Cover

Hubert wird Politiker

 

 

 

Ich, Hubert Hundertmark, habe einen Entschluss gefasst. Und zwar werde ich mein Leben grundlegend ändern. Nein, nicht dass Sie glauben, ich möchte mich von Wilma trennen oder gar scheiden lassen. Unsere Ehe verläuft jetzt wieder wunderbar und harmonisch, nachdem der Zwist wegen der Waschmaschine und den Lederjacken beendet ist. Außerdem komme ich meinen ehelichen Pflichten jetzt ordnungsgemäß nach. Also: Privat ist alles im grünen Bereich.

 

Vielmehr habe ich mich dazu entschlossen Politiker zu werden. Die bestehenden Parteien behagen mir alle nicht, da sich keine von denen wirklich aktiv und intensiv für den Verbraucherschutz einsetzt. Daher werde ich meine eigene Partei gründen, zusammen mit meinem guten Freund Oskar Plümecke, den ich vor ein paar Monaten an der Buxtehuder Tankstelle kennen gelernt habe, wie Sie sich vielleicht erinnern.

 

Oskar hatte mir berichtet, dass er vor Kurzem in New York war. Die Reise und den Hotelaufenthalt hatte er bei einem Preisausschreiben gewonnen. Man hatte Oskar in Amerika ständig mit anderen Leuten verwechselt, unter anderem mit einem „Kräsi“, einem „Zör“ und einem „Owa Zicksti“. Der liebe Oskar hatte dort enorme Probleme gehabt, weil er nicht richtig verstanden wurde.

 

Unsere Partei soll „PDDS, die Partei der Deutschen Sprache“ heißen. Deren Ziel wird außer dem Verbraucherschutz sein, alle Fremdwörter zu verbieten, und auch verwirrende und irreführenden Begriffen wie „Windbeutel“, „Granatäpfel“, „Kontaktspray“, „Marmorkuchen“, „Anmachholz“, „Büstenhalter“ und „Wachskerzen“ zu tilgen. Es wird Zeit, dass das endlich mal jemand anpackt.

 

Rasch fanden sich Gleichgesinnte, und so machten wir uns auf den Weg nach Berlin, zur Gründungsversammlung der Partei. Aus allen Teilen Deutschlands strömten Interessenten in die Bundeshauptstadt. In einem Hotel in der Nähe vom Potsdamer Platz hatten wir einen Tagungsraum gemietet. Mit dabei waren außer Oskar und mir meine Frau Wilma und meine Brüder Kunibert, der Anwalt, Herbert, der Nervenarzt und Norbert, der Programmdirektor von TELE 12. Berta, meine Schwester hatte keine Zeit und Hermine, meine Cousine wollte zwar kommen, hatte aber nicht den Weg gefunden, weil sie stattdessen nach Potsdam zu einem Hotel am Berliner Platz gefahren ist. Sie verwechselt ja alles, die Cousine.

 

Etwa zweihundert Leute waren gekommen. Vor dem Beginn der Versammlung wollten wir uns noch stärken, meine Familie und ich. Da gab es schon gleich wieder Ärger. In dem Imbiss neben dem Hotel wurde Döner angeboten, das esse ich recht gerne. Doch was musste ich da sehen? Die warben mit dem Spruch „Döner macht schöner“! Das war doch eine völlig überzogene und dazu unwahre Aussage! Abgesehen davon hatte das von uns nun wirklich keiner nötig. Ich wurde entsprechend laut und wies mal wieder auf meinen Bruder Kunibert und seiner Tätigkeit als Anwalt hin. Herbert hat dann aber vermittelnd eingegriffen, bevor es zu Handgreiflichkeiten kam. Der Typ im Imbiss sagte dann aber noch: „Denn geh doch zum Italiener nebenan. Pizza macht spitzer!“ Wilma fand das sehr komisch, ich aber nicht.

 

Im Hotel waren sie zunächst sehr nett. Dann jedoch bestellte Wilma „Rundstücke mit Frikadellen“ und „ein paar Berliner“. Waren die Hotelangestellten da sauer! Nun wusste ich zwar, dass „Rundstücke“ in anderen Teilen Deutschlands „Brötchen“ genannt werden, aber dass man dort in Berlin „Buletten“ statt „Frikadellen“ sagt, war mir vorher nicht bekannt. Und die „Berliner“ heißen dort „Pfannkuchen“. Sehr verwirrend, denn darunter verstehe ich etwas ganz anderes. Die wollten doch nur die Verbraucher täuschen.

Dann begann die Parteiversammlung. Wir waren uns rasch einig über unsere Zielsetzungen. Die Satzung und das Parteiprogramm würden wir ein anderes Mal beschließen. Zunächst einmal musste aber der Vorsitzende gewählt werden. Mit überwältigender Mehrheit wurde ich dazu ernannt, das machte mich mächtig stolz. Wilma nahm mich in die Arme und drückte mich. „Vielleicht wirst du mal Bundeskanzler“, sagte sie. Das wäre in der Tat wunderschön, dann würde sich einiges ändern in unserem Land. „Dann mache ich Buxtehude zur neuen Bundeshauptstadt“, entgegnete ich. Oskar meinte dazu: „Vorher müsst Ihr aber Eure Stadt noch aufhübschen, ganz besonders Euren Rathausplatz.“ Damit hatte er völlig Recht, wie ich selbst bemerkt hatte, als ich damals im Waschsalon saß.

 

Am nächsten Tag bei der Stadtrundfahrt sahen wir uns gründlich in Berlin um, meine Familie und ich. Der große Fernsehturm am Alexanderplatz war dann doch etwas zu mächtig, um dereinst auf dem Buxtehuder Rathausplatz zu stehen. Der Transport hätte auch ziemlich logistische Probleme gebracht. Und der alte Westberliner Funkturm sah eher wie ein Ölturm aus und gefiel uns nicht. Aber dann sahen wir die Siegessäule auf dem Großen Stern inmitten des Tiergartens – das war es doch! Sie wurde ja in den dreißiger Jahren schon einmal versetzt, wenn auch nur um anderthalb Kilometer. Mit siebenundsechzig Metern hatte sie genau die richtige Höhe für den Buxtehuder Rathausplatz.

 

Aber das waren alles noch Zukunftsträume. Erst einmal mussten wir die Wahl gewinnen, und dann musste es dazu kommen, dass Buxtehude Bundeshauptstadt werden würde. „Vielleicht fällt das Ding beim Transport noch um“, unkte Wilma. Na, so schlimm wird es schon nicht kommen. Da können Sie sicher sein.

 

 

 

 

 

Impressum

Bildmaterialien: www.berlin-lese.de
Tag der Veröffentlichung: 23.06.2018

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /