Herr Wolters wollte sein Leben in vollen Zügen genießen, und begab sich daher anlässlich seiner Reise zur Zugspitze zum Zug. Die Lokomotive an der Zugspitze des Zuges war bereits zügig angehängt worden, die Bremsen waren noch angezogen. Auch Herr Wolters war angezogen, nackt wollte er dann doch nicht reisen.
Am Bahnsteig sah er eine junge, hübsche Dame, von der sich magisch angezogen fühlte. Gerne hätte er eine anzügliche Bemerkung gemacht, doch er fürchtete, dass dem Mädchen dann die Gesichtszüge entgleiten würden. Herr Wolters nahm noch einen Zug von seiner Zigarette und trank sein Bier sehr schnell in einem Zug aus, obwohl er noch gar nicht eingestiegen war. Später würde er in dem Zug in das Bordrestaurant gehen und dort speisen, sofern das Fenster nicht geöffnet wäre und er im Zug sitzen würde.
Herr Wolters ging in sein Abteil. Dort saßen bereits zwei Männer, die Schach spielten. Der ältere von beiden war gerade am Zug. Er erfuhr, dass die beiden in die Schweiz reisen wollten, im Kanton Zug hatten sie ein nettes Hotel gefunden. Sie waren schon lange unterwegs und kamen aus Zug in Freiberg in Sachsen. „Passen Sie nur auf, dass Sie nicht in die Westsahara in die Stadt Zug fahren“, bemerkte Herr Wolters scherzhaft. Der Zug war unterdessen abgefahren, auf der benachbarten Landstraße fuhr gerade ein Lastzug vorbei. Daneben war ein Kanal, auf dem ein Zug mehrerer Schiffe entlang tuckerte. Das Schachspiel war nunmehr beendet, es erwies sich, dass der jüngere der beiden Spieler einen netten Charakterzug hatte, weil er darauf verzichtete, auf seiner Posaune zu spielen. „Der Zug des Instrumentes ist leider kaputt, aber ich hätte Sie ohnehin nicht belästigt. Wir haben übrigens unsere Fahrräder im Gepäckraum gut verstaut, die Bremsen mussten gar nicht angezogen werden“, bemerkte er. Ein Gespann Ochsen fuhr auf der Landstraße vorbei, der Zug war prächtig anzusehen.
Herr Wolters sah die Zugspitze, als der Zug um eine Kurve fuhr, zur Zugspitze war es aber noch weit. Der Gebirgszug war aber schon sichtbar. „Wo arbeiten Sie eigentlich?“, wollte der Ältere der Spieler wissen und ergänzte: „Sie sehen so aus, als ob Sie Zugführer wären.“
„Ja, ich bin Zugführer, aber nicht bei der Bahn, sondern bei der Feuerwehr. Beim Militär war ich übrigens auch Zugführer.“ Der Zugbegleiter betrat in diesem Moment das Abteil und kontrollierte zügig die Fahrkarten. Dieser bemerkte völlig sinnfrei: „Wer vor den deutschen Gerichten Rechtsschutz sucht, dem ist in der Regel ein mehrstufiger Instanzenzug eröffnet.“ Das nahmen alle Beteiligten befriedigt zur Kenntnis. „Gut, dass man das mal erfährt.“, meinte Herr Wolters und fuhr fort: „Ich muss nämlich gegen meinen Kaminbauer klagen, der Kamin hat nämlich nicht genug Zug.“
Der Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen war erreicht. Herr Wolters begab sich zur Zugspitze, um am gegenüberliegenden Bahnsteig mit der Zugspitzbahn zur Zugspitze zu fahren. Ein kleiner Spatz setzte sich auf die Lok und sonnte sich. „Das muss ein Zugvogel sein“, sinnierte Herr Wolters.
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Tag der Veröffentlichung: 26.05.2011
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