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Laarmurr rettet die Wirtschaft

 

 

 

Kaarkaar lief mit hochrotem Kopf durch den Zauberwald. Er hatte das Gefühl, das alle über ihn lachten oder wenigstens tuschelten. Alle, wirklich alle: die Gnome, die Trolle, die Elfen, die Zwerge, die Riesen, die Zauberer, die Hexen, die Kobolde, die Zentauren, die Drachen und sogar die Feen. Laarmurr hatte Kaarkaars Mitbringsel aus dem Reich der verlorenen Magie auf der Lichtung inmitten des Zauberwaldes allen vorgeführt. Nicht nur, dass nichts mit dem Zauberkreuz passiert war, nein, weit schlimmer war, dass sich die Hexe Saabira gemeldet hatte, und die wahre Bedeutung des mitgebrachten Zauberkreuzes erklärt hatte. Sie war einige der wenigen, die das Reich der verlorenen Magie auch schon besucht hatte, auch wenn dieses schon viele Monde her war.

 

Jetzt musste Kaarkaar mit Paartirr erneut in diese Welt reisen, um das wahre Zauberkreuz zu finden. Laarmurr höchstpersönlich wollte mitkommen. „Um Euch den richtigen Weg zu weisen“, wie er sagte. Kaarkaar vermutete jedoch wohl nicht zu unrecht, dass ihn ganz andere Dinge dort reizten, nachdem er ihm ausführlich von den dortigen Errungenschaften berichtet hatte.

 

Nachdem alle drei das Portal zum Reich der verlorenen Magie durchquert hatten, kratzte Kaarkaar sich am Kopf, als er sich umblickte. Sie standen auf einer kleinen, langgezogenen Grünfläche, die in beiden Richtungen bis an den Horizont reichte. Rechts und links von ihnen waren niedrige Mauern, daneben steinerne Wege. Blecherne Ungetüme bewegten sich in ungeheuerlicher Geschwindigkeit an ihnen vorbei. Es war furchtbar laut. „Was sind das für seltsame Wesen?“, wollte Laarmurr wissen, der sichtlich Angst hatte, sich das aber nicht anmerken ließ. Trotz seiner Schwerhörigkeit vernahm er den Krach sehr wohl. „Ich kenne diese schon von meinen ersten beiden Besuch in dieser Welt“, erklärte Kaarkaar. „Allerdings fuhren sie viel langsamer, als ich auf St. Pauli und am Steintor war. Einige von ihnen hielten auch an, als die Menschen darin die leicht bekleideten Damen erblickten.“

„Die Wesen aber sehen gefährlich aus. Sie haben Menschen gefressen! Das habe ich genau gesehen. Außerdem stinken sie“, sagte Laarmurr. Fast so schlimm wie in Deiner Höhle, dachte Kaarkaar, der ihm das natürlich nicht sagte.

 

Kaarkaar entgegnete stattdessen: „Diese Menschen sind sicherlich freiwillig in diese Ungetüme gestiegen, das war jedenfalls die letzten Male so.“ Der Zauberer erwiderte: „Wir sollten diese zum Halten bringen. Ich möchte zu gerne wissen, was dort drüben ist.“ Er deutete auf die andere Seite des Weges, der von einer wesentlich höheren Mauer umgrenzt war. „So kommen wir jedenfalls nicht hinüber. Schade, dass wir unseren Zauber nicht einsetzen können“, meinte Kaarkaar. Der Alte entgegnete: „Ich denke, dass das jetzt geht. Ich bin ein mächtiger Zauberer. Meine Macht wird stark genug sein, dieses zu vollbringen.“

„Das hätte mir bei meinen ersten Besuchen einige Male geholfen. Ihr solltet den Zeitzauber benutzen.“ Gesagt, getan. Laarmurr erhob seinen Zauberstab. Augenblicklich stand alles herum still, nur unsere drei Helden konnten sich noch bewegen. Sie schritten den steinernen Weg entlang zur anderen Seite.

 

Nachdem Laarmurr den Zauber wieder aufgehoben hatte, setzten die Ungetüme ihre rasende Fahrt fort. Die Mauer dort war jedoch so hoch, dass keiner von Ihnen etwas sehen konnte. „Steig auf meine Schulter, damit du darüber zuschauen kannst!“, sagte Kaarkaar zu Paartirr. „Ich habe Angst“, antwortete dieser. „Was bist du nur für ein Kobold. Wesen deiner Art sind im Allgemeinen furchtlos und angstfrei. Außerdem hast du vorhin gesagt, dass du dich freust, wieder alles von dieser Welt zu sehen.“

„Du meinst, da unten sind diese berauschenden Getränke oder die Weiber?“

„Da bin ich mir sicher“, log ihn Kaarkaar an.

 

Als der Kleine seine Schultern bestiegen hatte, rief er enttäuscht: „Och, keine von diesen Getränken! Keine Weiber.“

„Was siehst du stattdessen?“

„Da unten ist genauso ein Weg, wie der der neben uns ist, er verläuft jedoch quer. Die Wege kreuzen sich.“

„Das Zauberkreuz! Das Zauberkreuz! Wir haben es gefunden. Unglaublich, dass es so schnell ging. Wir müssen es durch das Portal bringen“. Kaarkaar war sichtlich begeistert. „Ich glaube nicht, dass das geht. Es ist viel zu groß!“, widersprach der Kobold.

 

Unbemerkt von ihnen hatte eines der blechernen Wesen angehalten. Drei Grünbekleidete stiegen aus und näherten sich. „Dürfen wir mal fragen, was Sie hier machen?“, wollte einer der Grünen wissen. Kaarkaar hätten seinen Begleiter fast vor Schreck fallen gelassen, trotz des Lärms der blechernen Ungeheuer hatte er die harsche Stimme deutlich vernommen. Er drehte sich um und lies Paartirr neben sich auf den Boden herab. „Die sehen aus, wie die die mich in Schalke in das Verlies gesperrt haben“, flüsterte Kaarkaar und ergänzte, nur an den Kobold gewandt: „Sei bloß vorsichtig, mit dem was du sagst!“ Doch es war schon zu spät, denn Paartirr antwortete: „Wir sind auf der Suche nach dem Zauberkreuz und würden es gerne mitnehmen.“

„Sie wollen das Frankfurter Kreuz stehlen? Sind Sie verrückt?“, wollte einer der Männer wissen.

 

Ehe es Kaarkaar verhindern konnte, antwortete Paartirr: „Nein, ich bin Paartirr und das dort sind meine Freunde Kaarkaar und Laarmurr. Wir sind mächtige Zauberer aus dem Reich der weißen Magie.“

„So, so, und ich bin der Kaiser von China.“

„Oh, Majestät, ich hatte ja keine Ahnung, wen ich vor mir habe“, antwortete Paartirr ehrfurchtsvoll und verneigte sich tief.

 

Das war zuviel. Der Grünbekleidete war zunehmend verärgert. Er gab seinen Begleitern ein Zeichen. Mit einem geübten Griff umklammerten sie Kaarkaar, Paartirr und Laarmurr und wollten sie in das blecherne Wesen hineinzwängen. Doch diese entglitten und konnten sich befreien. Warnend erhob Laarmurr seine Stimme und schwang seinen Zauberstab. „Lassen Sie uns gewähren oder ich verwandle Euch in Mäuse.“ Die Grünen lachten, was ihn noch mehr verärgerte. Das bekam ihnen nicht, da Laarmurr seine Drohung umgehend in die Tat umsetzte. Die Kleider der Männer fielen in sich zusammen und piepsend huschten drei kleine Mäuse von dannen. „Was machen wir jetzt?“, wollte Paartirr wissen. Kaarkaar antwortete: „Wir werden diesen steinernen Weg entlang schreiten. Ich muss mir das Zauberkreuz mal von unten ansehen.“

 

Als sie unten angekommen waren, schüttelte Kaarkaar mit dem Kopf und sagte: „Ich glaube nicht mehr, dass es das richtige Zauberkreuz ist, außerdem ist es tatsächlich viel zu mächtig, Paartirr, du hattest Recht. Selbst Laarmurrs Verkleinerungszauber hilft hier nicht. Lass es uns woanders versuchen.“

„Dort drüben sind viele hohe Felsen“, stellte Laarmurr fest. „Nur eigenartig, dass sie glitzern“, ergänzte er. Schneller als Kaarkaar und der Kobold antworten konnten, hatte der Zauberer sich selbst und die beiden anderen auch schon in die Nähe der hohen Felsen versetzt. Seltsamerweise hatten diese viele kleine und wenige große Öffnungen.

„Das sind ja riesige Gebäude“, sagte Kaarkaar. „Diese Welt versetzt Einem immer wieder ins Erstaunen.“

„Ich hätte jetzt Lust auf dieses Gebräu, das müde macht“, rief der Kobold. Seine scharfen Augen erblickten in einiger Entfernung mehrere langgezogene Tische und Bänke, an denen etliche Leute saßen. Sie hatten durchsichtige Becher mit einer bräunlichen Flüssigkeit vor sich. Paartirr stürmte darauf zu, griff sich einen davon. Er trank ihn in einem Zuge aus. Wenige Sekunden später spuckte er alles wieder auf dem Boden und warf den Becher hinterher. „Ei horsche ma, du Dreggbatz. Mach kaa Posse“, rief ein Mann erbost, offenbar der Besitzer des Getränkes. Ein anderer Herr in einem feinen Gewand erhob sich und sprach zu Paartirr: „Junger Mann, was ist das für ein Benehmen. Sie können dem Mann doch nicht einfach seinen Apfelwein austrinken und diesen danach ausspucken. Und überhaupt: was haben Sie hier zu suchen – in diesem merkwürdigen Gewand?“

 

Unterdessen waren Kaarkaar und Laarmurr herbeigeeilt. „Da sind ja noch zwei von diesen schrägen Vögeln“, rief ein weiterer Mann und der erste ergänzte: „Stinkwatzen“. Mit diesem merkwürdigen Begriff konnten die drei Reisenden nichts anfangen. „Wir suchen das Zauberkreuz“, erklärte der Zauberer und sorgte für Gelächter. „Zaubern können wir leider nicht auf der Börse“, antwortete der Gutgekleidete. „Nun, ich bin des Zauberns schon fähig, aber warum sollte ich dieses auf einem Geldbeutel tun?“, wollte Laarmurr wissen. „Das haben Sie falsch verstanden. Ich meinte das Handelshaus. Das müssen Sie doch kennen. Immerhin ist der DAX im Moment ständig in Bewegung.“

„Welcher Dachs? Was hat dieses Getier mit Euren Gebräuchen zu tun?“

„Nun, egal. Aber demonstrieren Sie uns doch einmal, dass Sie tatsächlich zaubern können.“

 

Laarmurr erhob seinen Zauberstab. Der zerbrochene Becher setzte sich wieder zusammen, füllte sich mit der Flüssigkeit und flog wieder auf dem Tisch zurück. Großes Erstaunen bei den Leuten, der Zauberer grinste zufrieden. Der vornehme Herr rief erregt: „Das ist ein toller Trick, ich bin beeindruckt. Können Sie auch noch mehr bewirken?“ Er näherte sich Laarmurr und flüsterte ihm ins Ohr, was angesichts seiner Schwerhörigkeit ziemlich lange dauerte.

 

Der Wunsch des Herrn wurde danach augenblicklich erfüllt. Ab diesem Tage stiegen die Kurse an der Frankfurter Börse jeden Tag und die deutsche Wirtschaft erholte sich prächtig.

 

Laarmurr, Kaarkaar und Paartirr hatten jedoch das Zauberkreuz immer noch nicht gefunden und mussten noch lange danach suchen.

 

Impressum

Bildmaterialien: www.meinriver.de
Tag der Veröffentlichung: 23.05.2013

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