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Die Zugehkatze

 

 

Es fing damit an, dass ich mir einen von diesen Saugrobotern zulegte. Sie wissen schon, das sind diese runde Dinger, die wie ein UFO aussehen und von alleine durch die Wohnung sausen, Hindernissen ausweichen und dabei alles sauber machen. Eine wunderbare Erfindung und ein Riesenspaß für Minka, meine etwas betagte Hauskatze. Sie setzte sich sofort darauf, als ich das Ding einschaltete und half somit beim Haushalt. Prima, dachte ich. Jahrelang habe ich die Mieze durchgefüttert, ihr Klo saubergemacht und sie ordnungsgemäß zum Tierarzt geschleppt. Gedankt hatte sie es mir zwar durch Schmuseeinheiten, aber wirklich geholfen hatte sie mir nicht, was wohl allgemein für Katzen oder andere Haustiere gilt. Gut, es gibt Hunde, die die Zeitung holen oder Brötchentüten schleppen, aber das ist wohl auch eher eine Ausnahme.

 

Nun, jedenfalls kam mir die Idee, Minka zur „Zugehkatze“ zu befördern, also ihr einen Teil der anfallenden Hausarbeiten zu übertragen: Putzen, Kochen, Abwaschen und so weiter. Außerdem ist Minka ein Weibchen und müsste demnach auch multitaskingfähig sein, also in der Lage sein, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Beginnen wollten wir mit dem Reinigen des schmutzigen Geschirrs, natürlich ohne Wasser, das mochte Minka nicht. Aber mit Begeisterung leckte sie die Teller, Pfannen, Tassen und Puddingschüsseln aus, mit etwas Übung auch die Gläser, sofern diese nicht zu tief waren. Beim Besteck beschränkten wir uns auf die Löffel. Nicht, dass Minka die Messer und Gabeln nicht geschafft hätte, aber hier war die Verletzungsgefahr zu groß. Es heißt ja: „Messer, Gabel, Schere, Licht sind für kleine Katzen nicht“.

 

Zwei Tage danach gab ich eine Party und schilderte mit Begeisterung Minkas Erfolge. Seltsamerweise gefiel das meinen Gästen nicht. Mit fadenscheinigen Entschuldigungen verließen sie fluchtartig die Feier. Das waren offenbar alles keine Tierliebhaber! Dabei hat das Geschirr geglänzt wie noch nie. Immerhin hielt mein Freund Edgar noch zu mir und zu Minka, was größtenteils daran lag, dass er weniger den Speisen, sondern mehr dem Bier zugetan war. Den Boden meiner Biergläser konnte meine Katze ja nicht erreichen.

 

Geht es Ihnen nicht auch so, dass Sie jede Menge Einzelsocken haben, bei denen ein Exemplar spurlos verschwunden ist? Nun, man kann auch rechts einen gelben und links einen pink-grün-gestreiften anziehen, aber selbst wenn man als Mann wenig modebewusst ist, sieht das doch etwas seltsam aus. Und den einzelnen Socken wegwerfen? Nein, aus Sparsamkeitsgründen scheidet das auch aus. Deshalb lautete die nächste Aufgabe für Minka: das Aufspüren verlorengegangener Socken und anderer Gegenstände. Allerdings musste ich ihr erst einmal beibringen, was ich von ihr wollte. Ich warf, ohne dass sie das sah, mein Portemonnaie unter mein Bett. Dann rief ich die Katze herbei und beklagte mit Inbrunst den Verlust der Geldbörse. Vor meinem Schlafplatz rief ich begeistert: „Aha“, kroch mühsam unter das Bett und holte sie hervor. Minka sah interessiert zu und wedelte mit dem Schwanz, was bei Katzen bekanntlich kein Anlass für Freude, sondern für Aufregung ist.

 

Nach mehreren Versuchen hatte die Mieze verstanden, was ich von ihr wollte. Mir war schon klar, dass nicht nur Socken wieder auftauchen würden. So war es auch. Das Erste, was Minka fand, war die seit fünf Jahren vermisste Eintrittskarte zum Abschiedskonzert der Rolling Stones. Gut, die Jungs sagen jedes Jahr, dass das ihre letzte Tournee wäre, aber ärgerlich war der damalige Verlust trotzdem, denn die Karte war sauteuer. Der zweite Fund war der linke Wildlederhandschuh, der seit langem verschwunden war. Ich hatte mir die Handschuhe erst zwei Wochen vor dem Verlust gekauft und eines Morgens nur noch den rechten auf der Kommode vorgefunden.

 

Als Drittes fand sich das Aufladekabel meines längst entsorgten Handys wieder, danach kamen mehrere Fahrradschlüssel zum Vorschein, gefolgt von etlichen Papiertaschenpackungen. Von meinen Socken jedoch keine Spur, erst recht nicht von meinem geliebten pink-grüne-gestreiften. Das alles war alles relativ wert- und nutzlos, bis auf den Handschuh. Trotzdem bekam Minka ihre Streicheleinheiten, denn sie konnte ja nicht wissen, was bedeutsam war.

 

Gemeinsam mit Edgar überlegte ich, welche Hausarbeit die Katze nun erledigen sollte. Mein Freund schlug vor, im Internet zu recherchieren, ob es schon jemand zuvor mit einer Zugehkatze versucht hat. Leider gab es bei Google nur 73 Treffer, aber wir fanden heraus, dass Herr Joseph Ratzinger, unser ehemaliger Papst, auch eine Zugehkatze hatte. Was lag da näher, als ihn anzurufen oder zu schreiben. Telefonisch konnten wir ihn nicht erreichen, daher schrieb ich ihm einen langen Brief, wobei ich gründlich überlegte, wie nun die korrekte Anrede sei. „Eure ehemalige Heiligkeit“ klang seltsam, „Lieber Joseph“ zu persönlich und „Hallo Ex-Papst“ zu flapsig. Ich befragte Minka, die nur mit „Mau“ antwortete. Das sagte sie immer, wenn ich von ihr wissen wollte, wie ihr der Film oder das Fußballspiel gefallen hatte. Sie war halt sehr kritisch. Kurzerhand ließ ich die Anrede weg.

 

Vier Wochen nachdem ich Herrn Ratzinger angeschrieben hatte, kam tatsächlich eine Antwort. Es war ein großer, reichlich verzierter Umschlag mit leichtem Weihrauch-Duft. Gespannt öffnete ich ihn. Zum Vorschein kam ein Foto mit einem persönlichen Autogramm für Minka und für mich, sowie eine ausführliche Antwort auf mein Anliegen. Herr Ratzinger klärte mich zunächst auf, dass seine Zugehkatze eher eine Zulaufkatze war, da sie ihm nicht im Haushalt geholfen hatte, sondern zugelaufen war, und auch nur gelegentlich bei ihm vorbeischaute. Nichtsdestotrotz liebte er Katzen, auch wenn für ihn eine Umbenennung in „Katzinger“ außer Frage stand. Das hätte auch etwas komisch geklungen. Zwei Vorschläge hatte der ehemalige Papst dennoch: Zum Einen sollte ich Minka für die Gartenarbeit einsetzen. Zum Zweiten hatte Herr Ratzinger die Idee, dass Minka die Einkäufe wegräumen könnte.

 

Ich testete zunächst die Gartenarbeit. Rasenmähen wollte Minka nicht. Vielleicht hätte ein Mähroboter geholfen, aber die Dinger sehen den Saugrobotern ja verdammt ähnlich und da hätte meinerseits durchaus eine Verwechslungsgefahr bestanden, mit fatalen Folgen. Aber es war ja Frühjahr und somit Zeit zum Säen. Jetzt musste ich der Katze nur noch beibringen, welche Pflanzen nebeneinander gehören und welche nicht. Dazu recherchierte ich im Internet. Wirsing passte zu Porree, Rote Bete, Sellerie, Spinat und Tomaten. Rhabarber vertrug sich mit Buschbohnen, Kohl, Salat und Spinat, und so weiter. Auch musste man zwischen sogenannten Schwachzehrern, Mittelzehrern und Starkzehrern unterscheiden. Das war alles gar nicht so einfach! Nicht für einen Menschen und erst recht nicht für eine Katze, deren Appetit auf Grünzeug ohnehin recht beschränkt ist. So erledigte sich das mit Minkas Gartenarbeit recht bald.

 

Nun galt es für Minka, meine Einkäufe zu verräumen: eine Ananas, sechs Eier, eine Salami, ein Stück Goudakäse, drei Joghurts sowie fünf Coladosen. Das hätte ich gerne beobachtet, doch das Telefon klingelte, und so verließ ich die Küche. Als ich zurückkehrte, sah ich die Bescherung: Die Wurst und der Käse waren angeknabbert, die Eier zerbrochen und die Joghurts teilweise geöffnet und angeleckt. Die Coladosen waren über die ganze Küche verteilt und hatten offenbar als Spielgerät gedient. Lediglich die Ananas stand unberührt an ihrem Platz. Minka erschrak und flüchtete unter das Bett, wohl wissend, dass sie ihre Aufgabe als Zugehkatze unzureichend erfüllt hatte.

 

Der Einsatz meiner Katze als Haushaltshilfe endete somit recht frühzeitig. Katzen eignen sich also doch nicht dafür, und sind auch nicht multitaskingfähig.

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Bildmaterialien: www.quickmeme.com
Tag der Veröffentlichung: 12.04.2018

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