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Mein Name ist Rachel

 

 

„Mein Name ist Rachel“, das waren immer ihre ersten Worte, wenn sie einen von ihnen kennen lernte. Eine glatte Lüge, dann eigentlich hieß sie Gudrun. Doch sie hasste diesen Namen. Aber Rachel – das hatte etwas. Zum einen brauchte man nur einen Buchstaben zu streichen, um ihr Lebensmotto zu erhalten: Rache! Zum anderen war das ein Zitat aus „Träumen Roboter von elektrischen Schafen?“, von Philip K. Dick. Bekannter war der Titel, unter dem das Buch verfilmt wurde: „Blade Runner“. Auch Gudrun machte Jagd, aber nicht auf Androiden. Sie machte Jagd auf Männer, gnadenlos.

 

Als Gudrun vierzehn Jahre alt war, hatte sie ein ganzes Rudel von diesen Schweinen vergewaltigt. Diesen Schock überwand sie nie und löste eine Psychose in ihr aus. Niemals konnte sie danach eine normale Beziehung mit einem Jungen oder einem Mann beginnen. Das lag nicht an ihrem Äußeren – sie war attraktiv: lange schwarze Haare, vollbusig und schlank aber nicht dürr. Mit ihren prachtvollen Schmolllippen, ihrer Stupsnase und ihren rehbraunen Augen hätte sie jeden Schönheitswettbewerb mit Leichtigkeit gewonnen. Doch das wollte sie nicht.

 

Gudrun war eine schwarze Witwe. Laut Wikipedia werden echte Witwen (Latrodectus) als eine Gattung der Webspinne aus der Familie der Haubennetzspinnen (Theridiidae) bezeichnet. Die dazu gehörende „Schwarze Witwe“ ist mit starken Giften ausgestattet. Natürlich war Gudrun von Natur aus nicht giftig. Aber sie sorgte stets vor, wenn sie auf Beutefang ging. Mit Thallium hatte sie das perfekte Mittel gefunden. Es war hochgiftig und wurde gut über den Magen aufgenommen, zumal es geschmacksneutral war. Thallium wird für das Färben von Gläsern benutzt, als Glasbläserin saß Gudrun an der Quelle. Das war perfekt.

 

Auch heute sollte es wieder so weit sein. Ihre Begierde nach einem Mann war geweckt. Sie hatte sich herausgeputzt und hatte ein schwarzes Kleid mit roten Applikationen angezogen, was dem Vorbild der Spinne sehr nahe kam. Als Gudrun mit der Stadtbahn in die Innenstadt von Hannover fuhr, nahm sie die geilen Blicke der Männer durchaus auf. Sie lächelte sie an, aber es war ein falsches Lächeln.

 

Im Zentrum stieg sie aus, und ging, nachdem sie die U-Bahn-Station „Kröpcke“ verlassen hatte, die elegante Georgstraße entlang. Ihr Ziel war nicht weit. Das „Oscar's“ ist laut dem „Playboy“ eine der besten Bars Deutschland, die Nummer zwei nach einem Lokal in München. Am Holzfass vor dem Eingang saßen einige junge Leute und tranken Cocktails. Gudrun setzte sich an die Theke, wie immer. Es erklang Musik von Sade. Sie liebte das „Oscar's“. Im Stile der zwanziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts war es eingerichtet. Die Whisky-Auswahl überbot jede andere Lokalität in dieser Stadt, doch danach stand ihr nicht der Sinn.

 

Der kahlköpfige Barkeeper nickte ihr freundlich zu. Er kannte sie gut und wusste, was sie trinken wollte – eine „Bloody Mary“. Zwei Hocker weiter saß ein Hüne von Mann. Er war strohblond und es schien, als sei er einem Life-Style-Magazin entsprungen. Er trug einen dunkelblauen Maßanzug und Schuhe, die einige hundert Euro gekostet haben mussten. Der blonde Riese trank, so weit es Gudrun erkannte, einen „Zombie“. Bei diesem Drink machte der Rumanteil einen Großteil des Getränkes aus.

 

Gudrun rückte zu dem Hünen heran, setzte sich neben ihn, leckte sich über die kirschroten Lippen und sagte das, was sie immer sagte: „Mein Name ist Rachel“.

Die himmelblauen Augen des Blonden strahlten. Er hatte angebissen. „Ich heiße Konrad. Darf ich Sie auf einen Drink einladen?“

„Da kann ich nicht widerstehen, allerdings habe ich gerade bestellt. Übernehmen Sie?“

„Selbstverständlich. Einer solch wunderschönen Frau kann man doch nichts abschlagen.“

„Ich habe Sie hier noch nicht gesehen, Sie sind wohl nicht aus Hannover?“

„Nein, ich komme aus Frankfurt. Ich bin geschäftlich hier.“

„Und gefällt es Ihnen hier?“

„Ja, Hannover ist wunderschön, ich bin überrascht. Und diese Bar ist einfach ein Traum. Allein diese Auswahl an Malt ist überwältigend.“

 

Rachel, alias Gudrun lachte kurz auf. Der Barkeeper hatte ihren Drink unterdessen serviert und eine Schale Kartoffelchips daneben gestellt. Sie nahm einen kurzen Schluck, die „Bloody Mary“ war perfekt wie immer. „Und dann trinkst du einen Cocktail, Konrad. Ich darf doch du sagen?“

„Natürlich, Rachel. Ein wunderschöner Name übrigens. Leider habe ich das mit dem Whisky zu spät gesehen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.“

 

Konrad nahm die sündhafte teure Zigarre entgegen, die ihm der Barkeeper gereicht hatte, auch diese standen sorgsam aufgelistet auf der Karte. „Darf ich dir auch eine Havanna anbieten, Rachel?“

„Die sind mir etwas zu stark. Ich rauche lieber diese hier.“ Sie holte eine elegante Frauenzigarette aus der Schachtel, erwartungsvoll. Konrad zündete mit einem teuren Feuerzeug Rachels Zigarette an. „Da weiß aber jemand, was sich gehört. Ein wahrer Gentleman“, sagte sie.

 

Sie strich ihm über die Hose und sah seine begierigen Blicke. Die Falle hatte zugeschnappt, so schnell wie heute gelang das selten. Gudrun hatte ihre Beute erobert, dazu war es ein Prachtexemplar. Er würde ihr munden.

 

Vier Drinks später war Konrad nicht nur stark alkoholisiert, sondern hatte auch einen extremen Zuwachs an Testosteronen erlangt. Er hielt sich aber trotz des hohen Promillewertes durchaus in der Lage, diese Frau zu befriedigen. Auch wenn der Weg zu seinem Hotel am Nordufer des Maschsees ein kurzer war, beschlossen sie dennoch, ein Taxi zu nehmen.

 

Dort angelangt, gingen sie sogleich auf sein Zimmer. Es war die teuerste Suite des Hauses. „Ich hätte noch gerne einen ein Drink, Liebster“, hauchte Gudrun nach dem Geschlechtsakt, der, so wie sie es erwartet hatte, recht kurz ausfiel. Gläser standen schon parat. Konrad drehte sich um, um die Mini-Bar zu öffnen, während sie eines der Gläser innen mit dem Gift bestrich. Der blonde Hüne kam mit zwei Fläschchen „Glenfarcles“ zurück und goss den Malt ein. Guten Whisky kippt man nicht, aber das hatte Konrad vor lauter Geilheit in diesem Moment vergessen. Dieser Schluck war der letzte seines Lebens. Er fiel augenblicklich tot um. Das Gift wirkte unverzüglich.

 

Gudrun nahm ein Messer aus ihrer Handtasche und schnitt mit zwei gekonnten Schnitten die Leber und das Herz aus dem Leib des Mannes. Sie verschlang die Organe binnen weniger Minuten genussvoll. Ein köstliches Mahl!

 

Die schwarze Witwe hatte es wieder vollbracht. Ein weiteres Schwein war hingerichtet, viele würden noch folgen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 03.08.2012

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