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Auf Wiedersehen bis vorgestern

 

 

Es ist passiert und ich habe Schuld daran. Ich war ein glücklicher Mann mit einem wunderbaren Job, der mir viel Spaß gemacht hatte. Doch dann geschah das Unglück. Ich würde alles dafür geben, diesen verhängnisvollen Fehler rückgängig zu machen. Aber das geht leider nicht.

 

Es geschah am 17. April 2013, also vorgestern. Ich arbeitete bei der West Fertilizer Combany in der Buchhaltung der Chemiefabrik im Bundesstaat Texas, 29 Kilometer von Waco. An diesem Tage musste ich sehr lange arbeiten, da mir mein Vorgesetzter noch viel Arbeit aufgedrückt hatte. Grundsätzlich war das kein Problem für mich, wenn ich dann genug Kaffee trank. Doch leider war unser luxuriöser Automat kaputt. Mir fiel meine alte Kaffeemaschine wieder ein, die ich schon seit langem ausrangiert hatte. So konnte ich meine Sucht befriedigen.

 

Gegen 17 Uhr machte ich Feierabend, überglücklich alles geschafft zu haben. An alles dachte ich, nur nicht an die Kaffeemaschine. Es war ein sehr altes Modell, eines das noch eine Heizplatte hatte. So geschah es, dass ich das Gerät nicht ausschaltete. Sie war schon seit Stunden in Betrieb und dementsprechend überhitzt. Kurz vor 19 Uhr fing sie Feuer und setzte mein Büro in Brand. Dieser breitete sich in Windeseile aus und griff auf ein Anlagenteil über, welches explodierte, als Feuerwehrkräfte versuchten, die Flammen einzudämmen. Die Explosion zerstörte 142 Wohneineinheiten eines Apartmentgebäudes, die nahegelegene Mittelschule, 300 Häuser und zahlreiche Fahrzeuge. Es gab fünfzehn Tote, größtenteils Rettungskräfte.

 

19. April, fünf Minuten vor Mitternacht. An Schlaf war nicht zu denken, trotz der zahlreichen Drinks, die ich mir genehmigt hatte. Ich griff in die Schublade meines Nachttisches. Da musste sie sein, meine Pistole. Fast jeder in unserer Nachbarschaft hat so etwas, denn die Einbrüche in unserer Nachbarschaft hatten sich gehäuft. Ich lud die Waffe, hielt sie an meinem Kopf und drückte ab.

 

Ich erwachte und fand mich in meinem Schlafzimmer wieder. Seltsam, ich trug meinen Pyjama und der Wecker zeigte 6 Uhr an. Was war das für eine Hexerei? Ich müsste doch tot sein! Offensichtlich war ich das nicht. Verwirrt duschte ich, zog mich an und nahm die Tageszeitung aus meinem Briefkasten. Nun war ich noch überraschter. Sie trug das Datum vom 17. April 2013. Welcher Witzbold hatte sich das ausgedacht? Das war geschmacklos.

 

In der Morningshow meines Lieblings-Radio-Senders war alles wie immer, kein Bericht über die Katastrophe. Ich entschloss mich, zur Arbeit zu fahren, immer noch unter Schock. Alle Leute unterwegs verhielten sich völlig normal. Ich näherte mich der Fabrik und fuhr an der Mittelschule vorbei. Es gab sie noch, ebenso das Apartmentgebäude, die Häuser und die Fabrik. Kein Krater, keine Zerstörungen. Es war so, als ob nichts geschehen war.

 

Hatte ich eine Zeitreise gemacht und die Chance, das Unglück zu verhindern? Das konnte doch nur ein Traum sein! Aber es war alles real. Ich ging in mein Büro und setzte mich. Mein Chef, Mr. Bridges, betrat das Zimmer und knallte mir einen Stapel Akten auf den Schreibtisch. „Mr. Miller, das muss bis heute noch fertig werden, Sie müssen wohl heute Überstunden machen“, sagte er. Das waren genau die Worte, die letztes Mal fielen. Alles wiederholte sich. Ich nickte nur. Wenn jetzt auch noch der Kaffeeautomat kaputt wäre. Das war er tatsächlich.

 

Nun hatte ich zwei Möglichkeiten: Entweder die Mehrarbeit jemand anderen aufdrücken oder keinen Kaffee trinken. Ich entschied mich für das Zweite, auch wenn mir das sehr schwerfiel. Gegen 14.30 Uhr war ich todmüde, mir fehlte das Koffein. Jetzt musste ich unbedingt eine rauchen. Das ist in den Büros seit vielen Jahren verboten, deshalb ging ich auf die Toilette und zündete mir eine an. Auch hier war das nicht gestattet, aber dort sah mich keiner. Ich drückte die Kippe aus und warf sie danach in den Abfalleimer der Papierhandtücher.

 

Gegen 17 Uhr machte ich Feierabend, überglücklich alles geschafft zu haben. An alles dachte ich, nur nicht an den Abfalleimer. Kurz vor 19 Uhr fing er Feuer. Der Brand breitete sich in Windeseile aus und griff auf ein Anlagenteil über, welches explodierte – alles wiederholte sich, auch wenn aus einer anderen Ursache. Wieder gab es große Zerstörungen und viele Tote.

 

Und erneut saß ich am 19. April 2013 auf meinem Bett und machte mir schwere Vorwürfe. Ich würde alles dafür geben, diesen verhängnisvollen Fehler rückgängig zu machen. Sollte ich es noch einmal wagen? Letztes Mal hatte es ja auch geklappt, zumindest zum Teil. Fünf Minuten vor Mitternacht. Ich griff in die Schublade meines Nachttisches, nahm meine Pistole und drückte ab.

 

Ich erwachte und fand mich in meinem Schlafzimmer wieder. Hatte es funktioniert? Tatsächlich fand ich wieder die Zeitung von vorgestern im Briefkasten vor. Nun hatte ich erneut die Chance, das Unglück zu verhindern.

 

Beglückt fuhr ich zur Arbeit. Diesmal würde ich den anderen Weg wählen. Als Bridges mein Büro betrat, griff ich mich an die Wange und täuschte Zahnschmerzen vor. Ich konnte also unmöglich Überstunden machen! Grummelnd ging mein Chef hinaus und machte sich daran, die Arbeit selbst zu erledigen. Ich meldete mich ab und fuhr nach Hause.

 

Gegen Mittag entdeckte Bridges meine alte Kaffeemaschine und nahm sie zu sich. Auch er war koffeinabhängig und war froh, diese Sucht befriedigen zu können. Gegen 17 Uhr machte er Feierabend, überglücklich alles geschafft zu haben. An alles dachte er, nur nicht an die Kaffeemaschine. Diesmal brannte sein Büro und es kam erneut zur Explosion. Auch diesmal mussten viele Leute sterben.

 

Die vierte Chance. Um 23.55 Uhr erschoss ich mich ein weiteres Mal und wachte – wie erwartet – am 17. April auf. Ich hatte eine Idee. Diesmal musste es funktionieren. Gleich, als ich mein Büro betrat, rief ich den Monteur an, damit dieser den Kaffeeautomaten reparierte. Er kam gegen Mittag. Die Katastrophe geschah niemals. Ich hatte es geschafft.

 

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Die Explosion in der Chemiefabrik ist real, alles andere ist Fantasie.

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.wikipedia.com
Tag der Veröffentlichung: 11.01.2014

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