Es begann gegen Ende des Jahres 2013, also vor fast zwanzig Jahren. Damals stand in den Zeitungen (die Älteren unter Ihnen werden sich noch daran erinnern, was das war), dass ein bekannter Internetversender plant, künftig die Pakete mittels Drohnen zuzustellen. Das wurde damals noch milde belächelt. Wenige Wochen später teilte die Post mit, dass auch seitens dieses Konzerns ähnliche Pläne in der Schublade lagen.
Richtig los ging es dann knapp neun Jahre später, am 01. Juli 2022. Der letzte verbliebene Paketbote wurde entlassen, nachdem sein mechanischer Kollege in Hamburg-Altona auch das dortige Zustellgebiet übernahm. Dem schlossen sich nach und nach sämtliche Pizza-Bringdienste an. Bald darauf hatte der Drohnenverkehr derartig zugenommen, dass umfangreiche Regelungen in Kraft traten, so z.B. Drohnenverkehrsverordnungen und Nachtflugverbote innerhalb geschlossener Ortschaften.
Leider ist die Trefferquote der Drohnen noch immer nicht hundertprozentig genau. So landete vorletzten Monat mein bestellter Goldhamster statt auf meinem Balkon auf dem meiner schwerhörigen Nachbarin, Frau Rosa Niemüller. Die betagte Dame vernahm daher nicht das verzweifelte Quieken des armen Tieres, das nicht nur recht hungrig und durstig war, sondern auch trotz seines Felles erbärmlich fror. Eine Woche später entdeckte Frau Niemüller dann den Hamster, der nunmehr zwar schwieg, aber das leider für immer. Mit den Worten: „Das Haus stiehlt nicht, es versteckt“ übergab sie mir den Leichnam.
Ärgerlich war auch das, was meinem Neffen Marvin vor drei Wochen widerfuhr. Er hatte seiner geliebten Leonie eine Heiratsantragsdrohne schicken wollen. Diese kollidierte kurz vor ihrem Ziel mit einer von rechts kommenden Mülldrohne, die an dieser nicht durch Lichtzeichenanlagen geregelten Kreuzung eindeutig Vorfahrt hatte. Das brachte die Liebesbotin vom Weg ab und sie landete stattdessen im Vorgarten von Leonies Nachbarin Kerstin, die auch ein Auge auf Marvin geworfen hatte und sich über den vermeintlichen Antrag maßlos freute, sehr zum Missfallen von Leonie. Diese hatte daraufhin eine Schlagdrohne zu Marvin geschickt, welche fatalerweise ihr Ziel präzise erreichte.
Auch die Verbrecher haben umgerüstet. Was war das noch für eine Aufregung als eine Banküberfallsdrohne im Mai 2028 die Sparkasse im Berliner Großflughafen um vierzigtausend Euro erleichterte. Darüber regt sich heutzutage niemand mehr auf, seit die Polizeidrohnen erheblich aufgerüstet wurden und ihre mechanischen Brüder der Gegenseite gnadenlos bekämpfen. Allerdings: Jeder Drogendealer, der etwas auf sich hält, liefert seine Waren nicht mehr selbst aus, sondern schickt seine Flugroboter zu den Kunden. Ja, es hat sich wirklich viel geändert auf der Welt.
Bedingt durch den Einsatz der Drohnen sind viele Arbeitsplätze weggefallen: Wer kennt heutzutage noch Berufe wie Kellner, Barkeeper, Postzusteller, Paketboten oder Müllmänner? Selbst Särge werden ja seit geraumer Zeit mittels extra verstärkter Drohnen an das offene Grab gebracht. Ihre Kollegen, die für Urnenbegräbnisse zuständig sind, haben es im wahrsten Sinne des Wortes erheblich leichter.
Andererseits ist bei der Drohnenzulassungsverwaltung, bei deren Herstellung, der technischer Überwachung und der Drohnenstrafzettelstelle der Personalbedarf außerordentlich gestiegen. Etwa sechsunddreißig Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind direkt oder indirekt mit Drohnen beschäftigt.
Vor drei Jahren wurde erstmals in einem Fußballbundesligaspiel von Borussia Dortmund gegen Schalke 04 Drohnen von den Fans in das Stadion geschmuggelt. Die Flugroboter stibitzten die Fahnen der Gegner oder nervten diese mit schrillen Tönen oder Hassgesängen. Binnen kurzem geriet Pyrotechnik außer Mode.
Aber es regt sich auch Widerstand: In Quickborn hat sich vor Kurzem die Partei „Voll die Drohnung“ gegründet, deren Ziel es ist, die Drohnenanzahl drastisch zu reduzieren oder Warnhinweise an deren Außenseite anzubringen. Angedacht sind Sprüche wie „Drohnen gefährden Ihre Gesundheit“ oder „Drohnen können Ihnen oder Ihren Mitmenschen erheblichen Schaden zufügen“. Ich werde die VDD auf jeden Fall wählen! Und Sie?
Bildmaterialien: www.zeit.de
Tag der Veröffentlichung: 10.12.2013
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