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An einem Freitag, den dreizehnten

 

 

Deutschland nimmt eine Sonderstellung im Fußball innerhalb der europäischen Länder ein. Welche das ist? In sehr vielen Großstädten gibt es eine dominante Mannschaft und eine weitere, die in dieser Stadt „die zweite Geige spielt“. In München sind es der FC Bayern und 1860, in Köln der 1. FC und Fortuna, in Hamburg der HSV und St. Pauli, in Frankfurt die Eintracht und der FSV. Und in Hannover? Da sind es 96 und Arminia.

 

Das war früher ganz anders. In den zwanziger Jahren bis weit nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren die „Blauen“, wie Arminia in unserer Stadt genannt werden, die Nummer Eins der Stadt und spielte mehrfach um die deutsche Meisterschaft in den jeweiligen Endrunden. Mitte der 60er Jahre wäre man fast in die Bundesliga aufgestiegen und scheiterte zum Teil nur sehr knapp. Besonders tragisch verlief es in der Saison 1966/67, als man zu Hause am 14. Juni 1967 zur Halbzeit im entscheidenden Spiel gegen Borussia Neunkirchen schon mit 3:1 führte und dann noch mit 3:4 verlor. Der Grund dafür: Der Arminen-Torwart trug Kontaktlinsen und verlor bei strömenden Regen eine davon kurz nach Wiederanpfiff. Er fand sie nicht wieder und konnte auch nicht ausgewechselt werden, da das seinerzeit noch nicht erlaubt war.

 

Doch dieser Ruhm ist längst verblasst. Noch vor einundzwanzig Jahren spielte der SVA aber mit 96 („den Roten“) in einer Liga, der damaligen Regionalliga Nord, diese war seinerzeit drittklassig. In der Saison 1997/98 lagen zwei Teams (nämlich 96 und Eintracht Braunschweig) fast gleichauf auf Platz Eins und Zwei und lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz Eins, der zur Qualifikation um den Aufstieg in die 2. Bundesliga berechtigte. Am 23. Spieltag kam es zum Lokalderby in Hannover. Alles erwartete einen Sieg der „Roten“, nur die Höhe war unklar. Immerhin belegte die blaue Konkurrenz einen beachtlichen siebten Platz und das als Aufsteiger. Damals hatte Arminia einen Torjäger, der zwar nicht gerade elegant Fußball spielte, aber viele, viele Tore schoss: Markus Erdmann.

 

Am 13.02.1998, einem Freitag, erfolgte der Anstoß im Niedersachsenstadion, es war nasskalt und regnerisch. Gleich in der ersten Minute lief alles wie erwartet, 96 ging durch ein Tor durch Reinhardt in Führung. Alles jubelte, außer natürlich die Anhängerschaft der Blauen. Doch nur sechs Minuten später erfolgte der Ausgleich durch Erdmann, ein Schock für die Roten. Diese waren es, die sich in der 26. Minute erneut freuen konnten, als Arminias Mirco Knörenschild ein unglückliches Eigentor erzielte. Mit 2:1 ging es in die Halbzeit.

 

„Arminia schlägt sich ganz wacker, aber 96 macht das Ding schon klar!“, ließ mein Freund Uwe gutgelaunt vernehmen und biss in seine Bratwurst. Er ergänzte: „Diese Saison steigen die Roten auf, nächstes Jahr Arminia.“ „Warte es ab“, entgegnete ich.

 

Die zweite Hälfte begann, und in der 48. Minute konnte der SVA (erneut durch Erdmann) zum 2:2 ausgleichen. Nervosität breitete sich bei den 96ern aus. Das hatte niemand erwartet, auch nicht der Reporter des NDR, der die Partie im Radio übertrug. Von seinem Bericht erfuhr ich natürlich viel später, denn ich war ja live dabei.

 

73. Minute. Gerd Asamoah, der dunkelhäutige Star von 96, brachte den Favoriten durch ein schönes Tor wieder in Führung. Jetzt wollte man sich nicht mehr die Butter vom Brot nehmen lassen, doch sechs Minuten später glich Erdmann erneut aus.

 

3:3! Beide Trainer waren mit diesem überraschenden Unentschieden einverstanden und drängten auf dem Abpfiff, doch der Schiedsrichter entschied auf Nachspielzeit. 92. Minute. Ecke für Arminia. Markus Erdmann schoss, sein Mannschaftskamerad Marcus Hoffmann stand kurz vor der Strafraumgrenze und verlängerte den fulminanten Schuss Erdmanns direkt ins Tor des verdutzten 96-Schlussmann Ralph Sievers. Schlusspfiff! Der Außenseiter hatte mit 4:3 gewonnen, was der Stadionsprecher mit kläglicher Stimme verkündete.

 

Nur wenige der 9.925 Zuschauer freuten sich, ich war einer davon, denn mein Herz schlug für den Außenseiter. Wut und Enttäuschung dagegen bei der lokalen Konkurrenz. Niemand hatte das zuvor gedacht, ich auch nicht.

 

Es war das spannendste und aufregendste Fußballspiel, das ich je erlebt habe und es sollte die einzige Niederlage von 96 in dieser Saison bleiben. Der Aufstieg gelang dennoch nicht, dank eines ominösen Spiels bei Energie Cottbus.

 

Für mich ist dieses Match unvergesslich. Leider ist der SV Arminia mittlerweile in der Versenkung verschwunden. Man dümpelt zur Zeit in der 5. Liga (Oberliga Niedersachsen), während 96 in der Bundesliga ist. So ändern sich die Zeiten.

 

 

 

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Bildmaterialien: www.bischofshol.de
Tag der Veröffentlichung: 27.08.2012

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