mochten sie sowieso nicht. Sie tranken lieber Bier.

 

Unser drittes Ziel war Chemnitz. Gerade als wir unseren Stand am Marktplatz aufbauen wollten, stieß mich Kunibert an. „Schau mal, dort drüben!“, sagte mein Bruder und wies auf einen kleinen Laden gleich gegenüber. Da gab es allen möglichen Krimskrams, und das äußerst günstig: „Alles nur 1 Euro“ stand auf dem Schild. Wir stürmten das Geschäft und füllten jeder einen Einkaufswagen randvoll. Viele Dinge davon brauchten wir gar nicht, aber so ein Angebot musste man doch annehmen. Doch an der Kasse gab es eine böse Überraschung. Die wollten nicht einen Euro für alles zusammen haben, sondern für jedes Teil einen Euro. Immerhin wurden die Badelatschen nicht einzeln, sondern als Paar verkauft. Trotzdem beschwerte ich mich lauthals: „Das ist Betrug! Eine grobe Verbrauchertäuschung!“ Wir wurden des Ladens verwiesen und gingen, ohne etwas gekauft zu haben.

 

Danach bauten wir den Stand auf. Es gab die üblichen Dinge, die Wahlständen so verteilt werden: Kugelschreiber, Fähnchen, Aufkleber und Luftballons. Wir waren kaum fertig, als ein etwa achtjähriges Mädchen auf uns losstürmte und fragte: „Kann ich ein Luftballon?“ Das ging natürlich gar nicht! Deshalb fragte ich zurück: „Wie heißt das?“. Die Kleine war kurz irritiert und wiederholte dann: „Kann ich ein Luftballon, BITTE?“ Ich entgegnete: „Nein, so geht das nicht. Sag das bitte noch einmal richtig!“ Das Mädchen war offenbar nicht in der Lage eine korrekte Frage zu stellen, mit Subjekt, Prädikat, Objekt und korrektem Artikel. Sie fing an, zu weinen. Daraufhin stürmte der Vater herbei und schrie: „Bekommen wir jetzt einen Luftballon für meine Tochter?“. Das war zwar jetzt grammatikalisch richtig, hätte aber eigentlich bedeutet, dass uns der Mann uns ein Tauschgeschäft angeboten hätte. Ich hatte aber keine Lust, länger mit ihm zu diskutieren, und gab dem Mädchen einen Ballon. An unserem Parteiprogramm war der Mann seltsamerweise nicht interessiert.

 

Der vierte Tag der Sachsen-Tour führte uns nach Zwickau, der Stadt, in der früher der Trabant produziert wurde. Ich hatte an meine Brüder ausdrücklich appelliert, darüber keine Witze zu machen. Herbert war darüber enttäuscht, weil er einige davon auf Lager hatte. Unseren Stand bauten wir vor der Galerie am Domhof auf. Kunibert holte die Plakate aus dem Hubert-Mobil. Entsetzt sah ich, dass auf einem „PDDS: Darauf müssen Sie nicht zwanzig Jahre warten“ stand. Das Wort „Trabant“ war zwar nicht erwähnt, aber die Anspielung war eindeutig. Ich konnte gerade noch verhindern, dass das Plakat aufgestellt wurde. Doch dann sprach mich ein älterer Herr mit Hornbrille an: „Wissen Sie dann, wofür Zwickau bekannt ist?“ Ich schüttelte den Kopf, wohlweislich, um Konflikte zu vermeiden. Der Mann antwortete: „Der berühmteste Sohn unserer Stadt heißt Robert...“. „Wie jetzt Robert? Unser Onkel Robert ist doch schon tot. Und der kam nicht aus Zwickau“, mischte sich Herbert an. Der ältere Herr echauffierte sich: „Ich meine natürlich nicht Ihren Onkel. Ich meine Robert Schumann, der berühmteste Komponist der Romantik!“ Das war ziemlich peinlich. Ich verzichtete, darauf hinzuweisen, dass ich Beethoven bevorzuge.

 

Das letzte Ziel der Sachsen-Tour war Plauen, die fünftgrößte Stadt Sachsens. Den Stand bauten wir am Altmarkt auf, direkt vor der St. Johanniskirche. „Hübsch hier“, bemerkte Kunibert, als er sich umsah. Ein älterer Einheimischer, der das gehört hatte, erwiderte: „Die Stadt ist im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden, mehr als Dresden. Und 1989 fanden hier die ersten Großdemonstrationen statt, noch bevor es in Leipzig los ging.“ Der Mann war sehr sympathisch und wir kamen ins Gespräch. Wir erläuterten die Ziele unserer Partei, die ihm sehr zusagten. Er erwies sich als ein Großneffe von Erich Ohser, der unter dem Pseudonym „E.O. Plauen“ als Schöpfer der „Vater und Sohn“- Bildergeschichten bekannt wurde. Das zeichnerische Talent hatte der Mann von seinem Großonkel geerbt, und auch seinen Humor. Er versprach einige neue Plakate mit Zeichnungen im Stile seines Großonkels für uns zu entwerfen.

 

Bis auf ein paar Kleinigkeiten verlief unsere Wahlkampf-Fahrt sehr erfolgreich. Ich bin sehr gespannt, wie die PDDS bei den Wahlen abschneiden wird, und auch darauf, was Hermine, Wilma, Wanda und Berta von ihrer Rundreise durch Brandenburg berichten werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 03.08.2019

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