Enten mochte ich schon immer, auch als Kind. Nicht nur gebraten mit Rotkohl und Klößen, sondern ebenso lebendig. Sie sind doch schließlich viel hübscher als Hühner und Gänse. Als Beleidigung dienen sie allerdings auch, aber nur für Leute, die etwas langsam sind. „Dumme Ente“ würde nie jemand sagen.
Im Juni 1968 ging ich noch nicht zur Schule, es sollten aber nur noch wenige Monate bis zur Einschulung sein. In diesem Jahr wurde diese in Niedersachsen von Ostern auf dem Herbst verschoben, so dass der Jahrgang vor mir ein Kurzschuljahr hatte, was mir erspart blieb. Aber das nur am Rande.
An einem heißen Sonntagmorgen im besagten Juni stand mal wieder der wöchentliche Spaziergang mit meinem Vater an, diesmal aber nicht in den Wald, sondern in den „Stadthallengarten“. Dieser Park ist von Kleefeld fußläufig aus bequem zu erreichen und dort war nach dem Krieg die allererste Bundesgartenschau, auch wenn er schon über hundert Jahre alt ist.
Meine Mutter hatte eine große Menge hartgewordenen Brot zusammengesammelt und in mundgerechte Stücke zerpflückt. Mundgerecht? Nein, eher schnabelgerecht, denn das Brot sollte als Entenfutter dienen. Heutzutage weiß ich, dass das eigentlich ungeeignet für Enten ist, aber das war mir damals als Kind unbekannt und sicherlich auch unwichtig.
Wir standen ziemlich früh auf, was jedoch nicht an den hungrigen Wasservögeln lag. Schuld daran war „Emma“. So nannte ich die kleine Dampflok, nach ihrer Kollegin aus dem Kinderbuch „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“. Diese Lok fuhr damals noch von einer Abzweigung der Strecke nach Berlin parallel zum Messeschnellweg. Ziel war der Schlachthof. In den Wagons waren also Schweine und Rinder, deren letztes Stündlein geschlagen hatte. Auf dem Weg zum Stadtpark kamen wir an dieser Strecke entlang, die die Hauptverkehrsstraße „Hans-Böckler-Allee“ unbeschrankt querte.
Schnaufend und pfeifend näherte sich die kleine Lok. Ich war begeistert und froh, dass ich rechtzeitig geweckt wurde. Nachdem der Zug verschwunden war sagte mein Vater: „Nun aber zu den Enten“. Wir bogen in die Clausewitzstraße ab. Nur ein paar hundert Meter weiter war der hintere Parkeingang. Von da war es nicht zum Ententeich. Na, ja, ein richtiger Teich war es nicht, eher ein kleiner Swimmingpool, mit einer Betonumrandung. Den Enten war das aber egal.
„Pass auf, dass Deine neue Lederhose nicht nass wird“, mahnte Papa. Er setzte sich mit Blick auf mich und den Ententeich auf eine Parkbank, um eine zu rauchen. Als ich mich mit der Tüte mit dem alten Brot den Enten näherte, kamen diese laut schnatternd angeschwommen. Es waren vier erwachsene und mehrere kleine. Sie wussten offenbar, was ihnen angeboten wurde, verhungert sahen sie aber nicht aus.
Mit großem Spaß warf ich ihnen das Futter zu, immer darauf bedacht, dass alle etwas abbekamen. Dabei fiel mir auf, dass einem Küken, das besonders klein war, die Brocken von den anderen immer weggeschnappt wurden. „Diese kleine Ente muss auch etwas kriegen“, rief ich und beugte mich über. Wie bereits erwähnt, ging ich noch nicht zur Schule. Von Physik und dem Gesetz der Schwerkraft hatte ich folglich keine Ahnung. Daher passierte es: ich fiel ins Wasser, mitsamt der Brottüte. Das hatte zur Folge, dass alle Enten davonschwammen, auch das kleine benachteiligte Küken.
Mein Vater eilte zu mir und schimpfte zuerst einmal. Zum Glück war der Teich ganz flach, das Wasser stand mir nur bis zur Hüfte. Schwimmen konnte ich damals noch nicht. Ein Schreck war es trotzdem, für uns beide. Papa half mir aus dem Wasser, ein Handtuch zum Abtrocknen hatten wir natürlich nicht dabei. Das Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams war ja seinerzeit noch nicht geschrieben. Dort wird ja ausführlich beschrieben, wie wichtig es ist, immer zu wissen, wo man sein Handtuch hat. *
So musste die Sonne mich trocknen, was angesichts der Hitze kein Problem war. Nun sind Ententeiche im Allgemeinen aber nicht gerade mit sauberem Wasser gefüllt, so dass mir ein leicht modriger Geruch entströmte. Das führte dazu, dass wir schnurstraks nach Hause gehen musste, und meinem Vater der geplante Frühschoppen im „Milchhäuschen“ an diesem Sonntag entging.
Dieser Reinfall mit der Ente hat meine Sympathie zu diesen Wasservögeln jedoch nicht gemindert und die Lederhose hat das unfreiwillige Bad auch überstanden.
* Am 25. Mai wird international der „Towel-Day“ (Handtuchtag) begangen. Das ist der Todestag von Douglas Adams. An diesem Tag tragen Fans des Buches „Per Anhalter durch die Galaxis“ ein Handtuch mit sich herum oder wickeln es um den Kopf. Dies ist eine Reminiszenz an das Buch, bzw. an die gleichnamigen Filme und Serien, in denen ein Handtuch als „so ziemlich das Nützlichste“ bezeichnet wird, was man auf Reisen durch die Galaxis mit sich führen kann. Der Held Ford Prefect hat deswegen auf seinen Reisen stets ein Handtuch bei sich. (Zitat aus Wikipedia)
Bildmaterialien: www.oldthing.de
Tag der Veröffentlichung: 05.06.2018
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