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Niemand ist so hochgestellt auf Erden

 

Ich muss immer an diesen Spruch denken, wenn Friedrich von Schiller erwähnt wird. In großen silbernen Lettern hing er an der Backsteinwand der Pausenhalle meiner Schule:

 

„Niemand ist so hochgestellt auf Erden als dass ich mich selber neben ihm verachte.“

 

Die Schillerschule in Hannover, ein neusprachliches Gymnasium, habe ich von 1972 bis 1979 besucht. Es gab in dieser Zeit einige skurrile Lehrerinnen und Lehrer, von einigen werde ich hier berichten. Da die meisten von ihnen wohl mittlerweile verstorben sein dürften und über sie auf „Stayfriends“ hergezogen wird, dürfte das kein Problem sein.

 

Da war zum Beispiel: Frau G., die Geschichte und Musik unterrichtete. Sie war damals Anfang vierzig, sah aber wesentlich älter aus. Altertümliche Kleidung, graue Haare, die zu einem Dutt geformt waren und eine Nickelbrille. So stellt man sich eine spießige Lehrkraft vor – das war sie auch. Im Musikunterricht gab es für sie nur Klassik und Barock, kein Jazz, Rock oder Pop. Den Unterrichtsstoff leierte sie herunter, was die Schüler daher langweilte. So kann man jungen Menschen den Spaß an Musik nehmen! Da dieser bei mir durch meine „Peter und der Wolf“ - Erlebnisse ohnehin ziemlich reduziert war, tat dieses nicht gerade zur Besserung bei. Ähnlich war es in Geschichte: Endlos hielten wir uns mit den alten Griechen und Römern auf und die Geschichtsdaten wurden von ihr abverlangt, ohne die wahren Hintergründe zu vermitteln. Dabei ist dieses Fach durchaus spannend, wie ich später bei Kollegen von Frau G. erfuhr. Andererseits hat sie sich als Prophetin erwiesen, da sie schon damals sagte: „Irgendwann wird es eine Wiedervereinigung Deutschlands geben“, damit jedoch nur Gelächter erntete.

 

Ganz anders war Frau M., zuständig für Französisch und Deutsch. Sie war ein paar Jahre älter als Frau G., aber sie gab sich jugendlich. Ihr Unterricht war flott, was ihrer Berliner Kodderschnauze geschuldet war. Sie war Tennisfan, Dalmatiner-Besitzerin und Peugeot-Fahrerin, davon berichtete sie unentwegt. Im Deutsch-Unterricht führte sie uns an Literatur heran, die ich heute noch schätze, so „Die neuen Leiden des jungen W.“ von Ulrich Plenzdorf oder „Der Fänger im Roggen“ von J. D. Salinger. In Französisch war ich nie gut, doch sie hatte stets Verständnis für die schwächeren Schüler und vermittelte ihnen Nachhilfeunterricht von Schülerinnen der höheren Klassen. Allerdings half mir das auch nicht viel, ebenso wenig wie einer Klassenkameradin, in der ich heimlich verliebt war.

 

Kommen wir zu den Fächern, in denen ich wesentlich besser war und die mir mehr Spaß machten, so z.B. Mathematik. Da gab es Herrn F., Anfang Dreißig, der im Kollegium einen schweren Stand hatte. Heutzutage würde man ihn als Nerd bezeichnen. Seinem Fach war er ergeben, auch wenn sein Unterrichtsstil aus damaliger Hinsicht recht unkonventionell war. Solche genialen Aussagen wie: „Wir bezeichnen die eine Gerade als die eine Gerade und die andere als die andere“ führten zu großer Heiterkeit der Schüler und brachten ihm des Öfteren Erwähnungen in unserer Schülerzeitung „Die Glocke“ ein. Während der Klassenarbeiten stellte er seinen Stuhl auf das Lehrerpult, um die Klasse besser beobachten zu können. Das machte sonst niemand! Nebenbei unterrichtete er auch noch Sport, eine offenbar beliebte Fächerkombination mit Mathematik. Warum eigentlich? Weil man denn in der Lage ist, die Tore beim Fußball zu zählen? Ich weiß es nicht.

 

Ein weiterer Mathematiklehrer war der kleine und schmächtige Herr L. Er war aber kein Sportler, Physik war sein anderes Fach. Ihn hatte ich erst in den letzten Jahren, in Klasse neun und zehn. Seine Hautfarbe war nicht rosa, sondern grau, was seinem erheblichen Zigarettenkonsum geschuldet war. Bei jeder sich bietender Gelegenheit rauchte er im Unterricht, ideal für Physik, um mit dem Rauch sonst nicht sichtbare Laserstrahlen zu präsentieren. Entsprechend roch er stets nach Aschenbecher. Kaum zu glauben, dass dieser Mann fünf Kinder hatte, darunter ein Zwillingspaar. Wir alle hätten gerne mal gewusst, wie die Frau eines solch äußerlich wenig attraktiven Mannes aussah, wir haben es nie erfahren.

 

Streiche wurde natürlich auch gespielt. So malten jedes Jahr die Abiturienten die Schillerfigur, die im Innenhof stand mit Farbe an. Irgendwann gab die Schulleitung entnervt auf und entfernte das Denkmal. Heutzutage steht es in der hannoverschen Innenstadt, in der Schillerstraße. Immer wenn ich daran vorbeigehe, muss ich immer an meine alte Schule denken.

 

Ein beliebter Gag war es auch, eine Schraube in die Klassenzimmertür zu stecken, so dass diese nicht geöffnet werden konnte, was den Unterrichtsbeginn erheblich verzögerte. Clevere Lehrer erkannten jedoch schnell, dass mittels eines kleinen Magneten der Störenfried schnell entfernt werden konnte.

 

Wenn ich so an meine Schulzeit zurückdenke, blicke ich viele unangenehme Erinnerungen zurück, letztendlich überwiegen jedoch die positiven. Es gab nette Lehrer, die tolle Pädagogen waren, und welche von denen man das nicht behaupten konnte, so z.B. Sportlehrer B., der während der Bundesjugendspiele einen Schüler verprügelte, weil dieser auf der Tribüne des Stadions gelärmt hatte. Folgen für den Lehrer hatte das jedoch nicht.

 

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.doatrip.de
Tag der Veröffentlichung: 13.02.2014

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