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Kirschsuppe und ein heißer Sommer

 

 

Nele aß mit großem Appetit die Kirschsuppe, die ihre Mutti für sie zubereitet hatte. Die Kirschen stammten aus Opas Garten. „Mutti, gehen wir nachher zu Opa?“, wollte Nele wissen. Sie zappelte mit ihren Beinen, wie immer, wenn sie aufgeregt war. „Ja, Nele, gleich, wenn du aufgegessen hast, fahren wir los. Der Opa freut sich schon!“

 

Zehn Minuten später wollte Nele ihre Jacke anziehen, als sie sah, dass ihre Mutti die Autoschlüssel in die Hand nahm. „Nein, Nele, die Jacke brauchst du heute nicht. Es ist ganz doll warm draußen. Mit der Jacke kommst du nur ins Schwitzen.“ „Aber Mutti, neulich hast doch noch gesagt, dass ich die Jacke anziehen soll.“ „Ja, Nele, das war vor sechs Wochen, da war es noch viel kälter. Jetzt ist Mitte Juli und Hochsommer! Du solltest aber noch deine Mütze aufsetzen, Nele.“ „Warum das denn, Mutti? Du hast doch eben gesagt, dass es warm ist!“ „Nele, keine Widerrede! Die Mütze schützt dich vor der Sonne!“

 

Nele beschloss, dass sie nachher den Opa fragen wollte. Der konnte das bestimmt doch viel besser erklären, er wusste ja immer alles. Nele war aber nicht nur erfreut, dass sie den Großvater wieder sehen würde, sie war auch darauf gespannt darauf, wie hoch die Sonnenblumen, die sie im Frühling gepflanzt hatten, jetzt waren. Der Opa hatte ja gesagt, dass diese schon bald so groß wie ihr Papa sein würden.

 

Kaum war Nele mit ihrer Mutti in der Kolonie angekommen, als sie auch schon losstürmte. Der Opa stand, wie immer, an der Gartenpforte und nahm sie gleich in die Arme. Und da waren sie auch schon: die großen, großen Sonnenblumen. Sie waren tatsächlich viel, viel größer als letztes Mal. „Werden die noch größer, Opa? Wachsen die noch in den Himmel, so wie in der Geschichte, die mir Mutti vorgelesen hat?“ Unterdessen war Neles Mutter nachgekommen und erklärte: „Das ist die Story mit den Zauberbohnen.“ Der Opa nickte und antwortete: „Nein, Nele. So groß werden die Sonnenblumen nicht. Das gibt es nur im Märchen.“

 

Nele war leicht enttäuscht, aber gleich danach plapperte sie: „Du, Opa, warum ist es im Sommer so warm?“ Ihr Opa überlegte kurz, wie man das einem kleinen Kind einfach erklären konnte, dann sagte er: „Nele, wir grillen nachher, dann werde ich Dir das zeigen.“ Bevor der Opa den Grill aufbaute, ging er zum Kühlschrank, nahm eine Flasche heraus und kam mit dieser und drei Gläsern wieder. „Oh, es gibt wieder Kirschsaft, Opa!“, rief Nele begeistert und leckte sich die Lippen. „Der ist ganz frisch“, erklärte der Opa. „Na, Vater, Du trinkst doch bestimmt wieder deinen Wein, oder?“, wollte Neles Mutti wissen. Der Opa lachte und antwortete: „Ja, Du hast mich ertappt, Margot.“

 

Kurz darauf nahm der Opa den Grill, schüttete Holzkohle hinein und zündete sie an. Nachdem diese grau geworden war, holte der Großvater eine Tomate hervor und sagte: „So, Nele, nun stelle dir vor, dass der Grill dort die Sonne ist. Und diese Tomate, das ist die Erde.“ Der Opa hielt die Tomate leicht schräg, Nele sah aufmerksam zu. Schon kurz darauf wurde der Teil der Tomate, der nahe am Grill war, leicht braun.

 

„Siehst du, Nele, da ist jetzt Sommer“, sagte der Opa und wies auf die braune Stelle. „Weil es da wärmer ist?“, wollte Nele wissen. „Ja, ganz genau, mein schlaues Mädchen“, antwortete der Großvater und strahlte. Er hatte das sehr einfach erklärt, aber seine Enkelin war zufrieden. Das war die Hauptsache. „Nun wollen wir essen. Die Würstchen sind gleich fertig“, kündigte er an. Der Tisch war schon gedeckt. Außer dem Fleisch gab es einen leckeren Salat mit frischen Gurken und Tomaten aus seinem Garten.

 

Man setzte sich in den Schatten, in der Sonne war es nicht auszuhalten. „Dieses Jahr können wir uns aber über den Sommer nicht beklagen“, stellte Neles Mutti fest. „Mir ist es schon zuviel. Die Hitze macht mir zu schaffen. So ist es im Alter“, klagte der Opa. Er nahm einen großen Schluck von dem Wein. „Na, ob das das Richtige ist?“, fragte seine Tochter und lachte.

 

„Du, Opa, warum sind die Wolken dahinten so dunkel?“, wollte Nele wissen. Sie deutete auf dem Himmel. Da war tatsächlich eine große, schwarze Wolke, ansonsten war der Himmel strahlend blau. „Das ist eine Regenwolke, Nele. Vielleicht bekommen wir gleich einen kräftigen Guss“, antwortete der Großvater. „Ich habe auch schon etwas Grummeln gehört“, sagte Neles Mutter und ergänzte: „Ich denke, dass es noch etwas gibt. Die hatten im Radio eine Unwetterwarnung herausgegeben.“ „Ach, das zieht vorbei! Das Einzige was hier gegrummelt hat, war vorhin mein Magen“, widersprach der Opa. Er ergänzte: „Wenn es tatsächlich anfangen sollte zu gewittern und zu regnen, gehen wir eben in die Laube. Zu Futtern haben wir ja noch genug.“

 

Ein ferner Donnerschlag unterbrach die Diskussion. „Siehst du, was habe ich gesagt“, stellte Neles Mutter fest. Sie ergänzte: „Wir sollten jetzt lieber rein gehen. Ich habe tierische Angst vor Gewitter, das hatte ich schon als Kind, wie du weißt.“

„Immerhin regnet es nicht. Trockene Gewitter sind ungefährlicher“, bemerkte der Opa.

 

Als hätte Petrus dieses gehört, setzte leichter Regen ein. Grimmig begann der Opa mit Hilfe seiner Tochter damit, den Grill unter das Vordach der Laube zu schleppen. Eine Wurst purzelte herunter. Nele lachte. Missmutig saßen jetzt alle vor der Laube, geschützt von dem Vordach. Der Regen wurde stärker, wenige Minuten später pladderte es und kurz danach goss es wie aus Eimern.

 

Es donnerte heftig, Sekunden später zuckte ein heftiger Blitz über den mittlerweile dunklen Himmel. „Oh, das war nahe!“, sagte Neles Mutti besorgt und angstvoll. Der nächste Donnerschlag folgte, der Blitz kam unmittelbar danach. Er hatte gut dreißig Meter weiter in einen alten Apfelbaum eingeschlagen, der sofort Feuer fing. Nele schrie auf. Der nächste Blitz schlug in den Kirschbaum ein, auch dieser Baum brannte sofort. Er kippte um, zum Glück nicht auf das Gartenhaus.

 

Es donnerte abermals, aber diesmal schloss sich der Blitz erst einige Sekunden später an. Kurz danach war Ruhe, der Regen wurde schwächer und hörte bald darauf an. „Siehst du, Nele, auch das gehört zum Sommer“, sagte der Opa und ergänzte: „Auf jedem Fall hat es sich abgekühlt. Das tut mir gut.“ Er lehnte sich zurück und nahm einen großen Schluck von seinem Wein.

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Bildmaterialien: www.teddylingua.de
Tag der Veröffentlichung: 18.08.2018

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