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Ein Ausschnitt aus dem Leben einer Südafrikanerin, einmal ganz anders. Eine Ähnlichkeit mit Personen ist nicht rein zufällig. Es ist auch keine Wertung, es ist nur eine der vielen Wahrheiten. Eigentlich wollte ich ja was hoffnungsvolles schreiben, dass Land hat es echt verdient.



Sie schiebt das schwere Stahlgatter zu und schliesst es ab. Prüfend schaut sie nochmal über die Hausfront, ob nicht eines der Gitter an den Fenstern offen steht. Als sie in den alten Toyota steigt, der genauso wie ihr Heim schon bessere Zeiten gesehen hat, hört sie ihren Hund noch kläffen.

Das erste Ziel der Fahrt ist ihr älterer Sohn. Mit seiner Familie will sie an diesem Tag etwas erleben, und nicht an das Geschehende zurückdenken. Von Pietermaritzbourg nach Durban sind es etwa fünfzig Meilen. Viel Zeit zum Nachdenken, doch das will sie eigentlich garnicht, doch bei der Fahrt durch die Vorstadt sind die vielen verlassenen Häuser einfach nicht zu überspielen und sie denkt unausweichlich nach, wie es nun weiter geht, mir ihr und ihrem Mann. Automatisch blickt sie auch auf die Verriegelungen der Tür, sie sind alle geschlossen.

Pietermaritzbourg versprüht den Charme einer Endzeit-Story. Und sie fährt möglichst zügig die Mainroad entlang bis zur Auffahrt zum Highway. Viel Verkehr, nicht das der Highway jemals leer war, aber so viele Autos hat sie hier noch nie gesehen. Auf der linken Seite an einem Hang steht das Hospital, normalerweise fährt sie immer nach der Arbeit dorthin. Da liegt ihr Mann, alt und verwirrt. Zu dem Überfall auf ihn, kam nun noch ein Schlaganfall.

Wir müssen irgendwie das Haus verkaufen und irgendwie müssen wir zurück nach Deutschland, geht ihr durch den Kopf. Doch ein Haus in einer verlassenen Vorstadt kauft niemand und in Deutschland haben sie nichts, ausser ihre Schwester, die selber einen Haufen Probleme hat.

Sie schüttelt den Kopf, als würde sie damit diese Gedanken vertreiben. Pinetown, die Abfahrt. Hier wohnt ihr großer Sohn. Hier sieht die Welt auch noch in Ordnung aus. Schon fast wehmütig denkt sie an die alten Zeiten. Apartheid, nein dass will sie auch nicht mehr, aber sicher leben konnte sie damals. Was jetzt kommt, da ist sie zu alt für. Sie ist fast siebzig und arbeitet als Verkäuferin in einer Modeboutique. Mehr ehrenamtlich als für Geld. Geld hat man zwar, aber das ist nichts wert. Wenn Emelie, die treue Seele des Hauses nicht wäre, würde sie wahrscheinlich schon das Handtuch geworfen haben. Aber Emelie muss halt auch leben und das bisschen Geld was übrig bleibt, gibt sie der treuen Seele. Sie kann allerdings auch nicht anders, es ist Gesetz.

Ihr grosser Sohn steht am Tor zu seinem Haus. Naja Haus ist noch etwas untertrieben... Traumhaus, oder Villa könnte man schon eher dazu sagen. Er lässt sie hineinfahren und verschliesst mit einem Knopfdruck das Gatter.

Jahrzehnte lebte er mit seiner Familie auf einer Baustelle, war arm wie eine Kirchenmaus. Dann kam der Durchbruch mit der Wende zur Demokratie. Plötzlich war seine Erfindung, in die er all sein Geld gesteckt hatte, etwas wert. Wasseruhren mit Münzeingabe, gedacht für die Townships. Jetzt hat er sich seinen Traum erfüllt. Aber seine Mutter will nicht mit ihrem Mann ihn auf der Tasche liegen, dafür hat sie einfach zuviel Stolz. Ausserdem mag sie auch nicht besonders seine Frau.

Aber heute will sie nicht an all das denken, heute will sie abschalten. Schliesslich hat sie ihr grosser Sohn zu dem WM - Spiel eingeladen.

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Tag der Veröffentlichung: 20.06.2010

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