Cover




Vorwort




Diese Geschichte ist entstanden, weil das Thema Homosexualität noch immer ein Tabu ist. Die Gesellschaft ist heute so frei und tolerant eingestellt, dass selbst Politiker ihre Homosexualität leben können.
Anders ist es in der Welt des Fußballs. Wo dieser Sport doch sonst so tolerant ist, Menschen verschiedenster Nationalitäten und Religionen vereint auf dem Rasen stehen, ist dieses Tabu unverständlich. So mancher Spieler führt wegen seiner sexuellen Neigung entweder ein Doppelleben oder kann mit der Gratwanderung nicht leben und fühlt sich deshalb gezwungen, den Sport aufzugeben.

Die Existenz schwuler Spieler wird totgeschwiegen.
Aus diesem Grund habe ich diese Romanfiguren erschaffen. Bewusst ohne einen speziellen Bezug zu real existierenden Personen, Städten und Vereinen. Denn es geht nicht darum, einen Verein oder eine Stadt im Besonderen hervorzuheben. Es geht einzig darum, die Geschichte zweier Männer zu erzählen, die den Schritt des Outings wagen. Damit stehen die beiden vor einem Berg an Problemen. Denn wer sich nicht in die allgemeine Norm einfügt, muss sich seine Akzeptanz mühevoll verdienen.

Es bleibt zu hoffen, dass auch diese Hürde in der Gesellschaft gekippt wird und dass ein homosexueller Spieler ebenso anerkannt wird, wie jeder andere.


Kapitel 1


Benjamin



Es ist ein völlig normaler Samstag, so wie jeder andere. Ich stehe mit meinen Teamkollegen auf dem Platz. Auf dem Rasen, der mein Leben bedeutet. Das heilige Stück Erde vieler Männer und auch einiger Frauen. Ich bin ein Profi. Ein Mann, der in der Öffentlichkeit steht. Fehler kann ich mir nicht leisten. Die Presse hat ihre Ohren und Augen auf Personen wie mich gerichtet und quittiert jeden Fehltritt mit einer Schlagzeile auf Seite eins. Sehr zu meinem Leidwesen, denn ein unbedachter Schritt bedeutet das sofortige Aus meiner Karriere und meines Lebensinhaltes. Wüsste die Presse von dem Geheimnis, das ich tief in mir trage, hätten sie die Meldung, auf die sie wie hungrige Wölfe warten.
Unsere Mannschaft besteht aus einem bunten Haufen Männer unterschiedlicher Nationalitäten. Das ist keine Seltenheit in der Liga. Wenn alles gut läuft, lernt man als Team zusammenzuspielen und legt eine gute Saison hin. Ich hoffe, uns gelingt das in diesem Jahr. Ich selbst bin erst zu Beginn dieser Saison in diese Mannschaft gewechselt.
Wir laufen uns warm, während mir so manches durch den Kopf geht. Im Grunde sollte ich diese Gedanken rasch aus meinem Hirn vertreiben.
Die Zuschauer nehmen währenddessen ihre Plätze ein. Es ist zu erwarten, dass das Stadion heute abermals voll wird. So soll es sein. Ich liebe es, wenn unsere Fans hinter uns stehen und uns das durch ein ausverkauftes Stadion beweisen. So viele Menschen, die uns anfeuern und zujubeln. Das gibt mir Kraft und den Ansporn, noch besser zu werden. Doch in diesem Jubel steckt auch eine Erwartungshaltung, die mich enorm unter Druck setzt. Ich muss mein Spiel gut machen, als Stürmer auf jeden Fall ein Tor schießen. Ich bin ein Profispieler, das ist mehr als nur ein Job! Ich muss der sein, den ich auf dem Rasen repräsentiere.
Tausende Augenpaare sind auf uns gerichtet, Menschen fiebern und leiden mit uns. Kann es eine bessere Motivation geben, das heutige Ligaspiel zu gewinnen?
Neben mir läuft Jean, mein Partner im Sturm. Ich mag ihn, selbst wenn er nicht viel spricht. Seine Deutschkenntnisse sind noch nicht überragend.

Der Neuzugang unserer Mannschaft heißt Stefano, Halbitaliener, und erst seit zwei Wochen im Team. Wie ich ist er heute von Beginn an auf dem Rasen. Er bringt gute Leistungen im Mittelfeld und schießt erstaunlich gute Pässe. Seine Bälle landen einem förmlich auf der Fußspitze.
Das Einzige, was mich an dem Kerl stört, ist sein verdammt gutes Aussehen und sein Charme. Die Frauen fliegen voll auf ihn. Er ist ein richtiger Machotyp, wie man ihn sich vorstellt. Soweit ich das in den letzten zwei Wochen mitbekommen habe, lässt er keine Frau unangetastet stehen, die sich ihm an den Hals wirft. Möglicherweise hat das etwas mit seinen italienischen Wurzeln zu tun, doch macht das die Sache nicht besser.

Vermutlich sollte ich noch erklären, wer ich bin. Benjamin ist mein Name. Letzten Monat bin ich zwanzig geworden. Fußball beherrscht mein Leben, seit ich fünf Jahre alt bin. Ich bin der absolute Gegensatz zu unserem Neuzugang, dem Halbitaliener mit dem schwarzen Haar und den dunklen Augen. Mein Haar ist blond, ich habe grüne Augen und bin mit einem Meter achtzig weder zu groß noch zu klein für diesen Sport.


Der Anpfiff!
Das Spiel läuft so, wie ich es mir vorgestellt habe. Wir sind in bester Form. Stefano bereichert das Spiel mit den genialsten Pässen, die mir je einer vor die Füße gelegt hat. Jean sieht aus, als würde er jeden Moment vor Begeisterung platzen. Dazu hat er auch alles Recht der Welt. Sein Treffer hat uns den entscheidenden Vorsprung verschafft. Das harte Training lohnt sich eben doch. Jetzt ernten wir den Erfolg unserer Arbeit. Es könnte nicht perfekter laufen.
Ab diesem Moment haben wir die Oberhand im Spiel, es läuft wie geschmiert. Louis, Patrick und David sind unsere Verteidiger und sie lassen unseren Gegnern keine Chance. Wenn ein Ball dem Tor zu nahe kommt, wird sofort geblockt. Wir kämpfen verbissen, doch der Ball will einfach nicht noch mal ins Tor.

Es ist kurz vor Schluss. Gerade hat Patrick wieder dem Stürmer des Gegners den Ball vor den Füßen weggenommen. Ein Pass auf Frank, der völlig frei steht. Ein Moment reicht aus und er hat die nächste Spielstation im Blick. Stefano hat sich freigelaufen, der Gegenspieler kommt nicht nach. Franks Pass sitzt perfekt. Stefano nimmt den Ball mit dem linken Fuß an und dreht sich. Mit Wucht schießt er den Ball auf mich zu.
Ich spurte los, denke schon, dass ich den Ball nicht erwischen werde. Doch ich lege noch zu und das Leder trifft meine Stirn. Meine ganze Kraft packe ich in den Stoß, der Ball ändert seine Richtung, fliegt genau auf das Tor zu. Ich sehe ihn schon oben drüber fliegen … meine Augen kleben auf dem Ball, der unbeirrt weiter fliegt. Es kommt mir vor wie Zeitlupe.
Endlich – haarscharf an der Latte vorbei schwirrt das Runde ins Eckige! Der Tormann hat keine Chance, obwohl er hochgesprungen ist. Drin! Ja!

Jubelnd rase ich über den Platz. Die halbe Mannschaft fällt über mich her. ‚Super!‘ ‚Geil!‘ und ‚Klasse Tor!‘ sind die Kommentare, die mir entgegenfliegen. Hände klopfen auf meine Schultern, wuscheln durch meine Haare und klatschen mich ab. Frank schießt den Vogel ab, denn er verpasst mir auch noch eine Kopfnuss und grinst sich einen. Ich selbst kann mir meine Freude nicht mehr aus dem Gesicht wischen. Ich strahle wie ein Honigkuchenpferd und freue mich tierisch über das lautstarke Jubeln unserer Fans. Das Stadion tobt.
Das Spiel läuft weiter und wir sind einen Moment unkonzentriert durch den Freudentaumel. Der gegnerische Stürmer rast auf Michael zu, unseren Tormann. Louis, Patrick und David hechten hinterher. Ich sehe schon das Gegentor fallen, doch im letzten Moment entreißt David dem Stürmer den Ball. Der Engländer ist genial, er verpasst dem Leder einen harten Tritt. Der Ball fliegt im hohen Bogen quer über den Platz, Jean fängt ihn mit der Brust ab. Anschließend kickt er ihn gemütlich zu mir, ich stehe vollkommen frei. Ich warte auf den Pfiff, während der gegnerische Verteidiger versucht, mich um den Ball zu bringen. Ich laufe. Kaum habe ich mitsamt dem Ball die Mittellinie überquert, ertönt der Schlusspfiff.
Die Fans auf den Rängen toben. Gesänge schallen durch das Stadion. Sie feiern uns – unseren Sieg.
Wir genießen es, fallen uns in die Arme. Die obligatorische Runde durchs Stadion folgt. Wir verbeugen uns vor den Fans, danken auf diese Weise für die lautstarke Unterstützung. Ein paar Fotos, kurze Wortwechsel und gerufene Lobesworte folgen, bevor wir stolz den Platz verlassen.
Wir Spieler versuchen, wieder runterzukommen und machen uns langsam auf den Weg in die Umkleide.
„Hey, Ben! Dein Tor war echt der Hammer!“, ruft Michael, unser Torwart, mir zu.
Ich grinse. „Die Glückwünsche kannst du an Stefano geben, er hat mir den Ball genau auf den Punkt gegeben!“, rufe ich über den Gang zurück.
„Danke für die Blumen!“, erklärt der Erwähnte.
„Ein Hoch auf unseren italienischen Ballkünstler“, albert Jan, der neben ihm im Mittelfeld positioniert war.
„Halbitaliener, bitte. Ich kann mir leider nicht auf die Fahne schreiben, ich wäre ein waschechter Italiener“, stellt Stefano scherzhaft klar.

Geschafft, albernd und grölend verschwinden wir in der Umkleide. Wir blödeln herum und genießen das Siegergefühl. Trikots fliegen durch die Gegend, zusammengeballt als Wurfgeschosse. Eines trifft mich, ich weiß nicht welches. Mein eigenes hat Jan getroffen, der es wiederum auffängt und quer durch den Raum wirft. Ein kurzes Abschlussgespräch mit dem Team, das wegen der aufgekratzten Stimmung auch nicht anders laufen kann. Steve und Achmed sind zufrieden mit uns und unserer Leistung. Mehr brauchen die beiden nicht zu sagen. Mit dem Hinweis, es nicht zu übertreiben, entlassen die zwei uns und wünschen viel Spaß beim Feiern des Sieges.

Duschen und ab nach Hause. Das ist es, was für mich nach jedem Spiel zählt. Duschen ist immer ein Problem für mich. Ich komme mir dabei jedes Mal vor, als stünde ich im Rampenlicht und müsste eine Prüfung ablegen.
Weshalb?
Ich führe ein Doppelleben. Ich bestehe aus zwei Hälften, der öffentlichen und der privaten. Meine private Seite drängt nach einem Spiel wie heute nach vorne. Insbesondere, wenn ich ein Tor geschossen habe oder gleich mehrere. Das Problem daran ist, dass niemand diese Seite von mir kennen darf. Meine Teamkollegen würden sich nicht mehr die Dusche mit mir teilen wollen, wenn sie es wüssten. Ich vermute sogar, sie würden nicht einmal mehr mit mir auf dem Platz stehen wollen.
Denn ich stehe auf Männer.
Die Reaktionen meiner Kollegen kann ich mir ausmalen, wenn ich sie vorhersehen sollte. Schwuchtel, Weichei, Schwanzlutscher und was weiß der Himmel, was ihnen sonst einfallen würde.
Ich fühle mich wohl in dieser Mannschaft. Es würde mir das Herz brechen, wenn sich die Jungs angeekelt von mir abwenden würden. Noch schlimmer wäre es, wenn sie sich von meiner Neigung bedroht fühlen würden. Schließlich ist es nicht so, dass ich wie ein Tier über jeden nackten Mann herfalle! Da ist es bei mir nicht anders als bei den Heteros. Es interessieren mich nur ganz bestimmte Männer. Wobei ich selbst bei denen einen Unterschied mache. Zum einen die, bei denen alles für eine Nacht zu passen scheint. Die Sorte Mann, die genau wie ich noch auf der Suche ist. Ein Abenteuer für eine Nacht.
Daneben gibt es aber noch die Kategorie von Mann, die mich tatsächlich bewegt. Nur weil ich etwas anders ticke als die Norm der Gesellschaft, bedeutet das nicht, dass ich mich nicht nach einem festen Partner sehne. Im Gegensatz zu normalen Männern ist es für mich nicht so leicht, jemanden zu finden, der ebenso denkt und fühlt.
Frauen sind für mich nicht verlockend, doch um meine Fassade aufrecht zu halten, habe ich ab und an eine Affäre. Selbst, wenn mir das schwerfällt. Die einzigen Menschen, die mich wirklich kennen, sind meine Eltern. Zum Glück stehen sie voll und ganz hinter mir. Sogar mein Vater nimmt mich so, wie ich unveränderlich bin.
Doch zurück zum Thema. Das Duschen. Ich halte mich stets im Zaum, um nicht in Verlegenheit zu geraten. Umgeben von nassen und eingeseiften Männerkörpern ist das nicht so leicht. Wenngleich ich bis vor Kurzem keinen meiner Mannschaftskollegen begehrt habe. In der Tat, dramatisch ist es erst, seit Stefano bei uns ist.
Ich muss meine Augen dazu zwingen, von ihm fernzubleiben, denn sonst hätte ich mich gewiss nicht mehr unter Kontrolle. Er ist der heißeste Kerl, dem ich je begegnet bin und seine Frauengeschichten machen mich krank.
Schöner Gegensatz, nicht wahr? Was soll ich sagen? Es gibt ein nettes Sprichwort, dass Frauen gerne benutzen. Die schönsten Männer sind entweder vergeben oder schwul. Nun ja, in meinem Fall leider hetero. Unerreichbar.

Ich fahre nach Hause. Doch dort bleibe ich heute nicht. Ich muss raus, raus aus meiner Haut. Das ist nicht mal annähernd leicht. Bevor ich in den Club fahre, der komplett zu meinen Vorlieben passt, muss ich mich verändern. Die Gefahr, dass ich erkannt werden könnte, ist viel zu groß. Mit der Zeit habe ich gelernt, mich in solchem Ausmaß zu verändern, dass nicht mal meine Eltern mich erkennen würden.
Ich ziehe mir die Lederhose an, mit der ich immer ausgehe. Eng anliegend und schwarz, eine Sünde. Meine trainierten Schenkel kommen darin perfekt zur Geltung. Mehr als ein Liebhaber haben mir das bestätigt. Obendrein ein weißes Hemd, das bis zum Nabel hin geöffnet ist. Meine Haare, die ja blond sind, verändere ich mit einer einfachen, auswaschbaren Tönung. Die braune Farbe muss ich am Sonntag mühsam auswaschen, doch das sind mir diese Abende wert. Auch meine Augenfarbe ändere ich. Dazu trage ich braune Kontaktlinsen. Um dem Outfit noch die Krone aufzusetzen, benutze ich eine gewisse Anzahl an Ringen und Ketten.
Endlich bin ich fertig und aus dem Spiegel sieht mir nicht mehr Benjamin, der Fußballspieler entgegen. Ich bin Ben, nur mit dem wahren Ich nach außen gekehrt. Ausgehfertig und auf der Suche nach einem Kerl für diese Nacht.

Es ist bereits nach Mitternacht, als ich ins Prestige

komme. Auf den ersten Blick ist die Auswahl nicht schlecht. Ein paar hübsche Jungs sind ohne Frage dabei. Da ich mich aus verständlichen Gründen mit dem Alkohol eher zurückhalte, beschränke ich mich auf das Tanzen. Nebenbei taste ich bereits den ein oder anderen Kandidaten ab.
Die Tanzfläche ist riesig, die Wände und der Boden sind schwarz, die einzige Lichtquelle bilden kleine Lämpchen in den Wänden. Das lässt den Raum wirken, als stünde man mitten in einem Sternenhimmel. Der Inhaber des Ladens, ein heißer Spanier, hat einen guten Geschmack bei der Auswahl seines Interieurs gezeigt. Das Mobiliar besteht zum größten Teil aus Chrom, in Verbindung mit rotem Leder. Selbst auf den Toiletten ist schwarz die bestimmende Farbe, doch nicht düster wirkend, sondern edel mit einem besonderen Highlight zusätzlich. Gänzlich abgetrennte Kabinen, die besondere Art an Privatsphäre …
Der Club ist weder auf Gothik spezialisiert, noch auf Sadomaso. Schlicht mit dem Bewusstsein, hauptsächlich homosexuelle Klientel zu haben, extravagant eingerichtet. Normale Diskotheken gibt es wie Sand am Meer, diese Läden, wie das Prestige, sind rar und wollen aus der Masse hervorstechen. Das hat der Chef richtig gut hin bekommen.

Die Musik entspricht dem, was auch in den normalen Diskotheken läuft. Alles, was zurzeit so in Mode ist. Im Moment spielt der DJ eine Reihe von Hip-Hop Titeln, die Masse tanzt, zuckt und drängt sich zum Rhythmus. Ich fühle mich frei, jetzt bin ich tatsächlich ich. Ohne Fassade, ohne Versteckspiel.
Neben mir tanzt ein rothaariger Bursche, kaum älter als ich. Schmächtig ist er, gekleidet in hautenges Latex. Immer wieder berührt er mich, nahezu beiläufig. Doch ich kenne die Anspielungen, die Körpersprache und Gesten eines willigen Mannes. Nur ist er nicht das, wonach ich Ausschau halte. Ich brauche Kerle, die ein Abbild sind von dem, was ich eigentlich will. Stefano. Eben dem, den ich nicht haben kann.
Ich lasse meine Augen suchend umherwandern, taste die Menge ab. Dann sehe ich einen schwarzen Schopf, der mich lockt. Tanzend bewege ich mich in die Richtung des Mannes, der mein Spielzeug für die heutige Nacht sein könnte. Ein kribbelndes Gefühl breitet sich in mir aus, der erste Schritt fällt mir immer schwer. Ich hoffe, der Schwarzhaarige lässt sich auf ein Abenteuer mit mir ein.
Er steht an der Bar und schwankt leicht. Plötzlich dreht er sich um. Schlagartig bleibe ich stehen, mein Herz hämmert im Takt mit der Musik. Ich traue meinen Augen nicht, hoffe, dass sie mir einen Streich spielen. Doch dem ist nicht so. Keine zwanzig Schritte von mir entfernt steht Stefano an der Bar.
Das kann doch wohl nicht wahr sein! Was tut der hier?
Auch wenn ich weiß, dass er mich nicht erkennen kann, lenke ich meinen Weg an die Seitenwand. Weg von ihm. Raus aus der Menge. Mein Verstand brüllt, ich sollte schnellstens verschwinden. Wenn er mich erkennen würde! Nicht auszudenken, welche Folgen das für mich hätte.
Doch ich bleibe, wo ich bin. Mit dem Rücken an der Wand beobachte ich ihn.
Was macht der hier?

, frage ich mich immer wieder, der Panik nahe. Ich atme hektisch. Unschlüssig, was ich nun tun soll, stehe ich starr da. Wie ein Spion, oder besser, wie ein Feigling verschanze ich mich hier hinten und sehe Stefano an.
Ich sehe sogar aus der Entfernung, dass er Alkohol trinkt. Seine Beine stecken in Bluejeans, der Oberkörper in einem lässigen T-Shirt. Trotzdem sieht er in meinen Augen hinreißend aus. Doch es ist ein Fehler, so offen und normal hier zu sein. Jeder kann ihn erkennen! Stefano scheint sich allerdings keine Gedanken um seinen Ruf zu machen.
Ich komme mir vor, als würde ich in einer Falle sitzen. Ich bin hergekommen in der Absicht, einen Kerl zu treffen, der Stefano ähnlich ist. Um einen Ausgleich zu suchen, weil ich ihn nicht haben kann. Und dann taucht das Objekt meiner Begierde einfach hier auf? Wut sammelt sich in meinem Bauch. Er sollte nicht herkommen! Es reicht mir, täglich damit konfrontiert zu werden, dass er für mich unerreichbar ist. Hier will ich frei sein von allem, was meinen Alltag beherrscht und bestimmt. Verdammt! Das war es dann wohl für heute mit der Freiheit. Was muss der Vollidiot auch hier ankommen und mir den Abend dermaßen versauen?

Es kommt mir so vor, als sei alles wie auf einen Schlag weggewischt. Die Musik, die tanzende Menge, die knutschenden Pärchen in der Ecke. Nur Stefano existiert noch für mich und meine Sinne. Ich betrachte ihn fortwährend, er kippt einen Whisky nach dem anderen. Seine Augen schweifen ruhelos durch den Raum. Es sieht so aus, als habe er wenig Interesse an seiner Umgebung. Mir kommt es beinahe vor, als würde er sich zwar umsehen, aber nicht hinsehen …
Doch schließlich ändert sich sein Gesicht. Für mich sieht es so aus, als wäre erst jetzt bei ihm der Groschen gefallen und er versteht endlich, wo genau er sich hier befindet.
Im Anschluss daran kommt der nächste Schock für mich. Im ersten Moment will ich nicht glauben, was ich zweifelsfrei sehe. Stefano sieht sich nicht nach den Mädchen oder Frauen um, die hier sind. Er schaut eindeutig nur nach Männern. Ich sehe den im Club als Mr. X bekannten Kerl, der ohne Ausnahme eine gewagte silberne Lederhose trägt. Dieses besondere Modell nenne ich gewagt, weil der komplette Arsch frei ist. Und Stefano? Er gafft eben diesen nackten Arsch an. Nicht vor Entsetzen, nein. Er stiert ungeniert auf die nackte Haut und sabbert dabei fast wie eine Deutsche Dogge! Ich glaube es nicht, selbst wenn besagter Hintern ohne Frage ein Hingucker ist.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Zu meinem Unglauben und der aufkeimenden Wut gesellt sich Hoffnung. Der Wunsch, dass Stefano nicht der Frauenheld ist, für den ich ihn gehalten habe. Mir ist schwindelig, die Folge an Erkenntnissen macht mich ganz wirr.
Ich sehe Stefano, wie er Mr. X gierig an den freiliegenden Arsch packt. Jetzt hält mich nichts mehr in meiner Abseitsposition. Ich stürme regelrecht auf die Bar zu, hatte ich doch gerade den Beweis vor Augen, dass Stefano nicht ganz der ist, der er zu sein scheint!
Hat er vergessen, wer er ist?, schießt es mir durch den Kopf.
Der Alkohol hat Stefano zweifellos den Kopf vernebelt. Als Fußballspieler darf er sich doch nicht so in der Öffentlichkeit benehmen. Nicht, wenn er für jeden erkennbar ist!


Weiter geht es dann im Buch!

Erscheinungsdatum: 15.06.2012
ISBN:978-3-943678-21-5
Dead Soft Verlag

als Print und als eBook

Printversion 12,95¤
eBook 5,99¤


Impressum

Texte: Sophie R. Nikolay
Bildmaterialien: Dead Soft Verlag, Fotolia © Vladimirs Poplavskis
Lektorat: Dead Soft Verlag
Tag der Veröffentlichung: 05.03.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Jedem, der auf irgendeine Weise ausgegrenzt wird!

Nächste Seite
Seite 1 /