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So ein Weihnachtsmann

 

 

 

 

Von meiner Zeit als Auszubildender im Einzelhandel hatte ich ja schon berichtet. Im dritten Lehrjahr bei der Firma Betten-Raymond war ich in der ersten Hälfte im Büro eingesetzt, was mir wesentlich mehr Spaß als der Verkauf machte. Im Dezember 1981 stand die alljährliche Weihnachtsfeier an. Man saß man gemütlich in den Büroräumen zusammen, um sich Wichtelgeschenke zu überreichen, heiße Getränke zu genießen und zu plaudern. Und einer der Mitarbeiter musste den Weihnachtsmann spielen. Nun war die Anzahl der männlichen Mitarbeiter damals sehr gering. Außer dem Personalchef, Herrn Bartels, gab es nur noch mich. Da Herr Bartels in den Vorjahren stets den Weihnachtsmann gab und er diesmal keine Lust mehr dazu hatte, musste ich wohl oder übel diese Aufgabe übernehmen.

 

Es war der 6. Dezember, also am Nikolaustag, als es so weit war. Ich hatte mich natürlich darauf vorbereitet, und zu jedem der Mitarbeiterinnen eine kleine Sache überlegt, die ich vortragen wollte. Da gab es zum Beispiel Fräulein Sievers, die immer wenn der Herr Bartels seine Mittagspause hatte, mit ihrem Freund in Hamburg telefonierte. Seinerzeit waren Ferngespräche noch sehr teuer. Zum Telefonieren begab sich die junge, hübsche Kollegin in das verglaste Büro des Personalchefs. Dort konnte man sie zwar nicht hören, aber beobachten. Außerdem sah man auf der Telefonzentrale, wie der Gebührenzähler der jeweiligen Leitung ratterte.

 

Eine andere Kollegin namens Meyerhöft war diejenige, die die Buchungen auf dem Geschäftskonto auf dem Computer zu verarbeiten hatte. Dieser Computer war ein sehr altes Modell für heutige Verhältnisse. Er hatte keinen Bildschirm, dafür Lochstreifen und Endlos-Papierrollen. Er war außerdem irrsinnig laut. Heutzutage findet man so etwas nur noch in einem Museum. Auf jeden Fall hatte Fräulein Meyerhöft die Angewohnheit sich immer in die Gespräche einzumischen, ohne Ahnung von dem jeweiligen Thema zu haben. Sie verwechselte auch immer alles. Später diente sie mir als Vorbild für die Figur „Hermine“ in meiner Hundertmark-Reihe. Natürlich hatte sich der Weihnachtsmann alles fein-säuberlich in seinem Aktenordner notiert und es wurde von mir vorgetragen. Auf den Einsatz der mitgebrachten Rute verzichtete ich aber.

 

Wir hatten außerdem eine weitere Auszubildende in dem Büro, die noch im ersten Lehrjahr war und Bürohandelskaufmann lernte. Fräulein Lehmann war auch nicht die Hellste, überspielte aber ihre Unwissenheit wesentlich geschickter. Jeder andere männliche Azubi war hinter ihr her, sie betonte aber immer, dass sie einen Freund hätte. Allerdings nahm sie das mit der Treue nicht besonders ernst. Das wollte ich beim Sündenauszug aber nicht thematisieren. Stattdessen ging ich auf ihre Unpünktlichkeit ein.

 

Jetzt waren nur noch vier Kollegen an der Reihe. Schwierig war es mit den beiden älteren Damen, die für die Geschäftskorrespondenz und die Werbeanzeigen zuständig waren. Sie saßen in den hinteren Büros und man sah sie kaum. Dann fiel mir aber ein, dass Frau Hermann und Frau Ebers sehr traurig darüber waren, dass vor einiger Zeit die benachbarte Konditorei zugemacht hatte. Die beiden waren dort sehr gute Kundinnen. Das wusste natürlich auch der Weihnachtsmann und er berichtete darüber.

 

Nun blieben nur noch Herr Bartels und Frau Reimann, die Lohnbuchhalterin. Oft dehnte Herr Bartels seine Pausen ausgiebig aus, so dass der Weihnachtsmann überrascht feststellte, dass er da war und nicht noch „zu Mittag“ sei. Frau Reimann war eine dienstbeflissene Kollegin ohne jeglichen Tadel, abgesehen davon, dass sie sehr klatschsüchtig war. Daher bedankte ich mich abschließend für die „große Hilfe die ich von Frau Reimann erhalten hatte“.

 

Es war eine lustige Weihnachtsfeier, die allen sehr viel Spaß gemacht hatte. Ich bekam für meinen Vortrag viel Lob und Lacherfolge, was mich sehr freute. Es waren ja keine großen Geheimnisse, die ich vortrug, sondern alles Dinge, die ohnehin jeder von den anderen wusste. Ich bekam jedoch nie wieder die Gelegenheit, den Weihnachtsmann zu spielen. Jahre später war ich aber zweimal als Knecht Ruprecht im Einsatz, und zwar bei den Nikolausfahrten bei einem Museumseisenbahnverein. Davon berichte ich ein anderes Mal.

 

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Tag der Veröffentlichung: 04.12.2018

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