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Komm in meine Arme


 

Sophie R. Nikolay

 

Komm in meine Arme

Gemeinsam frei!


 

 

 

 

 

 

 

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Die Handlung dieser Geschichte ist frei erfunden.

Bitte respektieren Sie die Arbeit von Autoren und erwerben Sie Bücher rechtmäßig.

 

 

Ich ertrage es nicht mehr. Alles, was sich in meinem Kopf abspielt und mir den Verstand raubt, muss heraus. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, alles niederzuschreiben. Vielleicht geht es mir dann besser …

Es begann ruhig. Ein Tag ohne Probleme, ein neuer Patient ohne Gegenwehr, eine willkommene Abwechslung zum sonst nervenaufreibenden Alltag in der Klinik. Ich arbeite in der Psychiatrie. Ich bin Krankenpfleger und komme eigentlich mit allen Patienten – auch mit den schwierigen – gut zurecht. An besagtem Tag wurde Dennis bei uns eingeliefert. Dass ausgerechnet er, der sich als stillster und pflegeleichtester Patient herausstellen würde, die Ursache für das Chaos in meinem Kopf wäre, hätte ich niemals angenommen. Aber von vorne.

Dennis kam an einem Freitag auf die Station. Das Zimmer, in das er gelegt wurde, gehörte zu meinem Pflegebereich. Er sprach nicht, reagierte auf niemanden und ließ alles über sich ergehen. Lethargisch kam er mir vor. Als ob er aufgegeben hätte und ihm alles egal wäre. Seinen Akten entnahm ich, dass er gerade zwanzig Jahre jung war und an einem Trauma litt. Mehr als einmal fragte ich mich, was ihm zugestoßen sein könnte. Ein junger Mensch, der sich so verhält, muss Schreckliches durchgemacht haben.

Bis zum Abend saß Dennis regungslos auf dem Sessel in seinem Zimmer. Ich stellte ihm Wasser auf den Tisch und er sah nicht einmal hin. Wenn ich ihn ansprach, fühlte ich mich, als redete ich mit einer Wand. Das ist zwar bei vielen Patienten so – doch ich verzichtete nie darauf, mit den Menschen zu sprechen, die ich pflegte. Ich glaubte immer, dass sie mich hörten, auch wenn sie es nicht zeigten. Bei Dennis war ich mir da nicht sicher. Schon in den ersten Stunden bekam ich von ihm den Eindruck, er wäre nur noch eine Hülle.

Ich wusste, dass es nicht gut wäre, all die Schicksale der Patienten zu nah an mich heranzulassen. Doch ohne es zu bemerken, tat ich das bei Dennis ab dem ersten Tag. Als es Zeit zum Abendessen wurde, versuchte ich, zu ihm durchzudringen.

„Dennis? Hörst du mich?“

Keine Reaktion, nicht mal ein Blinzeln.

„Es gibt Abendessen. Komm mit, ich bringe dich hin.“

Immer noch nichts.

Ich versuchte ihn zum Aufstehen zu bewegen, indem ich ihm am Ellenbogen fasste und den Arm zu mir herauf zog. Erst glaubte ich, es wäre sinnlos, doch dann stand er auf und ließ sich von mir dirigieren. Er sah mich dabei nicht ein einziges Mal an.

Im gemeinschaftlichen Speiseraum, den alle nicht fixierten Patienten nutzen, setzte er sich auf den Stuhl, neben den ich ihn geführt hatte. Ich versuchte erneut, seine Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Was möchtest du? Magst du Wurst, oder lieber Käse? Einen Tee oder Saft?“

Dennis starrte ein Loch in die Wand gegenüber. Ich zuckte mit den Schultern und entschied für ihn. Nichts Neues in meinem Beruf …

An der Essensausgabe reihte ich mich bei den Patienten ein, die vorbildlich nacheinander zu Rosi an die Theke traten und sich Teller mit dem gewünschten Belag und Brot geben ließen. Die Schüsseln daneben enthielten rohe Paprikastreifen, Kirschtomaten und Essiggurken. Letztere verursachten bei Carmen – einer langjährigen Patientin – immer Panikattacken, nachdem sie einmal beinahe an einer erstickt wäre. Sie hatte vergessen, die

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sophie R. Nikolay
Bildmaterialien: Sophie R. Nikolay
Lektorat: Korrektur: Danke Mick!
Tag der Veröffentlichung: 24.05.2013
ISBN: 978-3-7309-2988-9

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