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Klauer bucht blau

 

 

"Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt," schrie das Männlein und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, dass es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und riss sich selbst mitten entzwei.

 

Ja, so heißt es. Glauben Sie wirklich, dass es so war? Wenn ja, dann will ich Ihnen sagen, was tatsächlich passiert war. Es stimmt, dass diese blöde Müllerstochter meinen Namen herausgefunden hat. Ich war da wirklich sehr wütend. Aber die Sache am Schluss, das war nur ein Zaubertrick, den mir der mächtige Laarmurr beigebracht hat. Alle dachten, ich wäre tot. So konnte ich mich klammheimlich in das Reich der verlorenen Magie verdrücken.

 

Für Sie ist das die ganz normale Welt, für mich war das am Anfang ganz schön verwirrend. Das begann schon, als ich mich ordnungsgemäß beim Amt anmelden wollte. „Wie lautet Ihr Name?“, wollte der Mann am Schalter wissen. Unglaublich, dass das sogar hier so ablief. Aber Sie kennen mich ja, so schnell gebe ich meinen Namen nicht preis. Ich wollte ihm die üblichen drei Tage Zeit geben, ihn zu erraten. Doch der Beamte war ziemlich humorlos und hatte darauf gar keine Lust. Widerwillig fügte ich mich und antwortete schließlich: „Rumpelstilzchen.“

„Rumpel ist also Ihr Vorname, Herr Stilzchen?“ Auch wenn dieses nicht ganz der Wahrheit entsprach, so nickte ich doch. Die Frage nach dem Wohnort beantwortete ich mit: „Mitten im Wald.“ Nun war es hinter mir etwas laut, so dass der gute Mann lediglich „Mittenwald“ notierte. „Und die Straße?“ Ich hatte keine Ahnung, was so etwas war, und murmelte so etwas wie: „Dazu hätte mir Laarmurr auch etwas sagen können.“ Daraus wurde dann „Ludwig-Murr-Straße“ gemacht. „Hausnummer?“, fragte der Beamte. „Sieben“, sagte ich, um die Angelegenheit zu beschleunigen.

 

Das war eine harte Arbeit, auch für eine Märchenfigur. Laarmurr hatte zwar gesagt, dass in dieser Welt einiges anders ist als bei uns, aber so etwas hatte ich nicht erwartet. Doch es kam noch schlimmer. Ich sollte dafür auch noch eine so genannte „Gebühr“ entrichten. Natürlich hatte ich nicht die Münzen dabei, mit denen man in dieser Welt bezahlt, aber mit den drei Golddukaten aus meinem Beutel gab er sich zufrieden.

 

Hungrig schlich ich von dannen. Ich ging an einem Gebäude vorbei, dem ein wunderbarer Geruch entströmte. Laarmurr, Kaarkaar und der Kobold Paartirr hatte von wundersamen Gebräuen berichtet, die müde machten und eine seltsame Wirkung hatten. Ebensolches hatte die Leute, die auf langen Bänken saßen vor sich und auch leckeres, gebratenes Huhn. Mir knurrte der Magen. Dann ich war ja soeben meines gesamten Geldes verlustig geworden und hatte nunmehr ein Problem. „Umsonst gibt es da nichts. Die wollen immer einen Fuffi haben“, hatte mir Kaarkaar erklärt.

 

Ich besann mich meines Talentes. Nun musste ich nur noch etwas Stroh und ein Spinnrad finden. Das war einfacher gedacht, als getan. Als ich die Menschen auf der Straße mit: „Verzeihung, wo kann ich hier spinnen?“, ansprach, erntete ich nur Gelächter. Und die konkrete Frage nach einem Spinnrad führte mich in einen Laden, in dem es eigentümlich roch und wo es alles Mögliche gab, nur nicht das Gesuchte. Ich war am Verzweifeln. Vor einem großen Gebäude mit einem hohen Turm hockte ich mich nieder und legte meinen Hut vor mir ab. Nach kurzer Zeit fand ich dort mehrere Münzen, die die Leute hineingeworfen hatten. So lief das hier also ab, man bekam Geld für Nichtstun. Beglückt steckte ich das Erworbene in meinen Beutel.

 

Voll Vorfreude begab ich mich zu dem Haus mit den langen Bänken und schüttete die Münzen auf den Tisch. Eine dickliche Frau rief aus: „Moach, dass de wegkimmst“ und warf mich buchstäblich hinaus. „Schleich Di“, ergänzte sie noch. Das war nicht gerade freundlich gemeint. So viel hatte ich verstanden, trotz der seltsamen Sprache. Ein paar Schritte weiter erblickte ich ein anderes Wirtshaus mit goldenen Bögen davor. Dort war man viel netter zu mir. „Haben Sie dieses Gebräu, dass müde macht?“, wollte ich wissen. Die junge, blonde Frau lachte und antwortete: „Naaa, a Moass kinnst nitt krigge. Möchst a Meckripp und a Kohler?“ Ich hatte keine Ahnung, was das war, aber ich nickte. Man brachte mir das Gewünschte.

 

Ich biss hinein. Es schmeckte furchtbar. „Guck mal, Mutti. Der Opa isst die Pappe“, rief ein kleines Mädchen. Alles lachte. „Sie sind wohl nicht von hier, junger Mann?“, fragte mich die Frau daneben, offenbar die Mutter des Kindes. „Richtig. Ich komme aus dem Reich der weißen Magie. Laarmurr hat mir hierher verholfen“, antwortete ich. „Mutti, Mutti, das ist ein Zauberer!“, sagte die Kleine. Sie strahlte. „Kannst du mir ein Kaninchen herzaubern?“, wollte sie wissen. Ich sagte: „Nein, das kann ich nicht. Aber ich kann Stroh in Gold verspinnen“, erklärte ich ihr wahrheitsgemäß. Das Mädchen krähte: „Du bist Rumpelstilzchen!“ Fast hätte ich geantwortet: „Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt!“, aber das erschien mir unpassend. „Kerstin, du bist vorlaut. Außerdem habe ich dir schon oft erklärt, dass man nicht jeden gleich duzt“, sagte ihre Mutter und fuhr fort: „Sie müssen schon verzeihen. Meine Tochter ist manchmal sehr direkt. Sie wollte sie nicht beleidigen. Aber ich muss sagen: ein bisschen sehen Sie schon so aus.“

 

Ein Mann tippte mir auf die Schulter. „Darf ich mal stören? Ich habe das zufällig mitbekommen. Sie sehen wirklich – sagen wir – ungewöhnlich aus. Solche Leute suchen wir. Ich arbeite beim Fernsehen. Wir planen eine neue Sendung. Der Arbeitstitel lautet `Klauer bucht blau´. Witzig, nicht wahr? Kommen Sie doch mal zu unserem Casting!“, sagte der Mann. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte.

 

Schon kurz darauf erfuhr ich, was das alles bedeutete. Zwar klappte das mit dem Gold nicht, weil mein Talent in dieser Welt versagte, aber ich bin jetzt reich, sehr reich. Es ist mir egal, dass mir keiner glaubt, wer ich wirklich bin.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.czyslansky.net
Tag der Veröffentlichung: 18.06.2013

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