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Was bisher geschah

 Marie–Anna war eine schlanke, wohlproportionierte junge Frau mit knabenhaftem Körperbau und einer unglaublichen Ausstrahlung von ätherischer Schönheit. Dem Funkeln ihrer babyblauen Augen konnte man ansehen, dass sie über große Intelligenz, aber ebenso über Witz und Warmherzigkeit verfügte. Wann immer ihr glockenhelles Lachen ertönte, nahm es ihre Umgebung für sich ein. So wundert es niemanden, das die elfenhaft anmutende junge Frau in kürzester Zeit eines der gefragtesten Fotomodelle ihrer Welt geworden war. Ihre Haarfarbe änderte sich, vielleicht durch ihren Beruf bedingt, so schnell wie der Wind. Waren sie von Natur aus von einem schimmernden Weißblond, hatten sie im Moment dank eines raffinierten Friseurs die Farbe von warmem Mahagoni. Zusammen mit ihrer besten Freundin Svenja hatte sie eine Kreuzfahrt gebucht, um die Freundin auf andere Gedanken zu bringen. Svenja litt schon seit langen Jahren an schrecklichen Albträumen über Feuer und Zerstörung. Die beiden Frauen hätten äußerlich nicht unterschiedlicher sein können. Wo Marie zart war, erinnerte Svenja an die üppigen Schönheiten der 50er Jahre. Ihre langen tizianroten Haare fielen wild um ihre Schultern und reichten weit bis zu ihrer Taille hinunter, kurz bevor diese in sanft gerundete Hüften überging. Ihre Augen waren von einem strahlenden Grün und auch ihr Lächeln schien nur dazu erschaffen worden zu sein, Herzen zu brechen.

 

Inmitten dieses grauenhaften Sturms wurde Marie-Anna von einer riesigen Welle erfasst und über die Reling des Kreuzfahrtschiffes, auf dem sie sich gerade dank eines Sieges in einem Gewinnspiel aufhielten, gespült. Todesmutig sprang Svenja ihr nach und versank nun ebenfalls in den wütenden Wellen. Mit schier unglaublicher Willenskraft gelang es ihr noch, in den schwarzen Tiefen die leblose Gestalt ihrer Freundin zu erreichen, als auch sie die Kräfte verließen. Während die beiden Freundinnen eng umschlungen dem Meeresboden entgegen glitten, hatten besorgte Augen ihr Schicksal verfolgt.

 

Wie zwei Silberblitze schossen die Meermänner durch das Wasser, teilten pfeilgleich die Wogen und brachte beide Frauen in der Unterwasserstadt Aquarius in Sicherheit.

 

 Zuerst waren Marie und Svenja von der Erscheinung Adalars sehr irritiert, hatten sie doch noch nie vorher Meermenschen zu Gesicht bekommen. Seine blauen Haare waren so dunkel, dass sie beinahe ins Schwarz hineingingen. Er trug sie etwas länger und einige Locken kringelten sich ständig über den Rand seines hohen Kragens. Sein enges Oberteil mit langen Ärmeln umschloss wie eine zweite Haut seinen Oberkörper und ließ so das Spiel seiner Muskeln unter dem irisierenden Stoff mehr als erahnen. Seine schlanken langen Beine steckten meist in einer Hose aus demselben Stoff.

 

Vor Erstaunen atemlos hatten die beiden Frauen aber das Gesicht des Mannes betrachtet. Seine Hautfarbe war schimmernd grün und seine violetten Augen strahlten sie wie zwei Scheinwerfer an, als er ihnen charmant lächelnd die unglaublichsten Sachen erklärte. Vor allem konnten die beiden Freundinnen kaum glauben, dass sich diese im Moment so muskulösen Beine sofort, wenn sie mit Wasser in Berührung kamen, in einen Fischschwanz verwandeln würden.

 

 Adalar, der König der Meermenschen gewährte ihnen Zeit, sich zu erholen und zeigte ihnen Stolz sein gewaltiges Unterwasserreich. Die Meermenschen lebten vor den Ufern der vergessenen Insel, tief am Grunde des Meeresbodens in mehreren wunderschönen Städten, die von durchsichtigen Glaskuppeln umgeben waren. Auch innerhalb der Glaskuppeln war überall Wasser. Hier fühlten sie sich wohl. Ihre Körper holten sich den benötigten Sauerstoff direkt aus dem Wasser. Zum Glück für die beiden Unglücklichen gab es im Königspalast von Aquarius mehrere Räume, die wasserdicht versiegelt waren und über eine Sauerstoffpumpe mit Luft versorgt wurden. Hier trainierten die Meermenschen ein Leben an Land. Ab und zu stiegen sie aus den Tiefen des Ozeans herauf und handelten mit andern Völkern.

 

 Zu Svejnas und Maries Glück war in den nächsten Tagen ein Treffen der Herrscher der verschiedenen Königreiche der vergessenen Insel anberaumt worden, und so hatte Adalar beschlossen, die beiden Frauen dorthin mitzunehmen. Da Semiramis, die Frau des Elfenhäuptlings Deikugon, selbst in der Menschenwelt aufgewachsen war und über einen magischen Dimensionsspiegel verfügte, hoffte der Meermann, die beiden Frauen mit ihrer Hilfe wieder in ihre Welt bringen zu können.

 

Aber alles kam ganz anders, denn das Schicksal der beiden schönen Frauen war schon seit Äonen vorherbestimmt.

 

Kaum hatten die Meermenschen das Wasser verlassen und die Abordnung der Magier unter der Führung von Magnus begrüßt, würde dem jungen Magier auch schon in seiner Kristallkugel die Vorhersage geschickt, die das Schicksal der beiden jungen Frauen auf ewig mit dem der vergessenen Insel verbinden würde.

 

»Das Schicksal dieser beiden Frauen liegt hier auf der vergessenen Insel. Es warten große Gefahren auf euch, aber auch noch größeres Glück, wenn ihr die rechte Wahl trefft.«

 

 

Doch der tapferen jungen Frau blieb keine Zeit zum Luftholen. Sie wurde unter den Schutz von Vladimier, dem düsteren Fürsten der Vampire von Dunkelhain gestellt. Die Schicksalsgöttin rieb sich begeistert die Hände, als ihr vor so langer Zeit zurechtgelegter Plan endlich aufging. Vor mehreren Hundert Jahren war die junge Fürstin von Dunkelhain unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Das Leid Vladimiers, der unendlich um seine heiß geliebte Frau trauerte, rührte selbst die Götter, und so teilten sie ihm mit, das Venja eines Tages zu ihm zurückkehren würde. Unermüdlich durchkämmte der Fürst daraufhin mit seinem kleinen Sohn, von dem er sich unter keinen Umständen trennen wollte, die Insel. Er durchreiste die Länder der Insel und drehte buchstäblich jeden Stein unermüdlich um, aber immer ohne Erfolg. Die Fürstin blieb verschwunden.

 

Nun aber, nachdem er schon beinahe alle Hoffnung aufgegeben hatte, sie jemals wieder zu finden, spielte ihm das Schicksal oder besser gesagt die Schicksalsgöttin nun den Schutz der beiden Neuankömmlinge auf der Insel in die Hände. Ein Blick in die trotzigen und vor Temperament brodelnden Augen Svenjas und Vladimiers blutiges Herz heilte innerhalb von Sekunden. Er erkannte in der jungen Frau die Wiedergeburt seiner vor so lange Zeit ermordeten Ehefrau und war nun auf das Äußerste entschlossen, einen weiteren Mordanschlag auf sie zu verhindern. Niemand würde ihm noch ein Mal seine so schmerzlich vermisste Frau wegnehmen können. Er war bereit, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzten und zur Not dem Schicksal selbst zu trotzen, wenn er nur bei Venja bleiben dürfte. Höchstpersönlich übernahm er die Bewachung seiner Frau, während sein Sohn Seraphin den Schutz ihrer Freundin Marie-Anna zugeteilt bekam. 

 

So mancher Frau wäre beim Anblick der beiden Vampire vor Ergriffenheit das Herz stehen geblieben. Stolz und schön überragten sie ein Großteil der anwesenden Männer. Mächtig spielten die Muskeln unter den eng geschnittenen schwarzen Gewändern und seidige, pechschwarze Haare wurden oft vom Wind um ihre Körper geweht. Stahlblau blitzten wache und intelligente Augen aus den beiden bleichen Gesichtern. Sie waren sich unendlich ähnlich, wenn sich auch der Ausdruck in ihren Gesichtern früher so sehr unterschied. Nun aber glühten Vladimiers in der Vergangenheit eiskalt blickende Augen wieder vor Liebe und Leidenschaft, und wenn die saphirfarbenen Augen vor Witz und Humor nur so sprühten, hätte man die beiden Männer gut für Zwillinge, anstatt für Vater und Sohn halten können.

 

Nach zwei vereitelten Anschlägen auf Svenjas Leben wiegten sich die beiden Frauen schon in scheinbarer Sicherheit, aber nun nahmen die Geschehnisse eine Wendung, mit der niemand vorher auch nur im entferntesten gerechnet hatte. Svenja wurde auf den Olymp entführt. Die Schicksalsgöttin war nun gnädig gestimmt und bereit, ihr vor so langer Zeit dem Vampirfürsten gegebenes Versprechen zu halten Sie offenbarte der erstaunten jungen Frau ihre Vergangenheit und gab ihr alle Erinnerungen an ihr altes Leben zurück. Nun könnte das Herrscherpaar der Vampire von Dunkelhain wieder glücklich sein, aber die Götter selbst hatten noch andere Pläne mit der jungen, tapferen Frau.

 

 Um wieder ein Leben an der Seite ihres geliebten Mannes und ihres Sohnes Seraphin führen zu können, ging sie auf einen unglaublichen Handel ein. Sie wurde zur Walküre und zur Tochter Odins. Dieser Handel hatte für beide Seiten allerdings auch enorme Vorteile. Der Göttervater benötigte eine Anführerin für seine auf der vergessenen Insel lebenden Walküren und Venja konnte so in der Maske einer Walküre unerkannt nach ihren Mördern suchen. Das waghalsige Unternehmen gelang und die Meuchelmörder konnten dingfest gemacht werden. Die Walküren erkannten Venja ohne Wenn und Aber als ihre neue Königin an und schlossen sich mit den Vampiren von Dunkelhain zusammen. Odins dank für das Engagement der Fürstin war für sie selbst von unermesslichem Wert. Hatte ihr die Schicksalsgöttin zu Beginn ihres Abenteuers noch eine Rückkehr zu den Ereignissen kurz nach ihrer Ankunft als Svenja auf die vergessene Insel in Aussicht gestellt, machte ihr der Göttervater ein noch größeres Geschenk. Er erkannte sie als seine Tochter an und schenkte ihr die Gabe, jederzeit nach eigenem Willen durch Zeit und Raum reisen zu können. Er gab ihr die Erlaubnis, wenn sie dies wünschte, in der Vergangenheit bleiben zu können. Ihr Leben, welches ihr durch die verruchten Meuchelmörder geraubt worden war, wurde ihr zurückgegeben. Sie konnte ihren kleinen Sohn aufwachsen sehen und für immer an der Seite ihres so innig geliebten Mannes bleiben.

 

Doch durch dieses neue Arrangement änderte sich auch die Zukunft, denn in diesem neuen Zeitstrang war die Fürstin der Vampire und Königin der Walküren nie für lange Zeit von Dunkelhain abwesend gewesen. Natürlich hatte die Schicksalsgöttin, die nun durch Venjas Adoption auch noch zu ihrer begeisterten Schwester wurde und der Göttervater selbst alle Schicksale und die möglichen Veränderungen auf sie durch Venjas nun permanente Anwesenheit in der Vergangenheit geprüft und sie immer wieder auf Möglichkeiten hingewiesen, wie sie eine allzu große Unordnung in der Geschichte vermeiden konnte. Gemeinsam war die neue Familie damit beschäftigt, die Zeitbrüche zu reparieren und alternative Ereignisketten zu konstruieren.

 

Da aber nicht nur Venjas Schicksal auf der vergessenen Insel lag, sondern Maries ebenfalls, entschloss sich Odin wieder einmal in die Geschehnisse einzugreifen. Er gab Venja die Erlaubnis, mit einer gezielten Teleportation an die Stelle außerhalb des Schutzschirmes der vergessenen Insel zu gelangen, an der Marie ins Wasser fallen würde. Da nun keine Svenja mit ihrer Freundin an Bord des Schiffes war und ihr nachspringen würde, mussten andere Maßnahmen getroffen werden, Marie lebend auf die Insel zu holen. Venja teleportierte also und sie hatte ihr Ziel gut gewählt. Gerade als sie den Kopf in den Nacken legte und versuchte, durch die dunklen Wassermassen zu spähen, sah sie den hell leuchtenden Körper ihrer bewusstlosen Freundin in die Tiefe sinken. Ein schneller Griff und sie hielt sie sicher in ihren Armen geborgen. Nun hieß es, keine Zeit mehr zu verlieren. Mit Marie in den Armen schwamm die Walkürenvampirin nun gezielt durch den Diemensionstunnel bis an die Stelle, von der sie noch wusste, dass sie dort von Adalar gerettet worden waren. Als der Meermenschenkönig dann auftauchte, entfernte sie sich wieder schnell und unbemerkt von den Anwesenden, und kehrte zurück nach Dunkelhain.

 

Womit aber niemand rechnete, war die Tatsache, das Marie-Annas Freundschaft zu Venja so tief und innig war, dass sich ihr Gehirn weigerte, sich an den veränderten Zeitstrang zu halten. Es bewahrte Informationen in den tiefsten Tiefen ihres Gedächtnisses auf und hütete sie wie einen kostbaren Schatz.

Zukunft ist Vergangenheit und Vergangenheit Zukunft

Nachdem Adalar nun nur noch Marie zu dem Treffen mit Magnus und der Magierdelegation am Ufer des Meeres mitbrachte, gingen Venja und Vladimir davon aus, dass es zu keiner Wiederholung des damaligen Angriffes auf Svenja kommen würde, da die Feinde der Fürstin ja nun schon seit langer Zeit aufgespürt worden waren. Um so mehr waren beide erstaunt, dass trotz all der veränderten Umstände ein Angriff erfolgte. Nur war dieses Mal nicht Venja in ihrer damaligen Reinkarnation als Svenja das Opfer. Zum Erstaunen aller über die Veränderungen der Vergangenheit unterrichteten und involvierten Personen richteten sich die Angriffe gezielt auf Marie. Nur die Schicksalsgöttin lächelte und schwieg.

 

Besorgt schickte Vladimier eine gezielte Sendung auf ihrem privaten Kanal an seine Frau. »Mein Schatz. Wie erklärst du es dir denn nur, dass jetzt Marie das Opfer dieser Angriffe ist? Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Nur die Familie weiß von unserer Manipulation der Zeitstränge und Marie hat doch keine Feinde auf der Insel«. Zärtlich strich Venja über Vladimirs Stirn und versuchte, seine Sorgenfalten zu glätten. Innig umarmte sie ihn. Wie sehr liebte sie diesen starken und mächtigen Vampir, der doch so ein großes Herz hatte und alle in seinem Dunstkreis befindlichen Personen beschützen und behüten wollte. Dann aber änderte sich ihr Gesichtsausdruck und nun war es an ihr, sorgenvoll aufzuseufzen. »Mein Schatz«, begann nun auch sie zu senden. »Vielleicht haben wir uns alle geirrt. Wir sind davon ausgegangen, dass diese Angriffe im damaligen Zeitstrang allein mir gegolten haben. Was ist aber, wenn ich nur zufällig das Opfer wurde, da der Golem einfach eine Menschenfrau nicht von der anderen unterscheiden konnte?«

 

Alarmiert richtete Vladimier den Blick seiner wunderschönen dunkelblauen Augen nun auf Marie. »Oh nein. Venja. Willst du mir damit wirklich mitteilen, dass du nur durch einen dummen Zufall das Opfer warst und diese Angriffe von vorneherein Marie gegolten haben?« Er sah, wie sich das geliebte Gesicht seiner Frau verdunkelte und nun kam auch ihm die schreckliche Erkenntnis. »Natürlich«. Frustriert strich er sich eine lange Haarsträhne hinter das Ohr, welche ihm ins Gesicht gefallen war. »Maries Schicksal ist ebenfalls hier auf der Insel verankert. Magnus hat es ja damals in seiner Vision gesehen. Wir waren dann nur so mit uns selbst beschäftigt, dass wir an diese Möglichkeit gar nicht gedacht haben. Jetzt wurden wir für unseren Leichtsinn bestraft.«

 

Innig umarmte die Fürstin ihren Mann. »So muss es sein, mein Herz. Da ich in dieser neuen Zeitblase hier nie als Svenja auf die Insel gekommen bin, hätte es zu keinen Angriffen kommen dürfen. Da dies aber trotzdem erfolgte, kann nur Marie gemeint sein.« Sie ergriff die Hände ihres Mannes und umfasste sie mit ihren. »Wir müssen herausfinden, wer Marie nach dem Leben trachtet. Ich hänge sehr an ihr. Sie war mir solch eine gute Freundin und ich kann es kaum ertragen, dass ich mich ihr nicht zu erkennen geben darf.« »Mach dir keine Sorgen, Venja. Wir sind genug Leute hier, um die Menschenfrau zu beschützen. Deine Walküren sind hier und genug unserer Leute von der Schlosswache. Dazu Semiramis und Deikugon mit ihren Elfen. Außerdem kommen ja noch Tante Seraphina und ihre Drachenbande.« Leise lachte er auf. »Wenn all diese Kämpfer nicht in der Lage sind, eine einzige Menschenfrau zu beschützen, dann haben wir es nicht verdient, uns Krieger nennen zu dürfen.«

 

Niemand hatte von dieser in Gedanken stattfindenden Unterhaltung etwas bemerkt. Aber in Marie brodelten schon seit einiger Zeit die Gefühle. Ihre Rettung und die Zeit, die sie daraufhin in der Unterwasserstadt Aquarius verbrachte, kamen ihr komisch vor. Ständig hatte sie das Gefühl, das etwas fehlte. Die Puzzleteile passten nicht so richtig zueinander, aber so sehr sie auch grübelte, sie kam nicht dahinter, warum sie solche Gefühle hatte. Verwirrt blickte Marie nun auf das Fürstenpaar der Vampire, die gemeinsam aus ihrem Zelt in die beginnende Nacht traten.

 

»Es ist so schön, wie verliebt sich die Beiden ansehen. Fürstin Venja ist eine tolle Frau. Aber ...«, irritiert schüttelte sie den Kopf. »Warum muss ich nur ständig aufpassen, dass ich sie nicht Svenja nenne? Ich habe das Gefühl, sie schon ewig zu kennen.« Resigniert zuckte sie die Schultern. Sie wurde aber von weiteren Grübeleien abgelenkt, als sie aus der Luft knisternde und rauschende Laute hörte, wie das Schlagen von Hunderten von Flügeln. Erstaunt richtete sie den Blick zum Himmel und ihr blieb vor Überraschung beinahe der Mund offen stehen. Die Drachen kamen.

 

Der Himmel war übersäht von den schuppigen Körpern der silberfarbenen Drachen. Sie flogen so dicht, dass man meinen konnte, sie müssten sich an den Flügelspitzen berühren, wenn diese mit kräftigen Schlägen durch die Luft schnitten. Es war ein beeindruckendes Bild, vor allem, da Marie-Anna noch nie vorher einen lebendigen Drachen zu Gesicht bekommen hatte. Geschweige davon, dass eine ganze Drachenarmee den Himmel verdunkelte mit der Masse ihrer riesenhaften Körper. Der Drache, welcher an der Spitze der Meute flog, musste König Drakko sein. Als Marie die Augen zusammenkniff, um sich den Anführer der silbernen Drachen näher anzusehen, stockte ihr beinahe der Atem.

 

Auf seinem Rücken saß eine junge Frau und hielt sich an seinem Nacken fest. »Das muss Seraphina sein«, lieferte ihr Gehirn ungefragt die von Marie gerade verzweifelt benötigte Antwort.  Als Drakko in einem eleganten Bogen zur Landung ansetzte, konnte Marie voller Unglauben das fröhlich lachende Gesicht der Drachenkönigin bewundert. »Sie scheint überhaupt keine Angst davor zu haben, herunterzufallen«, wunderte sich das Modell. »Aber vor allem sieht sie nicht so aus, als wäre sie Seraphins Tante. Sie sieht genau genommen gar nicht so aus, als wäre sie irgendjemandes Tante.« Erst jetzt registrierte die junge Frau, welche Aufregung um sie herum ausgebrochen war. Die Leute begannen die Lichtung zu räumen, um den landenden Drachen Platz zu machen. 

 

König Drakko, Fürstin Seraphina und Prinz Drago wollten ebenfalls am Königstreffen teilnehmen. Als sie nun von den vorausgeschickten Spähern hörten, dass sich nicht nur ein Menschenmädchen auf der Insel befand, sondern dieses auch noch auf schreckliche Weise angegriffen worden sei, reifte in ihnen der Entschluss, ihrer Nichte und Cousine beizustehen, denn Semiramis hatte sofort die Verantwortung für Maries Schutz übernommen. Die Nachricht von der Menschenfrau hatte sich wie der Wind auf der ganzen Insel verbreitet und so kamen die meisten Herrscher nun direkt hierher, zur Lichtung bei Hoga. Jeder wollte Helfen, sofern es in seiner Macht stand.

 

In Maries Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. »Es klingt irgendwie falsch. Ich bin doch nicht angegriffen worden ... Sondern ... Da war doch jemand ... Fürstin Venja?«. Die junge Frau runzelte die Stirn. »Nein. Ich hab wohl heute einfach nur schlecht geschlafen. Venja ist Walküre und Vampirin. Sie kann kämpfen, wie ich es noch nie vorher gesehen habe.« Vor den Augen der jungen Frau spielten sich Bilder wie in einem Film ab. Sie sah die Walküre gegen den Golem kämpfen, der sie selbst in seinen Klauen hielt. Aber Marie wurde schnell von ihren Grübeleien abgelenkt, als die wunderschönen riesigen Drachen mit Seraphina auf der Lichtung landeten. Kaum hatten ihre Krallen den Boden berührt, als sich die lederartigen Flügel an den Körper legten und die gesamte Truppe von dreißig Drachen gemeinsam in wogenden Nebelschwaden zu verschwinden schien.

 

Als die Luft wieder aufklarte, standen an der Stelle, an der eben noch die mächtigen Fabeltiere gelandet waren atemberaubend schöne, aber riesige Männer und Frauen, deren silbernes langes Haar ihnen bis zu den Kniekehlen reichte. Marie fiel es sehr schwer, die Blicke von ihnen zu nehmen, denn von der ganzen Gruppe gingen atemberaubende und faszinierende Schwingungen aus. Die Luft schien von der großen Energieaufwendung ihrer Umwandlung nur so zu schwirren und die junge Frau war durch dieses Schauspiel so abgelenkt, dass sie ihre Grübeleien über ihre so merkwürdig anderen Erinnerungen im Moment einfach vergaß. Seraphin, der neben ihr stand, lachte fröhlich auf und reichte dem größten und ehrfurchtsgebietenden der Drachen beide Hände. Dieser lachte ein dröhnendes, ungeheuer sympathisches Lachen, welches in seiner Brust zu grollen schien und zog ihn voller Temperament an seine breite Brust.

 

Der Vampirprinz verschwand beinahe bei dieser Umarmung und schien in diesem Moment gegen den großen Drachenkönig wie ein Kind zu wirken. Bei diesem Anblick fragte sich Marie, wie eine Ehe zwischen Seraphina, die ja eine Vampirprinzessin war, und dem riesigen Mann, der nun vor ihr stand, funktionieren konnte. Aber die beiden schienen auch nach all den Jahrhunderten ihrer Ehe immer noch glücklich zu sein, denn kaum ließ Drakko seinen Neffen aus den Armen, suchte er sofort wieder die Hand seiner Frau, die sie vertrauensvoll in seine riesige Pranke schob. Die immer noch wunderschöne Drachenkönigin hob ihr Gesicht zu ihrem Mann empor und lächelte ihn strahlend an. Schnell gab er ihr einen zärtlichen Kuss auf die neckisch verzogenen Lippen, bevor er sich wieder Seraphin zuwandte.

 

»Hallo Neffe«, begrüßte der Drachenfüst den Vampirprinzen. Dann richtete er den Blick seiner großen, blauen Augen auf Marie. »Sei auch du gegrüßt, Menschenfrau. Ich heiße dich hier auf unserer vergessenen Insel willkommen und biete dir den Schutz des Drachenvolkes an. Du stehst schon unter der Obhut der Dunkelhainer. Da die Vampirsippe zu meiner Familie gehört, sind damit auch automatisch deine Feinde meine Feinde. Niemand darf sich wagen, einen Angehörigen der Drachensippe anzugreifen, ohne es hinterher schrecklich zu bereuen.

 

Verlegen lächelte die junge Frau den Drachenführer an. »Ich danke euch«, entgegnete sie bescheiden. Hier auf der Insel ist mir alles fremd und ich fühle mich so einsam und allein. Ich bin sehr glücklich darüber, dass hier so viele Wesen bereit sind, für mich da zu sein, obwohl ich doch aus einer völlig fremden Welt komme.« Hinter dem breiten Rücken des Drachenkönigs schob sich nun eine weitere ebenso riesige Figur hervor. Der Neuankömmling war ebenfalls ein beeindruckender Drachen und nur um wenige Zentimeter kleiner als sein König. Leutselig streckte er seine riesige Hand aus und wartete geduldig, bis Marie ihren Schreck über seine plötzliche Nähe verarbeiten konnte.  Als Marie die Augen hob, traf es sie wie ein Schlag ins Gesicht. Die Augen dieses jungen Drachenmannes waren von einem tiefen Blau, mit silbernen Sprenkeln durchsetzt. Es schien ihr, als würde sie in das Universum selbst hineinsehen. Ihre Beine gaben ihr für einen kurzen Moment keinen Halt mehr. Einen Augenblick schwankte sie, aber da boten ihr feste Hände Halt. Dankbar schaute sie Seraphin an, aber der grinste nur unverschämt. Ungläubig ließ Marie den Blick von den sie noch immer haltenden Händen weiter nach oben gleiten, um ihren Besitzer identifizieren zu können und schnappte nach Luft. Der junge Drachenmann musste in unglaublicher Geschwindigkeit die sie noch trennende Distanz überwunden haben und bot ihr nun die so dringend benötigte Stütze. Aus der Nähe verwirrte er ihre schon so gepeinigten Sinne noch mehr.

 

Er hatte tief blaue Augen und fast bis zum Boden fallende silberne Haare. Er war unglaublich schön in seiner Menschengestalt. Beinahe schon zu schön. Größer als alle Männer, die sie bisher gesehen hatte, überragte er selbst ihre nicht gerade geringe Größe erheblich. Er musste über zwei Meter groß sein. Schlank und rank war er, richtig feingliedrig und doch merkt man ihm seine Kraft an. Unübersehbar wölbten sich die Muskeln unter der glatten Haut der Oberarme. Es zuckte Marie beinahe in den Fingern, so gerne hätte sie herausgefunden, ob die Haut sich wirklich so samtig und hart anfühlte, wie sie den Anschein machte.

 

»Wer seid ihr?«, flüsterte sie verwirrt. Leise lachte der junge Drachenmann in sich hinein. Ich bin Dargo, Sohn des Drakko, Prinz der silbernen Drachen. Er nickte zu Seraphin hinüber. »Ach ja. Und ich bin der Cousin von diesem Vampir, der so dicht neben dir steht.«

 

Maries Kopf flog zu Seraphin herum. Dieser nickte bejahend. »Stimmt, Marie. Dieser viel zu gut aussehende Drache da ist mein Cousin. Wir haben beschlossen, dass wir uns beide eure Bewachung teilen werden. Mit einem Drachen und einem Vampir an eurer Seite wird der Attentäter nicht mehr so dicht an euch herankommen können.

»Ob das so gut für mich ist, werden wir sehen«, dachte Marie bei sich und fügte sich in ihr Schicksal. Eskortiert von dem riesigen Vampir und dem noch größeren Drachenmann folgte sie den anderen zum Lagerfeuer, um ihr Frühstück einzunehmen.

 

Mittleidig sah Venja ihre langjährige Freundin an. Während sie sich kristallklar an alle Ereignisse erinnern konnte, hatte sich für alle anderen Anwesenden die Geschichte vollkommen geändert. Sie konnten sich an eine Zeit erinnern, in der die junge Fürstenfamilie von Dunkelhain immer gemeinsam anzutreffen war. Einen mutterlos aufgewachsenen Seraphin gab es in dieser neuen Zeit nicht mehr. Venja hatte sich durch ihre tapfere Tat ihre Vergangenheit zurückgeholt. Daher aber konnte sich auch niemand mehr daran erinnern, dass zwei fremde Frauen aus der Menschenwelt auf die vergessene Insel gekommen waren. Für die Reisegesellschaft ging es nur noch darum, Marie-Anna, die zarte Menschenfrau, vor Angriffen zu beschützen. Ebenfalls hatte sich die Zahl der Gesellschaft vergrößert, denn Venjas Walküren hatten nie ihre Königin verlassen und waren nun ebenfalls mit anwesend im Reiselager. Liebevoll ruhten die Augen der Fürstin von Dunkelhain auf Marie-Anna. Für sie war es jetzt schon ein Jahrhundert her, seit sie ihre beste Freundin zuletzt gesehen hatte. »Irgendwann werde ich dir alles erzählen«, versprach sie in Gedanken der rothaarigen Schönheit. »Ich merke doch, dass du dich trotz allem doch noch irgendwie dunkel an unsere Freundschaft erinnerst und ich bin mir beinahe sicher, dass deine neue Haarfarbe auf meine Schuld ist. Genau diese Farbe hatte meine Frisur, als ich noch Svenja war. Wenn mehr deiner Erinnerungen das Zeitchaos überlebt haben, kann ich dir endlich alles erzählen. Jetzt aber müssen wir alles tun, damit du nicht weiter angegriffen wirst, denn ich befürchte, da ich jetzt als Opfer ausfalle, werden sich die Attacken unserer Feinde auf dich konzentrieren. Ich werde herausfinden, wer sich da wagt, den Frieden der Insel erneut zu stören. Das verspreche ich dir.«

 

Marie-Anna hatte den intensiven Blick Venjas im Nacken gespürt und drehte sich zu ihr um. Verwirrt runzelte sie die Stirn, als sie den funkelnden Augen der Walküre begegnete. Dann aber änderte sich Venjas düsterer Gesichtsausdruck. Ihre Züge entspannten sich, die Miene lockerte sich auf und sie schenkte der jungen Frau ein warmherziges Lächeln.

 

»Irgendwann«, dachte die Fürstin sehnsüchtig. »Irgendwann werde ich dir die ganze Geschichte erzählen können, meine Freundin. Ich habe dich so sehr vermisst, in all der langen Zeit. Wie sehnsüchtig habe ich auf den Tag gewartet, an dem du endlich deinen Fuß auf unser verwunschenes Eiland setzt. Bald nun ist die Zeit reif. Wir werden nicht mehr lange warten müssen. Odin glaubt, dass unsere Freundschaft so tief ist, das du dich eines Tages an mich erinnern wirst, wenn wir uns wieder regelmäßig sehen. Ich kann warten. Und bis zu diesem Zeitpunkt, meine Freundin, werde ich deinen Mörder suchen.

 

Entschlossen drehte sich die Fürstin auf dem Absatz um und schlenderte zu ihren Walküren hinüber, die schon auf ihre Königin warteten. Sie hatten es sehr gut getroffen, mit dieser Anführerin und waren Odin zutiefst dankbar, dass er die kampferprobte und mutige junge Frau adoptiert hatte. Fürstin der Vampire von Dunkelhain, Königin der Walküren der vergessenen Insel. Tochter Odins. Aufgewachsen in zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Umgeben von einer Familie, die aus den machtvollsten Wesen der Insel gehörte, war Venja eine Nummer, mit der man rechnen musste. Die Feinde Maries hatten sich eine mächtige Gegnerin ausgesucht, die bis ans Letzte für ihre Menschenfreundin kämpfen würde.

Ankunft in Dunkelhain

Ohne weitere Zwischenfälle gelangte die Reisegruppe nach Dunkelhain. Hier konnte nun das Treffen der Anführer abgehalten werden. Früher, in den alten Zeiten, wirkte die Burg dunkel und furchterregend, wie sie hoch über den Bergen zwischen den letzten Baumwipfeln thronte.

 

 Nachdem Venja aber nach Finsterwald zurückgekehrt war, hatte sie, inspiriert von ihrem »anderen Leben«, wie sie es scherzhaft nannte, einige Veränderungen durchgeführt. Für die Ideen, die sie weder als Vampirin, noch als Walküre selber durchführen konnte, engagierte sie sich Helfer aus allen Völkern der Insel. Mit der Zeit wurde Dunkelhain berühmt für seine ausgefallenen und atemberaubenden Attraktionen und jeder, der eine Gelegenheit fand, das dunkle Königreich zu besuchen, nutzte sie. Als Semiramis nach ihrer eigenen Rückkehr auf die vergessene Insel mit ihrer Tante zusammentraf, heckten die beiden Schönheiten nun gemeinsam neue Möglichkeiten aus, die Annehmlichkeiten der Menschenwelt nach Dunkelhain, und ebenso, soweit sich Deikugon, der Häuptling der Elfen und Ehemann Semiramis dazu überzeugen ließ, nach Bar Don zu bringen.

 

Wie zu jedem Treffen der Anführer wurde auch dieses Mal als Auftakt eine Führung durch die Schlossanlage durchgeführt. Die anwesenden Würdenträger hatten sich schon seit Wochen darauf gefreut und auch Marie bekam große Augen, als sie am Ende der Gruppe gehend, flankiert von Seraphin dem Vampirprinzen und Dargo dem Nachfolger des Drachenkönigs durch die atemberaubenden Gänge wandelte.

 

Vor sich hörte sie schon die begeisterten »Ahhhhs« und »Oooooohs« der Anderen, als ihr Fuß beim Betreten des Raumes auch schon mitten in der Bewegung verharrte. »Was ... «, irritiert schüttelte sie den Kopf und traute ihren Augen nicht. »Was ist denn das hier für ein Raum?« Verdattert sah sie Seraphin an, der verschmitzt von einem Ohr zum anderen grinste. »Das hier war mein persönliches Kino, wie Mama es nannte, als ich klein war. Sie hat von den Magiern Illusionen erschaffen lassen. Semiramis und sie haben wochenlang herumgetüftelt und die Köpfe zusammengesteckt, als Semi nach ihrem Aufenthalt in deiner Welt endlich wieder bei uns war.«

 

Marie blieb der Mund offen stehen. Es war, als stünde sie mitten im Weltraum und die Planeten drehten sich um sie herum. Instinktiv hob sie die Hand, um den Schweif eines Kometen zu berühren, der gerade eben an ihrem rechten Ohr vorbeirauschte, als das leise Lachen Dragos sie innehalten ließ. »Programme nennen sie es.« Erklärte er der verblüfften Frau. Er fand die junge Dame ganz entzückend, wie sie so in ihrem Erstaunen dastand. Nun aber drehte sie sich abrupt zu dem Drachen um. »Programme?«, fragte sie misstrauisch. »Und warum haben Venja und Semiramis die Köpfe zusammengesteckt und diese PROGRAMME ausgetüftelt? Woher kennt denn deine Mutter so etwas?« Dargo erntete einen harten Knuff von Seraphins Ellenbogen, als er schon zum Sprechen ansetzen wollte. Nun war es an ihm, seinem Cousin einen verblüfften Blick zuzuwerfen. »Warum soll ich denn nichts davon erwähnen?«, schickte er eine gezielte Sendung an Seraphin. »Das sind doch keine geheimen Informationen.«

 

Wieder bekam er einen unsanften Rempler des Prinzen, bevor dieser sich bequemte, auf dem gleichen Wege zu antworten, aber nicht ohne der fremden jungen Frau einen merkwürdigen Blick zuzuwerfen.

»Das hat alles etwas mit Mamas Walkürenverwandlung zu tun und ihrem anderen Leben in der Menschenwelt. Marie-Anna hat sie früher gekannt. Aber als Mama sich dazu entschloss, zu Papa und mir in die Vergangenheit zurückzukehren, hat sich damit auch ihr Leben als Svenja verändert. Verstehst du? Durch Mamas Rückkehr in die Zeit, als ich noch ein Baby war, hat sie ja hier mit uns gelebt. Da sie nicht an zwei Orten zugleich sein konnte, ist nun bei allen hier auch die Erinnerung daran verschwunden, wie sie gemeinsam als Svenja mit Marie-Anna hier auf die Insel gekommen ist und dann Papa und mich als Erwachsenen wieder getroffen hat.« Der Drachenprinz blies die Backen auf. »Das ist ja höhere Mathematik. So was von verworren und kompliziert. Also eigentlich ist deine Mutter mit Marie hier auf die Insel gekommen. Hat dich und mich quasi in den letzten Tagen getroffen und ist dann in die Vergangenheit gereist und dort geblieben?«

 

Seraphin strahlte Dargo an. »Du hast es. Da sie aber bei uns in der Vergangenheit geblieben ist ... «, auffordernd warf er seinem Cousin einen Blick zu. »O.K., O.K. Ich versteh jetzt. Da sie mit uns der Delegation entgegen gereist ist, seit dein Vater und du zwar hin teleportiert um Marie zu beschützen, aber Venja brauchte ja nicht beschützt werden, da sie mit ihren Walküren im Tross war.« Verzweifelt hob er die Schultern. »Sei mir nicht bös, Seraphin, aber das ist mir zu kompliziert. Und Marie kann sich nicht mehr an ihre beste Freundin erinnern, da ja Venja nicht mit ihr auf die Insel gereist ist? Ähhh. Schließlich war sie ja in der Vergangenheit, oder?« Begütigend tätschelte Seraphin Dargos Schulter. »So in etwa«, grinste er ihn an.

 

Marie schaute während dieser lautlosen Unterhaltung von einem Mann zum anderen. Hier wurde sie ohne Zweifel Zeuge einer dieser Gedankenunterhaltungen. Das Mienenspiel der Männer sprach Bände. Es musste sich um sehr komplizierte Sachverhalte handeln. Seraphins Augen blitzten vor Übermut und Freude. Sie mochte den jungen Vampirprinzen sehr gerne. Er sah blendend aus mit seinen pechschwarzen Haaren und den kobaltblauen Augen. Seine Kleidung schien sich wie maßgeschneidert um die kräftigen Muskelpakete seines Körpers zu schmiegen. Das kantige, gut aussehende Gesicht wurde von dem schalkhaften Leuchten der leicht schräg stehenden Augen beherrscht. »Ein durch und durch sympathischer junger Mann«, schloss sie ihre Begutachtung des Prinzen ab.

 

»Mit ihm würde ich auch in meiner Welt jederzeit einen Kaffee trinken gehen.« Dann wanderte ihr Blick zu seinem Cousin hinüber. Drago war noch größer und muskelbepackter als sein Cousin. Lange, silberne Haare fielen ihm weit über den Rücken bis in die Kniekehlen hinein. Selbst bei ihrer Größe musste sie den Kopf weit in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Sonst bin ich bei den meisten Männern auf Augenhöhe, wenn wir Gespräche führen«, dachte sie frustriert. »Bei dem Riesen hier bekomme ich ja noch Nackenschmerzen, wenn ich versuche, ihm beim Reden ins Gesicht zu schauen.« Wieder ließ sie ihre Blicke zwischen den beiden Männern hin und

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 29.07.2015
ISBN: 978-3-7396-0750-4

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