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Geht es dir wieder gut?

 

Es war zuerst ein Schock, als ich merkte, dass ich gestorben war. Nach dem Aufprall meines Wagens gegen den Baum fühlte ich mich zuerst benommen. Dann sah ich mein Auto – aber von oben! Ich schwebte über dem Geschehen. Ein paar Leute standen um das Fahrzeug herum, jemand sagte: „Da ist nichts mehr zu machen, der ist tot!“. Danach zog man mich heraus, ich sah schlimm aus.

 

Ich hatte immer gedacht, dass man eine Art Licht in einem Tunnel sieht und wunderschöne Musik hört, wenn man stirbt. Pustekuchen, nichts davon! Ich war ein Geist. Aber es ging mir gut, es ging mir nie besser. Früher habe ich mich immer amüsiert, wenn man mich nach einer Krankheit fragte: „Geht es dir wieder gut?“, und ich standardmäßig antwortete: „Gut nicht, aber besser.“ Dabei ist „besser“ doch eine Steigerung von „gut“, aber gemeint ist etwas anderes. Das ist genauso wie mit der „älteren Frau“ die im Normalfall nicht älter als eine „alte Frau“ ist, sondern jünger. Die deutsche Sprache ist schon manchmal seltsam.

 

Jedenfalls konnte ich als Geist nun endlich Dinge tun, die ich als Mensch nicht durfte, zum Beispiel Damenumkleidekabinen begutachten, was allerdings nicht immer ein Vergnügen ist. Spannend ist es auch, geheime Konferenzen beizuwohnen. Was ich da alles erfahren habe! Dumm nur, dass ich mein Wissen nicht weitergeben kann.

 

Andererseits fehlen mir auch Dinge: Ich schmecke, rieche und fühle nichts mehr. Sehen und Hören, das sind die einzigen Sinne, die mir noch verblieben sind. Nie wieder kann ich etwas spüren, wenn ich barfuß im Sand herumlaufe. Auch kann ich nicht mehr den wunderbaren Duft von Linden wahrnehmen. Ferner vermisse ich den Geschmack von Chili con Carne, von Schokolade und einem kräftigen Rotwein.

 

Als Geist kann sich eben nicht betrinken, was recht kurios ist, denn in einem guten Weinbrand steckt doch der „Geist des Weines“, so hieß es einst in der Werbung. Ein Geistlicher ist ebenfalls alles andere als ein Geist, er ist ein Vertreter Gottes auf Erden. Hingegen genießt ein geistig Umnachteter weit weniger unser Vertrauen. Beiden begegnet man aber höchst selten in einer Geisterbahn, was wohl nicht das Schlechteste ist. Und Brüder im Geiste sind diese in der Regel auch nicht.

 

Ja, es ist so, dass ich mich mittlerweile für das Geistsein begeistere, denn auch wenn viele geistlos sind bedeutet es ja nicht, dass sie den Geist los und somit entgeistert sind. Natürlich bin ich als Geist immer geistesgegenwärtig, wo auch immer ich herumgeistere.

 

Geisterfahrern bin ich bislang zeit ihres Lebens nicht begegnet, danach jedoch schon, sie waren immer sehr entgegenkommend. Sie wohnen auch nicht in einer Geisterstadt, das tut keiner von uns Mitgeistern.

 

Wenn jemand einen Geistesblitz hat, bewirkt das meistens keine Geisterbeschwörung, eher im Gegenteil. Das gilt auch, wenn derjenige Geisteswissenschaftler ist, wobei diese sich höchst selten mit Geistern befassen, obwohl sie geistreich sind.

 

Ach übrigens: Da wir Geister ja keine Speisen zu uns nehmen, können wir auch keinen geistigen Dünnschiss abliefern, oder doch?

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.fotocommunity.de
Tag der Veröffentlichung: 11.02.2014

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