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Die Wandlung

 

 

Alexander Petersen erwachte mit einem tierischen Brummschädel. Gestern, in der Göttinger Studentenkneipe hatte er den Erfrischungsgetränken mächtig zugesprochen, natürlich nicht den alkoholfreien. Sein Kommilitone und Zimmermitbewohner Maximilian Fuhrmann hatte gleichfalls gut zugelangt.

 

Es war Montagmorgen, zehn Uhr. Alexander hätte längst in der Vorlesung sein müssen, aber das würde heute wohl nichts. Er blinzelte, und nahm undeutlich seine Umgebung wahr. Doch was war das? Das war gar nicht seine Studentenbude, der Zuschnitt des Zimmers war ganz anders, sein Bett stand an anderer Stelle. Auch hingen andere Bilder an der Wand. War er gestern in seinem Suffkopf in ein falsches Zimmer geraten? Dazu musste er unbedingt Maximilian befragen. Dieser lag schnarchend in seinem Bett.

 

Alexander rüttelte seinen Freund wach. Doch es gab die nächste Überraschung, Maximilian war nicht Maximilian. Der rothaarige Mann, der dort lag, war Alex fremd. Der Rotschopf brummte: „Mensch, Alex. Was soll das? Lass mich schlafen und leg dich wieder hin. Wir wollten doch heute blau machen.“

„Wer bist du? Und wo ist Maximilian? Woher kennen wir uns? Wie bin ich hier her gekommen?“

„Na, das scheint wohl doch gestern etwas zuviel badischer Wein für dich gewesen zu sein, du wärest ja fast in ein Bächle getreten. Und falls du es vergessen hast: ich bin Markus, dein langjähriger Zimmergenosse. Wer soll dann dieser Maximilian sein?“

„Badischer Wein? Bächle? Was soll der Blödsinn! Ich studiere seit drei Jahren in Göttingen. Damals nach meinem Abitur, hatte ich mich für diese Uni entschieden, sie ist einer der besten Deutschlands.“

 

Markus richtete sich auf: „Ist bei da oben etwas durchgebrannt, Alexander? Wir sind hier in Freiburg! Und wenn du mir nicht glaubst, dann sieh dir deinen Studentenausweis an.“ Alexander ging an seinen Schrank und wollte ihn gerade öffnen, als der Mitbewohner losbrüllte: „Junge, Junge, das ist nicht zu glauben! Dein Spind steht da drüben. Das ist meiner.“ Verwirrt begab sich Alexander in die andere Ecke des Raumes. Dort stand das Regal mit den Erinnerungen an Cuxhaven, seiner Heimat. Alles war da: die Buddelschiffe seines Vaters, die Muscheln, das Modell der Kugelbake. Wie sind all diese Sachen hier her gekommen? War das ein Scherz der versteckten Kamera? Alexander öffnete seinen Schrank. Die Kleidung darin war eindeutig die seinige, da bestand keinerlei Zweifel. Derjenige, der sich diesen Spaß geleistet hatte, hatte ganze Arbeit geleistet.

 

Ein Blick in die Brieftasche schockierte Alexander erneut, es befand sich tatsächlich eine Immatrikulationsbescheinigung der Freiburger Uni darin. „Jetzt reicht es mir. Das geht zu weit. Wer auch immer du bist, das ist nicht spaßig. Ich werde jetzt diese Scharade aufklären und meine Eltern anrufen. Die habt ihr Witzbolde bestimmt nicht miteinbezogen.“ Alexander war wütend. Er griff zu Handy und wählte die gewohnte Nummer. Keine Verbindung.

 

Ihm wurde schwarz vor Augen und er fiel in Ohnmacht.

 

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Oberarzt Schneider trat vom Bett des Koma-Patienten zurück. Der junge Mann, der nun schon drei Jahre hier auf der Intensiv-Station der medizinischen Hochschule in Hannover lag, hatte für kurze Zeit wieder Reaktionen gezeigt und auch geredet. Schneider griff zum Telefon.

 

„Hallo, Herr Petersen, hier Doktor Schneider. Ihr Sohn ist wieder kurzzeitig erwacht. Er hat wirres Zeug von Freiburg und Göttingen erzählt. Sie sollten unbedingt herkommen, vielleicht kommt er noch einmal wieder zurück.“ Das war wirklich ein Drama. Alexander Petersen hatte eines der besten Abiture Deutschlands geschrieben und dann diesen furchtbaren Unfall gehabt. Welch ein furchtbares Schicksal!

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 02.08.2012

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