Der Duft des Grillgutes drang schon in ihre Nasen, als Rainer und Tanja vor der Tür des Gartens ihrer Freunde standen. Marion stand an der Tür und begrüßte sie: „Hallo, schön dass Ihr da seid. Ronald hat den Grill schon angeworfen.“
„Hallo, Marion, das haben wir schon draußen gerochen. Wir haben ja wirklich Glück mit dem Wetter“, sagte Tanja.
„Das kann man wohl sagen, obwohl ja Unwetter angesagt waren. Andererseits wäre es schön, wenn es sich mal abkühlt und die Hitzewelle endet. Aber kommt doch rein.“
„Wir haben Euch auch etwas mitgebracht. Bitte sehr“ antwortete Rainer und überreichte Blumen für Marion und eine Flasche Rotwein für Ronald. Dieser kam hinzu: „Hallo, Ihr beiden. Setzt Euch doch. Meine Nachbarn sind auch schon da.“ Familie König vom rechten Nachbargarten und der Herr Gerber von der linken Seite hatten sich bereits auf der Hollywood-Schaukel platziert. „Was wollt Ihr trinken? Ein Bierchen?“, fragte Ronald.
„Warum nicht, der Tag ist ja noch lang“, antwortete Rainer und Tanja nicke.
Kurze Zeit später waren die ersten Würstchen fertig, die Nackensteaks und die Lamm-Koteletts brauchten hingegen noch ein bisschen. Marion hatte außerdem Nudelsalat und Schichtsalat gemacht und dazu gab es Zaziki, Schafskäse und zwei verschiedene Baguettes. „Ein Lob dem Grillmaster“, rief Rainer und formte seinen Zeigefinger und den Daumen zu einem Kreis, nachdem er in das Nackensteak gebissen hatte. Marion guckte leicht angesäuert, sie war es, die das Fleisch mariniert und vorbereitet hatte, aber die Anerkennung bekam wie immer nur ihr Mann. „Ja, ich finde, es geht nichts über Holzkohle, das schmeckt man sofort“, antwortete Ronald. „Nun, ich habe mir letzte Woche einen Gasgrill gekauft, der ist auch hervorragend. Und man riecht nichts, jedenfalls nichts Unangenehmes“, warf Herr Gerber ein.
Tanja schaute gen Himmel und sagte: „Schaut mal, da hinten ziehen dunkle Wolken auf und ich habe auch schon etwas Grummeln gehört.“ Ihr Mann widersprach: „Ach, das zieht vorbei! Das Einzige was hier gegrummelt hat, war vorhin mein Magen. Ronald, kann ich noch ein Bier bekommen?“
„Selbstverständlich, Rainer. Nein, ich glaube auch nicht, dass da noch etwas runterkommt. Wenn ein Gewitter aufzieht riecht man das vorher und schwül ist es auch nicht“, erklärte Ronald. Seine Frau schüttelte mit dem Kopf und sagte: „Ich denke doch, dass es noch etwas gibt. Die hatten im Radio eine Unwetterwarnung herausgegeben.“
Jetzt mischten sich die Königs ein. Robert König bemerkte: „Ja, das soll man nicht unterschätzen. Vor drei Jahren war da ein Gewitter in Sachsen-Anhalt bei einem Schützenfest. Der Blitz schlug in eine Hochspannungsleitung ein. Da alles unter Wasser stand, wurde die Elektrizität auf den Rasen übergeleitet. Es gab mehrere Tote!“ Seine Frau Roswitha entgegnete: „Robert, du bringst wieder alles durcheinander. Erstens war das vor vier Jahren und nicht vor drei, zweitens war das nicht auf einem Schützenfest sondern auf einem Konzert und drittens gab es nur Schwerverletzte und keine Toten.“
Ronald sagte: „Mensch, Leute, nun macht Euch mal nicht ins Hemd. Wenn es tatsächlich anfangen sollte zu gewittern und zu regnen, gehen wir eben in die Laube. Zu Futtern haben wir ja noch genug, grillen können wir ja auch drinnen.“ Marion wurde wütend: „Bist du bescheuert? Drinnen grillen? Weißt du wie gefährlich das ist? Schon einmal etwas von Kohlenmonoxyd gehört? Du hast sie doch nicht alle!“
Ein ferner Donnerschlag unterbrach die Diskussion. „Siehst du, was habe ich gesagt. Marion hat ja auch gewarnt “, stellte Tanja mit spürbarer Befriedigung fest. Sie ergänzte: „Wir sollten jetzt lieber rein gehen. Ich habe tierische Angst vor Gewitter, das hatte ich schon als Kind.“
„Immerhin regnet es nicht. Trockene Gewitter sind ungefährlicher. Denkt an Sachsen-Anhalt“, bemerkte Robert.
Als hätte Petrus dieses gehört, setzte leichter Regen ein. Grimmig begann Ronald mit Hilfe von Rainer damit, den Grill unter das Vordach der Laube zu schleppen. Eine Wurst purzelte herunter. Ronald schimpfte. Er hasste es, wenn er nicht Recht bekam. Außerdem ärgerte ihn, dass die Stimmung versaut war. Die drei Frauen räumten rasch die Salate, den Zaziki, die Schafskäsewürfel und das Brot beiseite und die beiden anderen Männer holten die Getränke herein.
Missmutig saßen jetzt die sieben Leute vor der Laube, geschützt von dem Vordach. Der Regen wurde stärker, wenige Minuten später pladderte es und kurz danach goss es wie aus Eimern. „Tja, so schnell kann das gehen. Nicht wahr, Schatz?“, stichelte Marion. Genüsslich schob sie sich etwas Schafskäse in den Mund, als es heftig donnerte, Sekunden später zuckte ein heftiger Blitz über den mittlerweile dunklen Himmel. „Oh, das war nahe!“, sagte Tanja besorgt und angstvoll. Sie rannte in die Laube und verkroch sich unter dem Tisch.
Zögernd folgte alle, bis auf Rainer und Ronald. Die beiden wollte sich keine Blöße geben, zudem sorgte sich der Gastgeber um seinen Grill. Der nächste Donnerschlag folgte, der Blitz kam unmittelbar danach. Er hatte gut dreißig Meter weiter in einen alten Baum eingeschlagen, der sofort Feuer fing. „Scheiße!“, rief Ronald und bekam es jetzt auch mit der Angst. Natürlich hatte seine Laube keinen Blitzableiter. Das war auch nicht vorgeschrieben und unnötige Kosten scheute Ronald. Er und Rainer gingen nun auch hinein.
Der nächste Blitz schlug in Ronalds Birnbaum ein, auch dieser Baum brannte sofort. Er kippte um, zum Glück nicht auf das Gartenhaus. Trotzdem schrien alle – verständlicherweise. „Oh Gott, oh Gott“, kreischte Tanja. Sie zitterte am ganzen Leib. Das förderte ihre Phobie noch mehr. Ihr Mann legte liebevoll seinen Arm um ihren Körper.
Es donnerte abermals, aber diesmal schloss sich der Blitz erst einige Sekunden später an. „Ich denke, wir haben es überstanden. Möchte noch jemand eine Wurst?“, fragte Ronald. Die Nachfrage hielt sich in Grenzen. Immerhin hatte es sich tatsächlich abgekühlt, im doppelten Sinn.
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2014
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