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Wir sind die Roboter

 

 

 

Ich wurde 1974 Fan von „Kraftwerk“, der erfolgreichsten Elektro-Pop-Band der Welt. Fast jeder kennt „Autobahn“ und „Das Modell“ und diverse andere Hits von ihnen. Damals war ich total auf diese Musikrichtung abgefahren: alles elektronisch, keine „richtigen“ Instrumente. Meine Freunde, die sich alle für Rockmusik begeisterten, konnten dem nichts abgewinnen. Ich hatte seinerzeit mit meinem Kassettenrecorder und dem Plattenspieler einen sogenannten „Hit-Express“ zusammengestellt, wo jeder seine Lieblingsstücke vorschlug und wir danach darüber abstimmten, wer Sieger war. Bis auf „Das Modell“ scheiterten alle von mir benannten Kraftwerk-Titel gnadenlos. „Autobahn“ hätte sicherlich auch eine Chance gehabt, konnte aber auf Grund der Länge von über zwanzig Minuten nicht starten. Eine gekürzte Version lehnte ich rigoros ab, das war so für mich, als ob man von einem berühmten Kunstwerk (zum Beispiel der „Mona Lisa“) nur einen kleinen Ausschnitt zeigen würde.

 

Die Vorliebe für Elektro-Pop begann bei mir mit „Telstar“ von den Tornados aus dem Jahre 1962. Das ist noch heute der meistgekaufte Instrumentalsong aller Zeiten! Natürlich lernte ich dieses Stück, das dem ersten amerikanischen Nachrichtensatelliten gewidmet war, nicht als Baby kennen, sondern erst als mir mein Bruder Achim seine Singles überließ. Die Beatles und Manfred Mann fand ich ganz nett, aber fortan gab es für mich nur noch eines: elektronische Musik. Ich entdeckte auch noch die Shadows und die Spotnicks, welche allerdings auch „echte“ Gitarren einsetzten.

 

Und dann erschien „Autobahn“ von Kraftwerk. Wow! Das war Musik von einem anderen Stern und die Texte sehr extravagant. Mir lief es eiskalt dem Rücken herunter. Immer wieder spielte ich die LP. Ich prognostizierte meinen Freunden, dass in ferner Zukunft, die gesamte Musik so klingen würde wie Kraftwerk. Und tatsächlich sollte ich damit zum Teil Recht behalten, dann die Instrumente, die die Gruppe erfand, werden noch heutzutage eingesetzt. Ohne Kraftwerk gäbe es die Techno-Musik nicht! Meine Vorahnung erfüllte sich also tatsächlich, aber nicht so wie von mir erwartet. Eine andere Prognose meines Freundes Ingo, nämlich „Irgendwann wirst du von Kraftwerk genug haben“, sollte auch Wahrheit werden. Davon später mehr.

 

Unterdessen besaß ich alle Platten von Kraftwerk, auch die beiden Ersten, die wirklich sehr, sehr eingewöhnungsbedürftig waren. Wirklich toll waren neben dem „Autobahn“-Album aber noch die Alben „Radioaktivität“, „Trans-Europa-Express“, „Die Mensch-Maschine“ und „Computerwelt“. Aber was danach kam, war leider sehr, sehr schlecht.

 

Mein erstes und einziges „Live“-Konzert von Kraftwerk erlebte ich 1981 in der „Rotation“ in Hannover. Vier Typen standen da in schwarze Kleidung auf der Bühne herum und bewegten sich kaum. Waren sie es wirklich oder waren es doch nur Roboter? Ich war mir nicht sicher, ob sie selbst auftraten, denn in ihrer Heimatstadt Düsseldorf hatten die Jungs sich bei einem Konzert tatsächlich durch Roboter vertreten lassen. Die Musik kam da vom Band.

 

Wir sind auf alles programmiert und was du willst, wird ausgeführt
wir sind die Roboter, wir sind die Roboter
wir sind die Roboter, wir sind die Roboter
Wir funktioniern Automatik jetzt wolln wir tanzen Mechanik
wir sind die Roboter, wir sind die Roboter.

 

Mein Konzert in Hannover war jedenfalls gähnend langweilig! Eine große Enttäuschung für mich. Dessen ungeachtet blieb ich dem Elektro-Pop treu. Es gab ja auch noch Cluster, Michael Rother, Tangerine Dream, Wolfgang Riechmann und La Düsseldorf. Dann kam die „Neue Deutsche Welle“ auf. Das begeisterte mich so sehr, dass ich umschwenkte. Danach „entdeckte“ ich Rock und Folk und merkte, dass es auch noch andere Musik gab.

 

Viele Jahre hörte man nichts mehr von Kraftwerk. Bei der EXPO 2000 in Hannover erhielten Kraftwerk für viel Geld den Auftrag, den Song für die Weltausstellung zu komponieren. Oh Gott, oh Gott, was war das für ein Scheiß, was dabei herauskam! Dafür kassierten die Jungs so viel Knete, es war nicht zu fassen! Günter Jauch machte sich zu Recht über dieses Machwerk lustig, indem er es mit einer rostigen Gießkanne verglich. Spätestens jetzt war ich kein Kraftwerk-Fan mehr!

 

Ingo behielt also Recht, auch seine Vorahnung erfüllte sich.

 

Trotzdem nahmen Kraftwerk sehr großen Einfluss auf die Musikwelt und sie traten mehrfach bei der Comicserie Simpsons auf, was schon viel bedeutet. Und der Song „Computerliebe“ wurde in paar Takten in „Talk“ von Coldplay adaptiert, autorisiert von Kraftwerk.

 

Es ist wirklich schade, dass eine einst so großartige Band wie Kraftwerk derart in meiner Gunst sank. Aber die alten Stücke von ihnen, wie zum Beispiel „Autobahn“ höre ich auch heute noch immer sehr gerne, vierzig Jahre danach. Immerhin hat es die deutschsprachige Version des Stückes damals geschafft, mehrere Wochen Nummer Eins in den amerikanischen Charts zu werden. Dieses Kunststück gelang neun Jahre später dann auch noch Nena mit „99 Luftballons“.

 

Übrigens sagten Kraftwerk schon im Jahre 1981 auf dem Album „Computerwelt“ den Boom der Computerindustrie voraus:

 

Am Heimcomputer sitz ich hier
und programier die Zukunft mir.

Auf der gleiche Platte heißt es auch:

Interpol und Deutsche Bank, FBI und Scotland Yard,

Flensburg und das BKA haben unsre Daten da“.

 

Dem ist nichts mehr hinzufügen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.wikipedia.de
Tag der Veröffentlichung: 06.09.2014

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