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Haben Sie schon einmal einen dieser kostbaren Momente im Leben gehabt, in denen man ohne einen ersichtlichen Grund in einen euphorischen Zustand gelangt, der eine nachhaltige innere Veränderung mit sich bringt, ohne dass sich tatsächlich etwas ändert.

Es war in Campeche/Mexico, an einem schönen Abend an der Strandpromenade.
Drei Wochen war ich nun allein in Yucatan unterwegs. Vor drei Wochen landete ich von Kuba kommend in Cancun, verbrachte einige Tage in Tulum und fuhr von dort mit dem Bus über verschiedene Zwischenstationen weiter.
Für den Aufenthalt in Campeche plante ich wenig Zeit ein. Es war nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Palenque. Ich wollte mir die Stadt ansehen, sie ist Weltkulturerbe und weiter fahren. Das Stadtzentrum ist sehr schön. Die Häuser sehen so, als wären sie gerade eben erst gestrichen worden. Bunt, sauber, makellos. Ein kleines Schmuckkästchen. Einige alte Stadtmauern stehen noch. Und es gibt einen schönen Park.
Ich liebe diese Parks. Man kann dort sitzen, einfach seinen Gedanken nachhängen, Menschen beobachten, ins Gespräch kommen. In den Abendstunden gibt es oft Veranstaltungen. Alle treffen sich hier, Kinder, Paare, Jugendliche, und alte Menschen.
Überall gibt es kleine Stände die Essen und Trinken anbieten. Es ist eine ruhige, friedliche Atmosphäre. Alle scheinen miteinander verbunden zu sein. Jeder für sich allein oder in der Gruppe und doch eine Einheit. Jeder ist ein Teil des Ganzen, und doch frei. Man kann allein bei sich sein, oder auch ein Gespräch suchen. Es ist unaufdringlich.
Ein Taxifahrer der mich vom Bus- Terminal zum Hotel brachte, empfahl mir einen etwas weiter entfernten Strand zu besuchen. In Stadtnähe gibt es keine Badestrände, die sich zu besuchen lohnen. Er beschrieb mir, wie ich dort hin gelangen kann. Es hörte sich etwas kompliziert an, vom Markt aus mit einem Kleinbus in ein Dorf fahren und von dort weiter mit einem Motorradtaxi zum Strand.
Er bot mir an, mich dorthin zufahren. Alle Taxifahrer, mit denen ich bisher gefahren bin, boten mir an die Tour zu übernehmen, wenn ich sie nach dem Bus- Terminal gefragt hatte, nicht ohne dabei die Vorzüge des Taxifahrens ausführlich darzustellen. Mir war das zu einfach. Wenn man irgendwo mit dem Bus hinfahren konnte, dann nutzte ich die Möglichkeit.
Am nächsten Tag erkundigte ich mich am Markt bei einem Fahrer, wie ich zum besagten Strand komme. Die Tour dauerte zu lange. Abends wollte ich nach Palenque weiter.

Zurück zum besagten Abend an der Strandpromenade. Die Sonne ging unter. Der Abendhimmel war bewölkt. Die Wolken brachen das Licht der untergehenden Sonne. Diese Wolken hatten etwas friedliches und gleichzeitig etwas aufgewühltes, bedrohliches.

Die Strandpromenade war mäßig belebt. Skater, hier und da Paare, mit oder ohne Kinder und Hundebesitzer, die ihre Kampfhunde ausführten.
Ich sah in diesen Abendhimmel und versuchte den Wolken eine Bedeutung zu geben. Welchen Einfluss hatten Sie auf meine Stimmung? Ich sah diesen Himmel an, sah manchmal auf das Meer.

Da stieg ein Gefühl von Gewissheit in mir auf. Bis hierhin hatte ich es geschafft. Das kann mir niemand nehmen, auch wenn ich die Reise morgen würde abbrechen müssen. Ich war stolz auf mich, bis hierher allein gekommen zu sein. Ich war von diesem Stolz erfüllt. Und sollte ich auch morgen aus irgendeinem Grund die Reise abbrechen müssen, so wäre es kein Scheitern, weil ich die Reise nicht zu Ende gebracht habe, sondern es wäre ein Erfolg es soweit geschafft haben. Bis hierhin war alles vollkommen, so wie es war.

Ich reise allein, aber diesen Abend hatte ich nicht das Gefühl allein zu sein. Ich saß in einen Restaurant und war der einzige, der allein an einem Tisch saß. Manchmal störte es mich, ich fühlte mich beobachtet, doch an diesem Abend ganz und gar nicht. Ich hatte das Gefühl, dazu zu gehören, Teil dieses Ganzen zu sein.

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Tag der Veröffentlichung: 25.09.2011

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