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Bär wird Millionär?

Ich hatte es geschafft. Nach vielen Jahren der Hoffnung war ich endlich in der Quizshow meines Vertrauens.

 

Ich, Ronald Bär, saß bei Herrn Jauch auf dem Stuhl. Natürlich ließ sich der Moderator es sich nicht nehmen, Späße mit meinem Nachnamen zu treiben. Nicht nur, dass dieser zu meiner körperlichen Statur im Widerspruch stand, es reimte sich auch prima auf das, was ich werden wollte – Millionär. Mein Freund Erwin hatte zuvor geunkt: „Das wird doch niemals etwas mit dir, du blindes Huhn!“ Ich wollte ihm das Gegenteil beweisen.

 

Einige wenige waren schon erfolgreich – ich wollte auch unbedingt den ganzen Topf gewinnen. Deswegen wählte ich auch die Variante mit vier Jokern. Hop oder topp – alles oder nichts. Na, ja, nichts ist übertrieben, ich hätte immerhin fünfhundert Euro gewonnen, falls ich zurückfallen sollte.

 

Souverän meisterte ich die ersten Fragen, alles Pipifax. „Herr Bär, wir sind bei der Tausend-Euro-Frage. Welches Bundesland hatte noch nie einen Fußballbundesligisten? A) Saarland, B) Mecklenburg-Vorpommern C) Schleswig-Holstein ooodeeer D) Niedersachsen?“

 

Ich lachte. Es ging um Fußball, welch ein Glück. Herr Jauch zog eine Grimasse, da kannte er sich auch aus. Nun, da muss ich nicht lange überlegen. Natürlich ist C richtig. Saarland hatte den FC Homburg, Meck-Pomm war durch Rostock vertreten und über Niedersachsen wollen wir gar nicht erst reden. Nein, es ist Schleswig-Holstein.

„Was ist mit Kiel und Lübeck?“

„Nein, es ist C – hundertprozentig.“

„Absichern?“

„Nein, das können Sie einloggen.“

 

Tüdelüttt. Die Musik ertönte, natürlich hatte ich Recht.

 

Auch die nächsten zwei Fragen waren kein Problem. Ich war kein bisschen nervös, der Moderator konnte mich nicht aus der Ruhe bringen. „So, Herr Bär. Das läuft ja bislang großartig. Zur nächsten Frage. Es geht um achttausend Euro. Sie haben noch alle Joker. Worauf weist das zu den Richtzeichen gehörende Verkehrszeichen 317 hin? A) Wanderdüne, B) Wanderzirkus, C) Wandererparkplatz oder D) Wanderratten?“

 

Super, das war nicht schwierig. „Wieder ist C richtig. Alles andere ist Blödsinn.“ Jauch grinste. „Aber, Herr Bär. Diese gefährlichen Wanderratten! Davor muss man doch warnen. Könnte es nicht doch D sein? Ich würde einen Joker nehmen.“

„Nein, die spare ich mir. Ich nehme C.“

„Nun, das habe ich eingeloggt. Aber diese Frage gebe ich an Sie zu Hause weiter. Für Sie geht es um fünftausend Euro, für unseren Kandidaten um achttausend. Schicken Sie uns eine SMS.“

 

Werbeunterbrechung. Natürlich nicht im Studio, die Sendung wurde ja aufgezeichnet. Trotzdem konnte ich einen Moment entspannen und durchatmen. Mann, hatte ich ein Glück mit den Fragen. Wenn jetzt noch etwas über Literatur oder Rockmusik kam, wäre ich überglücklich. Meine Telefonjoker waren mit Bedacht ausgesucht. Griechische Mythologie, Jazz, Pferde und Architektur – das waren meine schwachen Seiten.

 

Die Unterbrechung war vorbei. „Herr Bär, Sie hatten Recht, natürlich ist es der Wandererparkplatz. Sie haben die achttausend geschafft. Jetzt geht es sechzehntausend. Wir haben noch gar nicht darüber geredet, was Sie mit dem Geld machen.“

„Ich möchte ein Haus kaufen, eine Weltreise machen und den Rest lege ich an. Außerdem wünscht sich meine Tochter ein Pferd und mein Sohn ein Motorrad.“ „Na, da müssen wir aber noch ein bisssssschen was dazu gewinnen, sonst wird es kleine Reise – vom Haus ganz zu schweigen. Aber sagten Sie nicht, Sie kommen aus Burgwedel? Ich kenne da jemanden...“ Jauch drehte seine rechte Hand und lächelte schelmisch, wie er das gerne tat.

 

„Aber machen wir weiter. Die Secccccchhhhsehntausend-Euro-Frage. Hier ist sie: Welcher weltberühmte Roman beginnt mit den Worten; `Ilsebill salzte nach.´ A) Der Butt, B) Das Versprechen, C) Kleiner Mann – was nun? oooooder D) Jimmy ging zum Regenbogen?“ Literatur! „Da brauche ich nicht lange nachdenken. Es ist A, der Butt von Günter Grass. Das Buch habe ich gerade erst gelesen.“

„So, so, war das nicht doch die Ilsebill von dem Fischer und seiner Frau?“

„Der Butt ist eine Adaption davon, daher auch Ilsebill.“

„Keinen Joker?“

„Nein!“

„OK, wir loggen ein.“

 

Tüdelüttt. „Die Antwort ist richtig! Wir machen weiter mit Zweiunddreißigtausend Euro. Ich fasse es nicht. Sie haben immer noch aaaaaalle Joker. Sie können noch jemanden anrufen, sie haben den Fifty-Fifty Joker uuuuund Sie können das Publikum befragen, einzeln und alle zusammen. Sind Sie immer noch nicht nervös?“ Ich schüttelte den Kopf. Es stimmte, ich war die Ruhe selbst.

 

„So, hier ist Ihre nächste Frage, die elfte. Diesmal ist aber ein Joker fällig. Hiiiiiier ist sie: Welcher Schlagersänger nahm eine Jazz-Langspielplatte mit dem Titel `Die andere Seite´ auf? War das: A) Udo Jürgens B) Billy Ramsey C) Rex Gildo oder D) Roy Black?“ Jetzt hatte er mich. Aber ich hatte ja meinen Telefonjoker. „Herr Jauch, da muss ich passen. Aber ich kenne jemanden, der sich damit auskennt. Peter Wegener, das ist der Vater meines Freundes Tobias. Ein großer Jazz-Fan. Der weiß das bestimmt.“ „Guuuuut. Rufen wir Herrn Wegener an.“ Tüttt, Tüttt, Tüttt. „Wegener.“

„Guuuuuten Abend, Herr Wegener, hier spricht Günter Jauch. Bei mir sitzt ein sehr guter Freund von Ihnen. Es geht um zweiunddreißigtausend Euro.“ „Uiiiih,, uiiiih, uiiiih! Na, schauen, wir mal.“

„Herr Bär, bitte.“ Jauch gab mir einen Wink. Die Uhr begann zu ticken. „Peter: Welcher Schlagersänger nahm eine Jazz-Langspielplatte mit dem Titel Die andere Seite auf? War das: A) Udo Jürgens B) Billy Ramsey C) Rex Gildo oder D) Roy Black?“ Peter lachte: „Das weiß ich. Das war Billy Ramsey, ganz sicher. Die Scheibe habe ich sogar.“

„Bist du ganz sicher?“

„Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa.“

„Gut. Dann nehme ich B.“

 

„Udo Jürgens hatte mit Jazz nichts am Hut, Roy Black mochte eher Rock`n Roll, aaaaber Rex Gildo, der war auch ein großer Jazzer.“, erklärte Jauch. „Oooohhhh!“

„Dooooooch Bill Ramsey nahm Die andere Seite auf. Ich gratuliere. Sie haben zweiunddreißigtausend Euro gewonnen.“ Tüdelüttt.

 

„So, machen wir weiter. Die zwölfte Frage. Sind Sie bereit?“

„Ja, bin ich.“

„Herr Bär. Es geht um vierundsechzigtausend Euro. Wer war von 1953 bis 1961 Bundesminister des Innern? War das A) Gerhard Schröder, B) Helmut Schmidt, C) Helmut Kohl oder D) Joschka Fischer?“ Ufff! Schon wieder so eine blöde Frage. „Herr Jauch, da stehe ich völlig auf dem Schlauch.“ Der Moderator grinste. „Fangen wir jetzt das Reimen an ooooder benötigen Sie noch einen Joker?“ Ich lachte. „Ja, ich möchte das Publikum befragen.“

„Alle oder einer?“

„Das ist zu schwierig. Ich nehme den Zusatzjoker. Einer soll aufstehen.“

„Na, dann schauen, wir mal, ob das einer weiß. Also wer von Ihnen kann mir und meinem Kandidaten sagen: Wer war von 1953 bis 1961 Bundesminister des Innern? War das A) Gerhard Schröder, B) Helmut Schmidt, C) Helmut Kohl oder D) Joschka Fischer?“

 

Nur fünf Leute standen auf. Ein älterer Herr in der zweiten Reihe im rechten Block weckte mein Vertrauen. Ich zeigte auf ihn: „Ich nehme den Herrn da oben.“ Jauch drehte sich um und sagte: „Sagen Sie uns zunächst, wie sie heißen und woher Sie kommen.“ Der Mann antwortete: „Mein Name ist Hubert Müller und ich komme aus Limburg an der Lahn.“

„Und Herr Müller, können Sie unserem Kandidaten helfen?“

„Ja, das kann ich. Die Antwort lautet A) Gerhard Schröder.“ Jauch grinste erneut und erwiderte: „Aber das kommt doch zeitlich gar nicht hin.“ Der Mann widersprach: „Nein, das war ein anderer Gerhard Schröder. Der war bei der CDU:“

„Sind Sie sicher?“

„Ja, hundertprozentig.“

Ich freute mich. „Gut, ich nehme A).“

„Einloggen?“

„Ja.“

 

Zu meinem Ärger gab es erneut eine Werbeunterbrechung. Danach kam das Tüdelüttt. Ich war weiter. Nun ging es um einhundertundfünfundzwanzigtausend Euro. Noch drei Fragen bis zur Million.

 

„Herr Bär. Hier ist ihre nächste Frage.“ Jauch lachte laut auf. „Verzeihen Sie, das ist jetzt wirklich komisch. Ich versichere aber, dass das reiner Zufall ist. Welcher dieser Großbären ist an den Fußsohlen nicht behaart? A) der Grizzly, B) der Eisbär, C) der Malaienbär oder D) der Braunbär.“

„Also einen kann ich ausschließen.“

„Und das wäre?“

„Der Eisbär. Das wäre doof für ihn, ohne Behaarung auf dem Eis.“

„Kann ich nachvollziehen. Da würde sich der Fifty-Fifty-Joker anbieten.“

„Den nehme ich.“

 

Plink. Der Eisbär und der Malaienbär blieben stehen. „Dann nehme ich C), den Malaienbär.“

 

Tüdelüttt. Ich hatte es geschafft. Nun ging es um Fünfhunderttausend Euro.

 

Schluss-Signal. Die Sendung war zu Ende.

 

Aber die nächste wurde gleich danach aufgezeichnet. Ich musste mich umziehen.

 

„Herr Bär. Hier ist ihre Frage Nummer vierzehn. Es geht um fünfhunderttausend Euro. Welches Land führte als letztes im Jahre 1949 den gregorianischen Kalender ein? War das A) China, B) Russland, C) Türkei oder D) Griechenland?“

„Da würde ich gerne das Publikum befragen.“

 

Für China blieben achtundvierzig Prozent stehen, für Russland vier, für die Türkei zwanzig und für Griechenland achtundzwanzig. Puuuuhhh! Sollte ich zocken? Russland konnte ich ausschließen, das gab es damals nicht.

 

„Ich entscheide mich für mich A) und vertraue dem Publikum.“

 

„Mutig, Mutig, Herr Bär. Aber wie Sie möchten.“

 

Tüdelüttt. Es war richtig. Jetzt kam die eine Million-Euro-Frage.

 

„Herr Bär. Hier ist sie. Ihre letzte Frage. Es geht um eiiiiiiine Million Euro. Herr Bär. Mit wem stand Edmund Hillary 1953 auf dem Gipfel des Mount Everest? War das A) Nasreddin Hodscha, B) Nursay Pimsorn, C) Tenzing Norgay oder D) Abrindranath Singh?“ Ich hatte keine Ahnung! Was sollte ich tun? Raten oder Aufhören? Würde ich falsch antworten, würde ich auf fünfhundert Euro zurückfallen. Eine schwere Entscheidung. Aber ich war gierig. Ich wollte das Geld. Von allen vier hatte ich noch nie etwas gehört. Aber das ließ ich mir nicht anmerken.

 

„Ich nehme C! Tenzing Norgay ist richtig – da bin ich sicher.“ Jauch stand der Schrecken im Gesicht geschrieben. Merkte er etwa, dass ich das gar nicht wusste? „Ich gebe zu bedenken, Sie haben keinen Joker mehr. Herr Bär, überlegen Sie sich das gut. Sie fallen auf fünfhundert Euro zurück, wenn Sie falsch liegen.“ Raunen im Publikum.

 

„Nein, Herr Jauch. Ich bleibe dabei. Ich nehme C!“

 

Spannung. Und dann: das ersehnte Tüdelüttt. Die Fanfare. Ich hatte gewonnen. Eine Million! Sternenglimmer und Funken rieselten auf mich herab.

 

Ich war wahnsinnig, dass ich das gewagt hatte. Aber: Ich hatte es geschafft! Ein angeblich blindes Huhn hatte doch ein Korn gefunden, eine Million Körner, um genau zu sein.

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: www.images.vice.com
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2012

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