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Goldhamster sind goldig

 

Ich wollte als Kind immer eine Katze haben, meine Mutter war jedoch dagegen. Dann ergab sich jedoch etwas ganz anderes. Mein Schulkamerad Dieter fuhr mit seinen Eltern in den Urlaub und brauchte währenddessen eine Betreuung für seinen Goldhamster. Ich meldete mich freiwillig – mit Folgen. Der kleine Kerl begeisterte mich so sehr, dass ich nun unbedingt auch einen Hamster wollte.

 

Mit acht Jahren überblickt man nicht sofort die Folgen einer solchen Anschaffung. Meine Mutter monierte gleich: „Da bleibt die ganze Arbeit wieder bei mir hängen!“ Na, ja, zum größten Teil sollte sie damit Recht behalten.

 

Die Freundin der Freundin meines Bruders Achim konnte dann das liefern, was ich begehrte. Deren Hamsterdame hatte gerade Junge bekommen und so ging ich mit meiner Mutti dorthin, um mir einen auszusuchen. Leicht enttäuscht stellte ich fest, dass alle Hamster dort gar kein goldfarbenes Fell hatten, sondern dunkelbraun waren. Trotzdem wählte ich mir einen aus. Sie wurde „Nelli“ getauft.

 

Nelli war von Anfang an sehr zutraulich und ließ sich gerne auf die Hand nehmen. Ich holte mir einen ganzen Stapel Bücher aus der Stadtbücherei, um alles über Hamster zu erfahren. Wichtig zu wissen war, was sie fressen durften und was nicht. So waren zum Beispiel Rosinen tabu, da diese den Magen verklebten.

 

Ich war verliebt in Nelli. Alleine schon, wie sie das Futter in ihre Hamsterbacken stopfte, und dann in ihr Häuschen verschwand, als nichts mehr hereinpasste! Natürlich war man als Kind auch neugierig, wie schlau so ein Hamster ist. Mit meinem Freund Uwe baute ich ein Labyrinth aus alten Pappkartons, das nur einen Ausgang hatte. Darüber krabbeln war nicht möglich, da wir das Ganze mit ein paar flachen Kartons abdeckten. Dazu dienten Spieleschachteln. Dann setzten wir Nelli hinein. Sie schaffte es tatsächlich zum Ausgang, wenn auch nicht besonders schnell. Als Belohnung gab es eine Knabberstange.

 

Zwei Monate später, es war Samstag Nachmittag. Ich war draußen beim Spielen, die Gelegenheit nutzten meine Mutter und mein Bruder zum Reinigen des Hamsterkäfigs. Als ich nach Hause kam, rannte ich sofort zu meinem Hamster. Doch was war das? Der Hamster hatte plötzlich ein goldfarbenes Fell! Das war nicht Nelli! Was war passiert? Ich heulte wie ein Schlosshund. „Nelli, Nelli, wo ist Nelli?“, flennte ich. „Der Hamster hat sein Winterfell bekommen“, versuchte mir meine Mutter zu erklären. Mir war sofort klar, dass das gelogen war.

 

Mutti nahm mich in die Arme und erklärte mir, dass Nelli einen Unfall hatte. Sie war vom Küchentisch gefallen und hatte sich dabei das Genick gebrochen. Mein Bruder hatte einen Ersatzhamster besorgt, was seinerzeit an einem Samstagnachmittag gar nicht so einfach war, da ja damals um diese Zeit schon alle Geschäfte zu hatten. Es gelang ihm aber dann doch.

 

Ich wollte den neuen Hamster zunächst nicht akzeptieren. Nach ein paar Tagen änderte ich meine Meinung und taufte ihn „Conny“. Er war zunächst gar nicht so zutraulich und fauchte, wenn man ihn anfassen wollte. Doch schon bald gab sich das und er machte mir mindestens genau so viel Spaß wie sein Vorgänger. Conny erwies sich als erheblich geschickter und schneller. Den Pappkarton-Parcours bewältigte er in der Hälfte der Zeit. Gerne kletterte Conny am Inneren seines Käfigs hoch. Als er an dessen Decke angekommen war, kletterte er weiter – kopfüber. Das war toll!

 

In einem Buch las ich, dass man Hamster mitsamt Käfig in die Badewanne setzten sollte. Das tat ich dann auch. An der glatten Wand der Wanne versuchte Conny hochzuklettern, wobei er natürlich nach einiger Zeit zurückrutschte. Eine endlose Strecke in der Wüste, wie in der Heimat des kleinen Nagetiers! An sich war das eine tolle Idee. Aber dann war Conny eines Tages verschwunden. Wo war er? Man hörte ein seltsames Kratzen aus dem Inneren der Badewannen-Ummantelung. Diese bestand aus Sperrholz und war mit Fliesen-Attrappen verklebt. Conny musste dahinter sein. Vermutlich hatte jemand den Käfig zu nahe an den Rand der Wanne platziert, so dass der Hamster das kurze Hindernis überwunden hatte. Er musste sich danach irgendwie durch eine enge Öffnung der Ummantelung gezwängt haben.

 

Ich heulte, weil ich befürchtete, er könnte dahinter verhungern und verdursten und bestand darauf, die Ummantelung abzureißen, um ihn zu befreien. Es gab einige Diskussionen zwischen meinen Eltern und meinem Bruder. Eine Kosten/Nutzen – Abwägung, die aber meine Meinung nach klar zu entscheiden war. Plötzlich und unerwartet krabbelte etwas zu unseren Füßen: Conny hatte sich befreit. Ich war überglücklich und meine Familie auch. Das Fell des Hamsters war stark verschmutzt und glich nun fast dem seines Vorgängers. Er musste im Waschbecken mit einer lauwarmen Seifenlauge gebadet werden, was ihm gar nicht gefiel.

 

Einige Wochen später zog ein weiteres Haustier bei uns ein: Pucki, der Wellensittich. Er hatte ein grünes Gefieder und tat nicht viel, außer von einer Stange auf die andere zu hüpfen und Futter picken. Das war langweilig. Es reizte mich natürlich, auszuprobieren, wie eine Begegnung der beiden tierischen Bewohner ausgehen würde. Als Mutti beim Einkaufen war und Vati beim Arbeiten, war es Zeit dafür, das auszuprobieren. Ich nahm Conny in die Hand und setzte ihn auf den Vogelkäfig. Der Hamster war völlig uninteressiert, während Pucki aufgeregt hin und her flatterte. Nun steigerte ich das Crossover und setzte Conny in den Käfig hinein. Es folgte ein Protestpiepen des Wellensittichs, das sich noch steigerte, als Conny den Napf mit dem Körnerfutter plünderte. Dieser war rasch geleert und die Hamsterbacken voll. Ich beendete das Ganze und brachte den Hamster zurück zu seinem Käfig. Als Mutti zurückkam, war sie sehr verwundert, wie groß der Appetit des Vogels heute war. Ich erzählte nämlich nichts.

 

Über zwei Jahre später merkte man allmählich, wie Conny immer langsamer und träger wurde. Er war nun ein Opa und schaffte es auch nicht mehr, an die Decke seiner Behausung zu klettern. Als er es doch noch einmal versuchte, stürzte auf halbem Wege ab. Dann kam er gut eine Woche nicht aus seinem Häuschen und Mutti stand schon mit einem Pappkarton und einer Schaufel parat. Da merkte Conny wohl, dass es um ihn ging und er steckte sein Näschen aus seiner Behausung und schnupperte. Er war doch noch nicht tot! Ich jubelte.

 

Doch einige Wochen später lag er dann lang gestreckt im Käfig und bewegte sich nicht mehr. Jetzt war er doch gestorben. Wir begruben ihn in kleiner Schachtel im nahen Stadtwald. Ich war völlig fertig und maßlos traurig. „Jetzt gibt es keinen neuen Hamster mehr!“, entschied Mutti und dabei blieb es auch. Das gesamte Equipment (Käfig samt Inhalt) wurde verschenkt.

 

Vier Jahre später. Der Wunsch nach einem Haustier wurde wieder stärker. Mit den beiden Vögeln (Pucki hatte unterdessen einen Kameraden namens Hansi bekommen) wurde ich nicht warm. Es musste etwas zum Streicheln sein. So kaufte ich mir erneut einen Hamster, diesmal aus der Zoo-Abteilung von Karstadt. Einen Käfig übernahm ich von einer älteren Schulkameradin. Die Gitter des Käfigs waren weiß lackiert, das sah wunderschön aus. „Mein Hamster ist sehr jung gestorben“, erzählte die Schülerin noch. Das hätte uns ein Warnhinweis sein sollen.

 

Den neuen Hamster nannte ich „Winni“. Er war auch sehr lieb, aber irgendwie stellte sich eine solch herzliche Beziehung wie zu Nelli und Conny nicht ein. Ich war eben älter geworden. Als Winni nur etwa acht Wochen später dann plötzlich starb, war auch die Trauer bei mir bei Weitem nicht so groß. Der Grund des frühen Todes lag vermutlich an dem Käfig, beziehungsweise an der Lackierung. Die Farbe enthielt Blei, und da Hamster nun einmal gerne knabbern, war das für Winni tödlich. Solche Käfige dürfen für Nagetiere heutzutage nicht mehr verkauft werden.

 

Goldhamster sind zwar goldig, aber leider auch sehr kurzlebig, weswegen sie für Kinder eigentlich ungeeignet sind. Dazu kommt, dass sie Einzelgänger sind und nachtaktiv. Da ist so ein geselliges und robusteres Meerschweinchen doch wesentlich angebrachter. Ein „Meeri“ hatte ich allerdings nie, Katzen später aber schon, wie Ihr wisst.

Impressum

Bildmaterialien: www.zoo-busch.de
Tag der Veröffentlichung: 02.04.2019

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