Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich von dem Vorfall auf der Hannover-Messe 2013 mit den freizügig bekleideten Mädels, der Herrn Putin mehr amüsiert als verärgert hatte, derartig geschockt, dass sie beschloss, umgehend in ein Altersheim zu gehen. Vorgeblich als Vorbereitung für ihre Demografiereise sah sie sich in einer gepflegten Residenz in der Nähe von Osnabrück um. Dort lebten die Senioren und Seniorinnen in einer Art Wohngemeinschaft. „Das hat mir dort sehr gut gefallen“, äußerte die Kanzlerin.
Als Frau Merkel jedoch die monatliche Summe erfuhr, die in der Residenz abverlangt werden sollte, änderte sie ihre Pläne und verabschiedete mit ihren Mitparlamentariern eine großzügige Erhöhung der Diäten, denn „das Ganze muss ja irgendwie finanziert werden“. Dieser Satz war nur auf sie persönlich gemünzt, sorgte aber sogleich für Bedenken beim Finanzministerium, denn die Staatskasse musste ja nun auch ausgeglichen werden. Der Vorschlag „Denn erhöhen wir eben die Steuern“ fand allseits keine Begeisterung, aber ein junger Abgeordneter aus dem Münsterland hatte in der Debatte eine zündende Idee, bei der die Produktivität der Bevölkerung verbessert werden sollte. Man wollte einen zusätzlichen Wochentag einschieben, natürlich nicht am Wochenende, das hätte ja nichts gebracht. Vielmehr gab es nunmehr deutschlandweit eine Sechs-Tage-Arbeitswoche, trotz heftiger Proteste der Gewerkschaften. Der neue Tag zwischen Mittwoch und Donnerstag wurde „Merkeltag“ genannt.
International wurde das mit Lob und Anerkennung aufgenommen, nach und nach schlossen sich alle europäischen Länder, die U. S. A., Kanada, Japan und fast alle süd- und mittelamerikanischen Länder an, allein schon, um das Chaos in den Handelsbeziehungen zu vermeiden. Natürlich bekam dieser Tag in den anderen Ländern jeweils einen anderen Namen, man besann sich auf die amtierenden oder ehemaligen Regierungschefs oder Staatsoberhäupter, in Frankreich auf Mitterand, in Italien auf Berlusconi, in Russland auf Putin und in England auf Margareth Thatcher. Nur die Griechen tanzten aus der Reihe und benannten den Tag aus Bosheit oder Sarkasmus ebenfalls nach Frau Merkel.
Selbstverständlich gab es sehr bald Unruhen in der Bevölkerung, denn trotz einiger Annehmlichkeiten wie zum Beispiel zusätzlicher Folgen der Daily Soaps überwogen doch die Nachteile. Man ging dazu über, am Merkeltag nur Dienst nach Vorschrift zu machen, wobei bei den Finanzämtern seltsamerweise kein Unterschied zum sonstigen Arbeitstempo zu bemerken war. Merkels Popularität sank rapide, Einladungen zu Grünkohlessen, Brückeneinweihungen und Straßenfesten wurden selten. Es drohte der Verlust ihres Amtes, da ihr alle die Schuld an dem Desaster gaben.
„Was machen wir jetzt? Den Tag wieder abschaffen?“, fragte Merkel in der Krisensitzung des Bundeskabinettes. Ein Minister der SPD schüttelte den Kopf und bemerkte: „Die Leute haben sich doch schon daran gewöhnt, genau wie an den Solidaritätszuschlag.“ Die Kanzlerin zog einen Flunsch und fuhr fort: „Ja, aber die neuesten Umfragewerte gefallen mir gar nicht. Wenn das so weiter geht, sind wir bei der nächsten Bundestagswahl in der Opposition – und zwar beide!“
Ganz so dramatisch kam es zwar nicht, aber bei der Wahl im Jahr 2017 zogen – nachdem das Verfassungsgericht zwei Jahre zuvor die Fünfprozentklausel für alle Wahlen für verfassungswidrig erklärt hatte – elf Parteien ein. In diesem recht bunten Parlament fand Frau Merkel keine Mehrheit mehr und erklärte danach ihren Verzicht auf ihr Mandat.
Sie zog – zusammen mit ihrem Mann – in die damals besuchte Seniorenresidenz ein. Ihr Kleiderschrank nahm die gesamte zweite und dritte Etage ein. Schließlich sollten ihre fünfhundertsiebenundneunzig Hosenanzüge ja alle untergebracht werden. Merkels selbst wohnten in der Ersten. Das Erdgeschoß teilten sich die übrigen Bewohner.
Den Merkeltag gibt es immer noch, heute im Jahr 2045.
Bildmaterialien: www.politiken.dk
Tag der Veröffentlichung: 29.04.2014
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